Weniger Tabletten für Patienten Madrid plant neue Einschnitte
17.08.2011, 12:47 Uhr
Noch mehr sparen: Die düsteren Perspektiven treibt die Jugend in Madrid schon jetzt auf die Straße.
(Foto: REUTERS)
Unter dem Druck der Finanzmärkte kündigt Spanien neue einschneidende Sparmaßnahmen an: Um die Staatsfinanzen zu entlasten, sollen unter anderem die Ausgaben im Gesundheitssystem sinken. Verzweifelt erneuern die Spanier ihren Hilferuf nach Eurobonds. Rom schließt sich an.
Spanien will im Kampf gegen die Schuldenkrise die bisherige Sparpolitik nochmals verschärfen und neue Maßnahmen zur Entlastung vorstellen. Wie Regierungssprecher José Blanco mitteilte, will Madrid die Ausgaben der staatlichen Krankenversicherung für Medikamente kürzen. Die Ärzte sollten weniger Arzneimittel verschreiben, und die Patienten sollten mit den Medikamenten sparsamer umgehen. Zudem wolle die Regierung bei den Großunternehmen die Erhebung einer Sondersteuer auf einen früheren Zeitpunkt vorziehen.
Die Maßnahmen sollen Ende der Woche vom Kabinett gebilligt und in der kommenden Woche auf einer Sondersitzung des Parlaments im Eilverfahren verabschiedet werden. Sie sollen den Staatshaushalt um rund 5 Mrd. Euro entlasten. Die Zinssätze der spanischen Staatsanleihen waren Anfang August drastisch gestiegen. Die Risikoaufschläge drohen die Finanzierung der Schulden erheblich zu verteuern.
Eurobonds schon ab September?
Die Euro-Staaten Italien und Spanien pochen auch nach dem deutsch-französischen Gipfeltreffen auf die Einführung von Eurobonds.
Die Regierungen in Rom und Madrid erklärten nach dem Treffen, die Vorschläge von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy zur Integration der Eurozone ebneten längerfristig den Weg zum Verkauf dieser gemeinsamen Staatsanleihen - obwohl Merkel und Sarkozy Eurobonds nach ihrem Treffen zur Enttäuschung der Finanzmärkte erneut abgelehnt hatten.
Zusammen mit Euro-Staaten wie Griechenland, Irland, Portugal und Spanien steht seit kurzem auch Italien unter verschärfter Beobachtung. Italien hatte seien Sparanstrengungen kürzlich eben . Eurobonds würden die Finanzierungskosten dieser Länder deutlich senken - allerdings auf Kosten von Deutschland und Frankreich. Nach Berechnungen des Ifo-Instituts müssten allein die deutschen Steuerzahlermit einer Mehrbelastung von etwa 47 Mrd. Euro pro Jahr rechnen. Langfristig drohten sogar "erhebliche Mehrkosten", sagte Ifo-Konjunkturchef Kai Carstensen. Andere Experten hatten automatisch anfallende Mehrbelastungen durch Eurobonds bezweifelt. Durch die Größe des Euro-Raums könnten die Eurobond-Zinsen womöglich sogar niedriger ausfallen.
Was kostet der Eurobond-Traum?
Für Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 7,5 Jahren zahlt Deutschland derzeit rund 2,3 Prozentpunkte weniger Zinsen als der Durchschnitt des Euro-Raums, erklärten die Ifo-Forscher. Werde dieser Vorteil durch die Ausgabe gemeinsamer Bonds aufgegeben, ergebe sich bei einer deutschen Staatsschuld von 2080 Mrd. Euro eine jährliche Mehrbelastung von 47 Mrd. Euro, rechneten sie den Befürwortern einer gemeinschaftlichen Anleihe.
Der deutsche Staat kann sich wegen vergleichsweise solider Finanzen zu sehr günstigen Konditionen am Kapitalmarkt mit Geld eindecken. Hoch verschuldete Euro-Staaten wie Italien müssen Investoren dagegen mit hohen Risikoaufschlägen locken. Bei der Ausgabe gemeinsamer Euro-Anleihen durch die Euro-Länder kommen die Krisenstaaten billiger zu Geld, soliden Volkswirtschaften wie Deutschland drohen aber höhere Kosten. "Irgendjemand muss die Kosten tragen", sagte Carstensen. "Es ist nicht schwer zu erraten, wer das ist."
Verlockende Geldquelle
Aus der Sicht der überschuldeten Euro-Staaten führt dagegen längst kein Weg mehr an Eurobonds vorbei. "Je mehr wir uns auf die Integration der Wirtschaftspolitik zubewegen, desto näher kommen wir der Idee von Eurobonds", sagte ein Regierungssprecher in Madrid. In Rom erklärte ein ranghohes Mitglied der Partei von Ministerpräsident Silvio Berlusconi, die Regierung hoffe, dass Merkel bis September von Eurobonds überzeugt sein werde.
Merkel und Sarkozy hatten nach ihrem Treffen in Paris die Einführung von Eurobonds zunächst ausgeschlossen. Merkel hatte allerdings vermieden, gemeinschaftliche Staatsanleihen für alle Zeiten auszuschließen. Sarkozy hatte betont, Eurobonds seien "vielleicht irgendwann in der Zukunft einmal denkbar", aber erst am Ende der europäischen Integration.
Um die Schuldenkrise in den Griff zu bekommen, wollen Deutschland und Frankreich die Integration in der Eurozone beschleunigen, etwa durch eine in den Verfassungen der Euro-Staaten festgeschriebene Schuldenbremse und eine engere Verzahnung der Wirtschaftspolitik.
Quelle: ntv.de, dpa/rts