Wer streicht als nächster? Märkte knöpfen sich Portugal vor
09.03.2012, 12:23 Uhr
Portugals Wirtschaft schrumpft deutlich - Besserung nicht in Sicht.
(Foto: REUTERS)
Kaum glückt Griechenland der freiwillige Schuldenverzicht der meisten privaten Gläubiger, geht an den Finanzmärkten die Angst vor Ausfällen bei einem weiteren Wackelkandidaten um. Die Risikoaufschläge portugiesischer Staatsanleihen steigen, und mit ihnen die Wahrscheinlichkeit einer Umschuldung auch in Lissabon.
Die Karawane zieht weiter: Athens Gläubiger befreien das finanziell ruinierte Land mehr oder weniger freiwillig von mehr als 100 Milliarden Euro Schulden. Nun nehmen Investoren am Anleihenmarkt das nächste Land ins Visier. Die Kurse portugiesischer Staatsanleihen fallen, im Gegenzug steigen die Renditen.
"Portugal ist als nächstes dran", sagte ING-Zinsstratege Alessandro Giansanti. "Eine Wahrscheinlichkeit von über 30 Prozent für eine Umschuldung ist (bereits) eingepreist."
Untragbare Renditen
Portugiesische Anleihen mit zehnjähriger Laufzeit rentieren am Freitag mit 14,26 Prozent, das sind 0,19 Prozentpunkte mehr als am Vortag. Zum Vergleich: Deutsche Staatsanleihen mit gleicher Laufzeit bringen aktuell eine Rendite von 1,795 Prozent. Für Lissabon verlangen Anleiheinvestoren also einen Risikoaufschlag von 12,474 Prozent - für jedes europäische Land wäre das längerfristig der Genickbruch.
Kurzfristig hohe Renditen ihrer Staatsanleihen können klamme Euro-Staaten aussitzen, da sie sich nicht unmittelbar in höheren Zinszahlungen des Landes niederschlagen. Zum Problem werden sie jedoch dann, wenn alte Schulden zurückgezahlt und neue Anleihen an den Markt gebracht werden müssen. Damit Anleger bereit sind, frisches Geld zu borgen, müssen sich die Zinsen der neuen Papiere am aktuellen Marktniveau orientieren. Liegen dann die Renditeforderungen so hoch wie derzeit in Portugal, müsste das Land für die Zinszahlungen solch enorme Summen aufbringen, dass dies die Schuldenspirale nur noch schneller drehen ließe.
Portugal musste sich im April vergangenen Jahres bereits unter den europäischen Rettungsschirm flüchten und Hilfen in Höhe von 78 Mrd. Euro annehmen. Dafür verordnete sich das Land im Gegenzug einen harten Sparkurs. In diesem Jahr steht das Land jedoch nach Schätzung der EU-Kommission vor einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 3,3 Prozent. Daher wird bereits diskutiert, ob Portugal noch ein zweites Rettungspaket des Rettungsschirms EFSF benötigt.
Marktreife in weiter Ferne
Am Kapitalmarkt hat das Land derzeit dagegen offenkundig keine Chance. Der portugiesische Bankenverband schloss jüngst eine komplette Rückkehr des hoch verschuldeten südeuropäischen Landes an die Kapitalmärkte bereits im kommenden Jahr aus. "Niemand denkt daran, dass wir mit der Ausgabe von Milliarden und Aber-Milliarden in zehnjährigen Anleihen beginnen werden, und wir tun das nicht, weil es unrealistisch wäre", sagte Verbandspräsident Antonio de Sousa. Portugal könne damit beginnen, Bonds mit kürzeren Laufzeiten am Markt zu platzieren.
Seit dem Hilfspaket von EU und IWF hat sich Portugal sich aus dem Markt für langfristige Anleihen zurückgezogen. Es hat aber Bonds mit zwölf Monaten Laufzeit begeben und denkt jetzt über Papiere mit 18-monatiger Laufzeit nach. Gemäß der Einigung mit EU und IWF soll Portugal im September 2013 an die Kapitalmärkte zurückkehren. Ökonomen zweifeln jedoch daran, dass das Land das schafft.
Quelle: ntv.de, nne/rts