Britische Superreiche packen aus Milliardäre finden Steuerparadiese superöde
03.02.2024, 13:51 Uhr
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Nirgendwo in Europa leben so viele Superreiche wie in London.
(Foto: imago images/UIG)
Britische Superreiche hängen an ihrem Heimatland - sagen sie jedenfalls: Allein für günstige Steuern würden sie ihr Londoner Luxusleben angeblich nicht gegen die Villa auf den Bahamas eintauschen. Aber um Steuern zu sparen, müssen sie Großbritannien auch nicht einmal verlassen.
Jachten, Privatflugzeuge, Luxusvillen: Das verbinden die meisten mit Superreichen. Doch wie sie wirklich leben und denken, davon bekommen wir weniger mit. Die Welt der Milliardäre ist verschlossen. Ihr Privatleben halten sie meist geheim.
Einen kleinen Einblick haben jetzt Forscher der London School of Economics bekommen. Sie konnten mit einigen der Reichsten in Großbritannien plaudern, den reichsten ein Prozent.
Das erstaunlichste Ergebnis: Steuerparadiese können sie gar nicht leiden, wie die Superreichen in ausführlichen Interviews erklären. Die allermeisten hängen an Großbritannien und würden das Land aus Steuergründen nicht verlassen. In Steueroasen würden sie sich "zu Tode langweilen", sagen sie.
"Nur Menschen mit Jachten und Bediensteten"
In den "winzigen Orten" sei einfach zu wenig los. Sonne, Meer und Sand - schön und gut, aber das sei nur für ein paar Wochen toll, um mal die Akkus aufzuladen.
Auf die Stadt wollen die Superreichen nicht verzichten. Dort seien schließlich kulturelle Angebote vorhanden: Opern, Museen, Theater - das gebe es auf den Bahamas nicht. Die Gesundheitsversorgung sei auch besser und es gebe Privatschulen. In den Steueroasen würden ihnen die Kontakte fehlen, die sie in London haben. In Übersee wohnen ihrer Ansicht nach nur Menschen mit Jachten und Bediensteten. Und in Nahost droht ein Leben in abgeschlossenen Wohnanlagen - kaum vorstellbar.
Von einem Umzug wäre die liebe Familie wohl auch weniger begeistert: Die Superreichen hätten Bedenken wegen "familiärer Unruhen". Und sie befürchten, als Steuerflüchtling abgestempelt zu werden. Auch die Karriere könnte ihrer Ansicht nach leiden. Ein "dynamisches Wirtschaftsklima" mit "Raum für Innovationen" gebe es nur in London. Kurz: Etwas Schlimmeres, als in eine Steueroase umzusiedeln, können sich die britischen Ultrareichen überhaupt nicht vorstellen. Sie lieben London!
Geld wandert in Steuerparadiese ab
Ein physischer Umzug auf die Britischen Jungferninseln oder die Kaimaninseln ist gar nicht nötig, um Steuern zu sparen. Das können Milliardäre und andere Superreiche auch, ohne ihr Londoner Luxus-Apartment zu verlassen. "Es gibt viele legale und illegale Möglichkeiten, das Geld, das man vor der Steuer verschonen möchte, in Steuerparadiese zu schaffen", sagt Johannes König, Volkswirt am Sozio-oekonomischen Panel beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin im ntv-Podcast "Wieder was gelernt". "Wenn ich das berühmte Konto auf den Cayman Islands oder in der Schweiz aufmache, dann heißt das noch lange nicht, dass ich dort jeden Tag hinpilgern möchte, um zu schauen, ob das Geld noch da ist." Superreiche seien deutlich mobiler als der Rest. "Sie haben ja auch die Mittel dazu."
Dennoch haben die Superreichen in einem Punkt auf jeden Fall recht: In den Offshore-Steuerparadiesen lebt kaum jemand. Das zeigt etwa eine DIW-Studie, die mithilfe von Satellitendaten die wirtschaftliche Aktivität auf den Karibikinseln untersucht. Autor Jakob Miethe konnte mittels Nachtlicht-Daten der NASA auswerten, wie lange dort nach schlimmen Stürmen das Licht ausgeht. "Die meisten dieser Steuerparadiese sind oft recht schwarz in der Nacht. Ergo: Da ist niemand", macht König deutlich. Nur der Bankensektor lief ohne Beeinträchtigungen weiter wie bisher.
Das größere Problem sei, dass Geld in diese Steuerparadiese abwandere. "Es ist dann meistens untätig und kann nicht besteuert werden", so der Ökonom.
Steuern sollen in Großbritannien noch sinken
Auch insgesamt wird es schwieriger für reiche Privatpersonen, ihr Vermögen in Steueroasen zu verstecken. Die individuelle Steuerflucht ist um etwa zwei Drittel zurückgegangen, steht im ersten "Globalen Steuerflucht-Bericht" von Forschern der Paris School of Economics: Der internationale Datenaustausch greift.
In ihrem Bericht weisen die Forscher stattdessen auf ein anderes großes Problem hin: Milliardäre werden generell kaum besteuert. Die effektiven Steuersätze liegen bei 0 bis 0,5 Prozent des Vermögens, obwohl der Spitzensteuersatz im Vereinigten Königreich momentan bei 45 Prozent liegt - und damit etwas höher als in Deutschland mit 42 Prozent. Der britische Satz soll aber perspektivisch sinken: Der britische Finanzminister Jeremy Hunt hat Steuerkürzungen für Millionen Menschen angekündigt, um die Wirtschaft anzukurbeln.
Vermögenssteuer lohnt sich nicht
Eine Vermögenssteuer gibt es in Großbritannien nicht. König hält sie auch für wenig sinnvoll. Denn sie sorge für mehr Aufwand, als dass sie Geld einbringt. "Selbst in Frankreich, wo es ja eine allgemeine Vermögenssteuer für besonders hohe Vermögen gibt, ist das Aufkommen deutlich kleiner als 10 Prozent des gesamten Steueraufkommens." Viele westliche Länder sähen deshalb eine solche Steuer als nicht lohnenswert an, betont der Experte im "Wieder was gelernt"-Podcast. Schließlich hätten Reiche und Superreiche die Möglichkeit, besonders gut Steuern zu vermeiden, ob legal oder illegal.
Dabei überraschen einige britische Multimillionäre mit einer weiteren Aussage: Sie würden gerne mehr Steuern zahlen, das haben sie in einem offenen Brief an Premier Rishi Sunak angeboten. Ihre Rechnung: Bei einem Prozent Steuern für sie würden pro Jahr etwa 60 Milliarden Euro in die Steuerkasse fließen. Auch Ultrareiche weltweit schlagen das immer mal wieder vor.
Wegen der Steuern würden Reiche Großbritannien also nicht den Rücken kehren. Sie müssten dann schon auf den extremen Höchstsatz der 1970er-Jahre steigen. Dieser lag damals bei 95 Prozent.
Dieser Text ist eigentlich ein Podcast: Welche Region schickt nur Verlierer in den Bundestag? Warum stirbt Ostdeutschland aus? Wieso geht dem Iran das Wasser aus? Welche Ansprüche haben Donald Trump und die USA auf Grönland?
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Quelle: ntv.de