Flugzeug-Akkus unter Beobachtung Boeing bittet zur Inspektion
29.07.2013, 20:01 Uhr
"Dreamliner" bei einer Showvorführung: Das Batterieproblem lässt die Luftfahrtbranche offenbar nicht los.
(Foto: Reuters)
Der "Dreamliner"-Brand in Heathrow mündet in erste Konsequenzen: Boeing und Airbus rufen Fluggesellschaften zur Nachschau auf. Mit Sorge blicken Luftfahrtexperten auf ein Bauteil, von dem womöglich eine bislang vollkommen unterschätzte Feuergefahr an Bord von Passagier- und Frachtflugzeugen ausgeht.
Die Flugzeughersteller Boeing und Airbus rufen ihre Kundschaft dazu auf, die in Flugzeugen installierten Notfallsender des US-Zuliefererkonzerns Honeywell einer Überprüfung zu unterziehen. Zunächst sollten möglichst viele der mit den Peilsendern ausgestatteten Boeing-Maschinen inspiziert werden, teilte der US-Konzern mit. Die Zahl der betroffenen Passagierjets gibt Boeing mit weltweit 1200 an. Innerhalb von zehn Tagen sollten die angesprochenen Fluggesellschaften ihre Ergebnisse weiterreichen, um den Aufsichtsbehörden bei der Entscheidung über nächste Schritte helfen zu können.
Der europäische Konkurrent Airbus geht nicht ganz so weit: Die Flottenbetreiber sollten zunächst lediglich überprüfen, wie genau die batteriebetriebenen Peilsender in die Jets eingebaut worden seien. Dabei handele es sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme, erklärte ein Airbus-Sprecher. Es gebe bislang keine Kenntnis von Vorfällen mit den fraglichen Geräten an Bord von Airbus-Maschinen.
Auslöser der aktuellen Untersuchungen war ein Vorfall, der sich Mitte Juli am Londoner Flughafen Heathrow ereignete: Aus bislang noch nicht abschließend geklärten Ursachen geriet dort eine parkende Boeing 787 "Dreamliner" in Brand. Das Feuer brach offenbar im Heck der Maschine aus und konnte gelöscht werden, bevor die Flammen auf den Rumpf oder gar auf die Treibstofftanks des Jets übergreifen konnten. Den Brandherd vermuteten Ermittler schnell in den Akkus der Notfunkbake des Herstellers Honeywell. Einen Zusammenhang mit den weitaus leistungsfähigeren Bordbatterien schlossen sie aus.
Bei den fraglichen Sendern handelt es sich um Notfunkbaken, die Rettungskräften im Notfall die Suche nach einer havarierten Maschine erleichtern sollen. Die sogenannten Emergency Locator Transmitter (ELT) sind je nach Bauart zwischen drei und vier Kilogramm schwer. Sie sind als unabhängiges System konzipiert, das erst im Fall eines Absturzes durch den Aufprall der Maschine aktiviert wird. Ihre Energie beziehen die kompakt gebauten Mini-Sendeanlagen aus einer eigenen Stromquelle, die im Fall der Honeywell-Geräte aus Lithium-Mangandioxid-Akkus besteht. Mit der Bordstromversorgung stehen sie nicht in Verbindung.
Die fraglichen Sender des Zulieferers Honeywell sind in etwa 20 verschiedenen Flugzeugmodellen von Boeing und Airbus eingebaut. Für Boeing bedeutete der Vorfall neuen Ärger mit seinem Prestigeobjekt Boeing 787 "Dreamliner". Wegen der Feuergefahr in der batteriebetriebenen Bordstromversorgung mussten die neuen Langstreckenflieger Anfang des Jahres monatelang am Boden bleiben. Mehrere Zwischenfälle hatten zuvor Zweifel geweckt, ob die Maschine - bei deren Produktion Boeing gleich auf mehreren Feldern Neuland betrat - tatsächlich bereits technisch ausgereift ist. Das Problem gilt mittlerweile als behoben.
Sollte die Überprüfung der Notfallbaken nun allerdings neue Beanstandungen zu Tage fördern, droht der Branche womöglich mehr als nur eine aufwändige Austauschaktion. Denn in Fachkreisen wird längst auch diskutiert, ob es sich bei den Schwierigkeiten mit den Honeywell-Peilsendern nicht vielleicht doch um ein grundsätzliches Batterieproblem handeln könnte.
Brandrisiko seit Jahren an Bord?
Denn dass Stromspeicher bestimmter Bauarten unter ungünstigen Umständen überhitzen können, ist seit Jahren bekannt. Vereinzelt wird in diesem Zusammenhang auch über bislang ungeklärte Unglücksfälle mit Frachtmaschinen diskutiert. Konkret drehen sich die Spekulationen zum Beispiel um den Absturz einer Boeing 747-400F der Asiana Airlines vor zwei Jahren.
Die Maschine war knapp eine Stunde nach dem Start vor der südkoreanischen Küste ins Meer gestürzt. Die Besatzung hatte zuvor ein Feuer im Frachtraum gemeldet und Vorkehrungen für eine Notlandung auf dem nächstgelegenen Flughafen getroffen. Der Cargo-Jumbo hatte den bisher vorliegenden, vorläufigen Ermittlungsberichten zufolge fast 40 Tonnen Fracht geladen. Darunter befanden sich gut 2 Tonnen, die als Gefahrgut deklariert waren. Dabei handelte es sich den Angaben zufolge um brennbare und ätzende Flüssigkeiten sowie um eine Ladung Lithium-Ionen-Akkus für Hybrid-Pkw. Weil die genaue Position der Ladung innerhalb des Frachtraums bekannt ist, konnten die Ermittler Spuren an geborgenen Wrackteilen auswerten. Der offizielle Abschlussbericht der koreanischen Unfallermittler steht noch aus.
In den Vereinigten Arabischen Staaten sind unterdessen die Flugunfallermittler bei einem ähnlichen Vorfall aus dem September 2010 zu abschließenden Ergebnissen gekommen. Damals war an Bord einer Boeing 747-400 der UPS Airlines kurz nach dem Start im Frachtraum ein Brand ausgebrochen. Die Maschine befand sich auf ihrem Weg von Dubai nach Köln-Bonn.
Binnen weniger Minuten war giftiger Rauch bis ins Cockpit vorgedrungen und hatte der Besatzung die Sicht nach außen und auf die Instrumente genommen. Die Maschine schlug 29 Minuten nach der ersten Warnmeldung in der Nähe ihres Startflughafens auf. Offenbar nur durch Zufall entging das Golf-Emirat dabei einer größeren Katastrophe: Der Fracht-Jumbo zerschellte unweit dicht besiedelter Gebiete auf einem Militärgelände, das zum Zeitpunkt des Unglücks am frühen Morgen noch unbesetzt war.
Wie aus dem offiziellen Unfallbericht der zuständigen Behörde GCAA hervorgeht, hatte der Frachter der UPS Airlines eine "bedeutende Anzahl verschiedener Batterietypen" geladen, die teils nur unzureichend als Gefahrgut deklariert waren. In einer ersten Reaktion hatte die US-Luftfahrtbehörde FAA daraufhin ihre Sicherheitsvorschriften für den Transport von allen Arten von Lithium-Akkus mehrfach verschärft. Seit Jahresbeginn gelten zudem neue Vorgaben des internationalen Luftfahrtverbands IATA für die zulässige Versandmenge, die korrekte Verpackung und das Training im Umgang mit Batterie-Frachtgütern.
Quelle: ntv.de, mmo/rts