Wirtschaft

Wie versichert man ein Atomkraftwerk? Oettinger lädt zum AKW-Gipfel

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"20 Pkw vor einem Kernkraftwerk sind besser versichert als die Anlage selbst": Lässt sich der GAU versichern?

(Foto: REUTERS)

Die Haftungsfrage lässt Günther Oettinger nicht mehr los: Angesichts der Reaktorkatastrophe in Japan lädt der EU-Kommissar Versicherungsvertreter nach Brüssel ein, um zusammen mit Kraftwerksbetreibern und Sicherheitsexperten über europaweite Standards in der Reaktor-Versicherung zu beraten. Zeitgleich eilen Abgesandte aus allen Atom-Staaten der Welt nach Wien, um dort Lehren aus dem Fukushima-Desaster zu ziehen.

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Wer haftet für den Schaden, wenn das Restrisiko eintritt? Günther Oettinger holt sich Rat.

(Foto: dpa)

EU-Energiekommissar will die Haftung von Atomkraftwerken europaweit vereinheitlichen. Für den kommenden Dienstag lud Oettinger nach Informationen der "Wirtschaftswoche" Vertreter von Kraftwerksbetreibern, Versicherern und internationalen Organisationen nach Brüssel ein. Im Rahmen einer Art AKW-Gipfel will Oettinger mit seinen Gästen über die EU-weite Harmonisierung sprechen.

Bisher regelt jedes Land der Europäischen Union die Haftung im Fall von Atomkatastrophen selbst. Während die Betreiber von Atomkraftwerken in Frankreich nur für Schäden bis 91,5 Mio. Euro je Kraftwerk haften würden, seien in Deutschland Schäden bis zu 2,5 Mrd. Euro abgedeckt, hieß es in dem Bericht. Selbst diese Summe hielten Kritiker allerdings für viel zu niedrig. Mögliche Schäden seien nicht durch eine Haftpflichtversicherung abgedeckt.

"20 Pkw vor einem Kernkraftwerk sind besser versichert als die Anlage selbst", sagte der Grünen-Europaabgeordnete Claude Turmes dem Blatt. "Ein Windkraftwerk muss eine Versicherung haben, ein Solarkraftwerke ebenso." Es sei unfair, dass sich ein Kernkraftwerk nur für den Bruchteil seiner Risiken versichern müsse.

Tepco zittert vor der Rechnung

Das hatte der Welt erneut vor Augen geführt, welche dramatischen Konsequenzen im Fall eines größeren Störfalls drohen. Die Atomanlage war nach dem Erdbeben vom 11. März und dem nachfolgenden Tsunami außer Kontrolle geraten, weil die Kühlung zusammengebrochen war. Ein Gebiet im Umkreis von 40 Kilometern gilt mittlerweile möglicherweise als dauerhaft unbewohnbar.

Der Betreiber Tepco muss mit Strafzahlungen und hohen Schadenersatzforderungen rechnen. Die Kosten für Ernteausfälle in der Landwirtschaft und der Fischerei lassen sich noch nicht einmal ansatzweise beziffern, ebenso wie die Kosten für den extrem aufwändigen Katastropheneinsatz an den Reaktoren selbst.

Internationale Atom-Konferenz in Wien

Im Schatten der Atomkatastrophe von Fukushima treffen sich zahlreiche Staaten in Wien zu Wochenbeginn zur fünften Überprüfungskonferenz des Übereinkommens über nukleare Sicherheit ("Convention on nuclear Safety"). Die schon lange vor dem Nuklearunfall in Japan geplante Konferenz vom 4. bis 14. April will sich ab Montag in einem extra eingerichteten Arbeitskreis mit den Geschehnissen in dem zerstörten Atommeiler befassen.

Konkrete, für die Öffentlichkeit ersichtliche Ergebnisse werden von dem Expertentreffen bei der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA nicht erwartet. Aus Expertensicht soll aber schon erörtert werden, ob die bestehenden Regelungen zur internationalen Atomsicherheit noch zeitgemäß sind.

Die Konvention über nukleare Sicherheit wurde als Reaktion auf die Atomkatastrophe von Tschernobyl (1986) ausgearbeitet und soll die nukleare Sicherheit weltweit verbessern. Sie trat am 24. Oktober 1996 in Kraft und wurde seitdem nicht geändert. Alle 72 Staaten mit aktiven Atomkraftwerken haben sie unterzeichnet.

Empfehlungen zur Sicherheit

Die IAEA, die bei dem Übereinkommen als Vermittler zwischen den Staaten agiert, nennt die Konvention ein "stimulierendes Instrument". Sie beschreibt zwar bestimmte Anforderungen zur nuklearen Sicherheit an die Vertragsparteien wie die Schaffung von Sicherheitsvorschriften und Genehmigungsverfahren für Nuklearanlagen. Deren Umsetzung bleibt aber Sache der Staaten und wird nicht kontrolliert.

Bei einem Überprüfungstreffen alle drei Jahre in Wien stellen die verschiedenen Gruppen zugeordnete Länder in ihren nationalen Berichten ihre Entwicklungen in der Nuklearenergie vor und können Fragen an andere Staaten stellen. In den verschiedenen Ländergruppen - die unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagen - sind auch Staaten ohne Nukleartechnik vertreten.

Deutschland ist nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz in der Ländergruppe Fünf gemeinsam mit Armenien, Bosnien-Herzegowina, Österreich, Bulgarien, Griechenland, Irland, Kanada, Nigeria, Peru, der Schweiz und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Japan ist unter anderem mit der Ukraine, die mit Tschernobyl ebenfalls von einem Atomunfall betroffen war, in der selben Ländergruppe.

Quelle: ntv.de, mmo/dpa

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