Aussagen zu Schließungen ein "Fehler" Opel-Mutterkonzern rudert zurück
03.08.2012, 00:03 Uhr
Die Opel-Mitarbeiter bangen um ihre Jobs.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Aussage eines General-Motors-Sprechers treibt den Opelanern den Schweiß auf die Stirn. Er bringt die Schließung von europäischen Werken ins Spiel. Für die IG Metall ist das ein Skandal, die Gewerkschafter wollen Gespräche dazu boykottieren. Wenig später die Entwarnung: Der Sprecher zieht seine Aussagen zurück und spricht von einem "Fehler".
Opel-Mutterkonzern General Motors (GM) rudert zurück: Unternehmenssprecher James McCain erklärte, er habe einen "Fehler" gemacht, als er Verhandlungen über die Schließung einer oder mehrerer Standorte der defizitären Europa-Sparte von GM bestätigt habe. Der US-Konzern werde bestehende Verträge einhalten.
Cain hatte der Nachrichtenagentur AFP zuvor gesagt, dass bei Opel und der britischen Schwestermarke Vauxhall dauerhaft Produktionskapazitäten abgebaut werden sollten. Auf die Frage, ob dies die Schließung eines oder mehrerer Werke bedeute, hatte er geantwortet: "Ja, darüber wird derzeit verhandelt." Der Chef des Betriebsrats im Bochumer Opel-Werk, Rainer Einenkel, erklärte umgehend, die IG Metall sei "nicht bereit, solche Verhandlungen zu führen". Es gebe derzeit keine entsprechenden Gespräche.
Der GM-Sprecher rückte nun von diesen Aussagen ab. Er habe deutlich machen wollen, dass es mit der IG Metall Gespräche über die "Frage der Kapazität" an den Opel-Standorten gebe, sagte Cain. "Diese Diskussionen beinhalten die Zukunft des Werkes in Bochum."
Das Schicksal des Standorts Bochum ist ungewiss, 2016 soll die Produktion der bisherigen Generation des Familienwagens Zafira dort auslaufen. Nach Unternehmensangaben ist vorgesehen, dass Opel künftig keine neuen Modelle mehr zur Fertigung in das Werk im Ruhrgebiet vergibt.
Akerson gesteht Fehler ein
Der US-Autobauer General Motors kämpft derzeit mit Problemen an mehreren Fronten. In den USA kühlt sich der Absatz merklich ab. In Europa fährt die Tochter Opel weiter defizitär. Unverkaufte Wagen reihen sich auf den Höfen der Händler aneinander, in Rüsselsheim türmen sich die Verluste auf.
General Motors schrieb im zweiten Quartal in seinem Europageschäft einen operativen Verlust von 361 Mio. Dollar (294 Mio. Euro). Neben Opel gehört im Wesentlichen Vauxhall zu der Sparte. Im ersten Quartal hatte der Verlust noch bei 256 Mio. Dollar gelegen. Im Vorjahreszeitraum hatte GM Europe sogar Gewinn gemacht. Dann kochte die Schuldenkrise hoch und vergraulte die Käufer.
Die Probleme in Europa belasten den gesamten GM-Konzern. Unterm Strich verdiente der US-Autoriese noch 1,5 Mrd. Dollar im vergangenen Quartal - was ein Rückgang von 41 Prozent war. Neben den Verlusten in Übersee warf allerdings auch das wichtige Nordamerika-Geschäft weniger Geld ab. Der Umsatz schrumpfte um 4 Prozent auf 37,6 Mrd. Dollar.
"In der Vergangenheit haben wir nicht schnell genug reagiert, um die Dinge zu ändern, die wir ändern konnten", sagte GM-Konzernchef Dan Akerson. Er und seine rechte Hand, Opel-Aufsichtsratsvorsitzender Stephen Girsky, greifen durch. Sie hatten in den vergangenen Wochen große Teile des Opel-Managements ausgetauscht. Auch Firmenchef Karl-Friedrich Stracke musste Mitte Juli gehen. Das Ruder übernahm bis auf Weiteres Strategievorstand Thomas Sedran.
Harte Einschnitte
Nun berät die neue Opel-Führung mit den Gewerkschaften über nötige Sanierungsmaßnahmen. "Wir hoffen, dass wir irgendwann im Herbst eine umfassende Vereinbarung haben", sagte Akerson. Die Kosten in der Produktion sollen runter, auch die Bürokratie soll reduziert werden.
Die Einschnitte könnten hart werden, wie Girsky bereits andeutete: Man müsse sich "vor Augen führen, wie deutlich der europäische Markt zurückgeht und wie sich das auf die Automobilindustrie auswirkt", sagte er. Die Opel-Werke sind bei Weitem nicht ausgelastet. GM hat die Produktion in Europa binnen eines Jahres fast ein Drittel auf 230.000 Wagen im Quartal heruntergefahren. Immer wieder wird über die Schließung des Standorts Bochum spekuliert.
Keine Besserung in Sicht
Und die Lage verschlechtert sich weiter, wie die neuesten Zulassungszahlen aus Deutschland zeigen: Im Juli musste Opel gegenüber dem Vorjahresmonat einen Rückgang bei den Neuzulassungen von 19 Prozent hinnehmen. Der Gesamtmarkt dagegen schrumpfte "nur" um 5 Prozent. Das bedeutet: Opel verliert selbst in seinem Heimatland massiv Marktanteile. Die Zulassungen beim neuen Opel-Partner Peugeot-Citroen brachen sogar um 21 Prozent ein.
Im zweiten Quartal waren die Verkäufe von Opel und Vauxhall im Vergleich zum Vorjahreszeitraum insgesamt um 13 Prozent auf 298.000 zurückgegangen. Opel hofft darauf, mit neuen Modelle wie dem kleinen SUV Mokka die Kunden zurückzugewinnen. Das Auto erscheint im dritten Quartal. Anfang 2013 folgt der Kleinwagen Adam.
Chevrolet fährt vor
Dagegen gelang es dem Lieblingskind des US-Mutterkonzerns, Chevrolet, mehr Wagen als im Vorjahreszeitraum in Europa abzusetzen. Chevrolet wurde im zweiten Quartal 155.000 Autos los, ein Plus von 7 Prozent. Chevrolet verkauft damit in Europa bereits mehr als halb so viele Fahrzeuge wie das Traditionsgespann Opel/Vauxhall.
Dabei war die Marke bei ihrem Start Mitte der 1990er Jahre noch belächelt worden. Damals noch unter dem Namen Daewoo, versuchte die GM-Tochter ihr Glück mit Kopien alter Opel-Modelle wie dem Kadett, der Dawoo Nexia hieß und in Südkorea vom Band lief. Richtig in Fahrt kamen die Verkäufe, nachdem spätere Modelle das Emblem der Ur-amerikanischen Marke Chevrolet verpasst bekamen.
Die Technik ist längst auf der Höhe der Zeit. So sind der Opel Astra und der Chevrolet Cruze in weiten Teilen baugleich. Dabei hat sich Chevrolet einen Preisvorsprung bewahren können. So gibt es etwa Opels Elektroauto Ampera ab 45.900 Euro - der Zwilling Chevrolet Volt kostet rund 3000 Euro weniger.
Die GM-Aktie fiel an der New Yorker Börse um rund 1 Prozent.
Quelle: ntv.de, jog/bad/DJ/AFP/dpa