Milliardenloch im Immobiliensektor Reyal Urbis erschüttert Spanien
19.02.2013, 19:10 Uhr
Schöne Lage, zweckmäßiger Stil: An dieser Bauruine in Playa Honda-La Manga am Mar Menor in der Provinz Murcia bleibt das Verkaufsbüro bis auf weiteres geschlossen.
(Foto: dpa)
Die Krise am spanischen Immobilienmarkt fordert ein weiteres Opfer: Der milliardenschwere Branchenriesen Reyal Urbis droht in die Insolvenz abzurutschen. Die viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone steht womöglich vor der nächsten kostspieligen Mega-Pleite. Auch die Commerzbank ist angeblich indirekt betroffen.
F ünf Jahre nach dem Ende des Baubooms in Spanien droht die iberische Immobilienkrise einen spanischen Branchenriesen aus dem Gleichgewicht zu werfen. Der Immobilienentwickler Reyal Urbis kündigte in einer Mitteilung an die Madrider Börsenaufsicht (CNMV) den Schritt in die Insolvenz an. Zuvor waren offenbar alle Versuche gescheitert, mit den Gläubigern des Unternehmens in letzter Minute doch noch die erhoffte Umschuldung der Verbindlichkeiten auszuhandeln.
Im vergangenen Herbst hatte das Unternehmen seinen Schuldenberg noch auf 3,6 Mrd. Euro beziffert. Im Fall einer Pleite stünde Spanien damit vor der zweitgrößten Insolvenz in der spanischen Wirtschaftsgeschichte, gleich nach der des Immobilienkonzerns Martinsa-Fadesa, der sich mit den Gläubigern auf eine Rückzahlung seiner Schulden von 7,2 Mrd. Euro in einer Frist von zehn Jahren verständigt hatte.
Reyal Urbis verwaltet Wohnungen, Büros, Ladenlokale und unbebaute Flächen in mehr als 20 Städten Spaniens und Portugals und betreibt eine Hotelkette. Sollte es nicht gelingen, die Lage des Unternehmens zu stabilisieren, stünde die Eurozone möglicherweise vor neuen Problemen: Ein weiterer staatliche Stützungsaktion im Immobiliensektor könnte die Lage des krisengeplagten spanischen Staatshaushaltes weiter verschärfen. In der Wahrnehmung der internationalen Finanzmärkte droht der Fall das Land stärker in den Sog der Schuldenkrise zu rücken.
Kurzfristig wertloses Bauland
Dass es keine Einigung zwischen Reyal Urbis und den Kreditgebern geben wird, hatte sich bereits in der vergangenen Woche abgezeichnet. Die Frist dafür läuft noch bis Samstag. Dennoch scheint sich die Lage mittlerweile so aussichtslos darzustellen, dass sich die Geschäftsführung schon bereits vor Ablauf der Frist dazu entschied, die Vorbereitungen auf die Insolvenz einzuleiten.
Zum Verhängnis wurde Reyal, dass die Wertangaben für ungenutztes Bauland nach den neuen Vorgaben der Regierung radikal abgeschrieben werden muss. Der gesamte Bestand von Reyal wurde Mitte 2012 noch mit 4,2 Mrd. Euro bewertet, Tendenz sinkend. Dem standen per Ende September Schulden von 3,6 Mrd. Euro gegenüber. Für ein Unternehmen ist das ein vergleichsweise hoher Verschuldungsgrad, bei dem die Geldgeber üblicherweise längst nervös werden. Bei Reyal Urbis kommt verschärfend hinzu, dass das Kerngeschäft keine Anzeichen der Verbesserung zeigt.
Kettenreaktion am Häusermarkt
In Spanien brachen die Häuserpreise seit dem Boomjahr 2007 um 40 Prozent ein. Da die heimische Wirtschaft schwächelt, geben sie weiter nach. Eine rasche Trendwende ist nicht in Sicht. Die Arbeitslosigkeit ist weiterhin hoch. Viele Familien können längst ihre Hypotheken nicht mehr bedienen, das steigende Angebot an Wohnungen drückt die Kaufpreise am Wohnungsmarkt zusätzlich nach unten. Auch der gewerbliche Mietmarkt mit Laden- und Büroflächen in den Großstädten bekommt die Auswirkungen der Konsumschwäche zu spüren. Der Leerstand steigt stetig.
Das Euro-Mitglied Spanien steckt mittlerweile tief in der Rezession. Der Staatshaushalt ächzt unterdessen unter den Belastungen für Milliardenhilfen im Bankensektor. Eine Reihe an kleinen und mittleren Geldhäusern war unter der Welle an faulen Immobilienkrediten ins Taumeln geraten. Die Regierung in Madrid musste deshalb zur Rettung seiner Geldhäuser bereits 40 Mrd. Euro von den Euro-Partnern leihen.
Die staatseigene "Bad Bank" sollte Entlastung bringen. Die heimischen Geldhäuser können dort ihre Altlasten abladen, um ihre Bilanz auszuputzen. Die Konsequenz daraus ist jedoch, dass viele Banken die Geduld mit ihren Kreditnehmern verlieren und lieber den Stecker ziehen, als noch länger stillzuhalten. Das bekommt Reyal nun offenbar ebenfalls zu spüren - auch wenn es dort weiter die Hoffnung gibt, doch noch eine Einigung mit den Gläubigern zu erreichen. Der Geschäftsbetrieb läuft nach spanischem Insolvenzrecht vorerst weiter.
Ausläufer erreichen die Commerzbank
Reyal steht nicht nur bei gesunden heimischen Großbanken wie Santander und BBVA in der Kreide, sondern auch bei der bereits verstaatlichen Bankia.
Damit träfe eine Pleite die gerade erst eingerichtete staatliche "Bad Bank". Auch die Commerzbank ist Verhandlungskreisen zufolge über ihre Hypothekentochter - die frühere Eurohypo - in kleinerem Umfang betroffen, ebenso die Abwicklungsanstalt FMS der in der Finanzkrise kollabierten Hypo Real Estate.
Größter Gläubiger ist Bankia mit 785 Mio. Euro, gefolgt von Santander mit 550 Mio. Euro. In sehr viel kleinerem Umfang war auch die Eurohypo, inzwischen umbenannt in Hypothekenbank Frankfurt, als Geldgeber für Reyal tätig. Bei der Commerzbank wollte man sich dazu zunächst nicht äußern. Die Immobilienfinanzierung in Spanien gehört mit zu den größten Problemen der Hypothekentochter, deren Abwicklung inzwischen beschlossene Sache ist. Die "Bad Bank" der HRE, die FMS, lehnte ebenfalls einen Kommentar ab.
Die Reyal-Aktie war am Dienstag vom Handel ausgesetzt. Anleger haben das Unternehmen ohnehin längst abgeschrieben: Das Papier ist seit 2007 quasi wertlos geworden - es büßte seither 99 Prozent ein und kostet nur noch rund zehn Cent.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa