Wirtschaft

"Geschäftsmöglichkeiten ohne Limit" Rocket Internet ist "kein One-Hit-Wonder"

Die Aktie "ist geeignet für Investoren mit einem sehr langfristigen Anlagehorizont", sagt Oliver Samwer, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Rocket Internet AG.

Die Aktie "ist geeignet für Investoren mit einem sehr langfristigen Anlagehorizont", sagt Oliver Samwer, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Rocket Internet AG.

(Foto: picture alliance / dpa)

Nur halbjährlich Geschäftszahlen, eine undurchsichtige Struktur, horrende Verluste: Auf den ersten Blick sollten Anleger von der Neuemission Rocket Internet die Finger lassen. Die Nachfrage nach den Aktien ist dennoch groß.

Die Start-up-Schmiede Rocket Internet will den größten Börsengang in Deutschland in diesem Jahr über die Bühne bringen. Knapp 1,5 Milliarden Euro will das Unternehmen einnehmen. Damit erreicht die Firma der Gebrüder Samwer eine Bewertung von bis zu 6,2 Milliarden Euro - mehr als beispielsweise die Dax-Werte Lufthansa, Lanxess oder K+S.

Es ist eine Wette auf die Zukunft, die mögliche Investoren eingehen. Denn die Geschäfte von Rocket Internet stehen noch am Anfang, wie Vorstandsvorsitzender Oliver Samwer bei einer Pressekonferenz zum geplanten Börsengang sagte. Der Frage, ob die Aktie auch für Privatanleger geeignet sei, wich er aus: "Sie ist geeignet für Investoren mit einem sehr langfristigen Anlagehorizont."

"Geschäftsmöglichkeiten ohne Limit"

Rocket Internet hat sich nichts Geringeres zum Ziel gesetzt, als die weltgrößte Internetplattform außerhalb Chinas und der USA zu werden. Das "Alibaba der Wachstumsmärkte" sozusagen. Denn auf die Emerging Marktes hat es das Unternehmen vor allem abgesehen.

Dabei gilt die Devise: "Nicht kleckern, sondern klotzen", wenn Samwer mit "Geschäftsmöglichkeiten ohne Limit" um potenzielle Anleger wirbt. In 116 Ländern ist die 2007 gegründete Rocket Internet mit über 20 Geschäftsmodellen und mehr als 66 Konsumentenmarken vertreten. Dadurch wird auch Risiko gestreut - Rocket Internet sei damit stark diversifiziert. Gebe es Probleme in einem Bereich, könnte dies durch andere ausgeglichen werden.

Von Home24 bis Easytaxi

Rocket investiert in bewährte Internetgeschäftsmodelle, indem das Unternehmen diese kopiert und sie auf Märkte überträgt, in denen diese Geschäftsideen noch nicht vertreten sind. Zu den bekannteren Beteiligungen gehören etwa der Lebensmittellieferant Foodpanda, der Möbellieferant Home24 oder Easytaxi. Rocket hat zudem Online-Versandhäuser in Afrika, Südostasien und Lateinamerika und eine ganze Reihe von Modehändlern in den verschiedenen Schwellenländern im Portfolio.

Doch nahezu alle Unternehmen machen derzeit "bedeutende Verluste", wie es in dem Börsenprospekt heißt. Die elf am weitesten fortgeschrittenen Unternehmen, die sogenannten Proven Winners, haben im vergangenen Jahr zusammen Verluste von 442 Millionen Euro gemacht und das bei Nettoerlösen von insgesamt knapp 760 Millionen Euro. Der Gesamtverlust aller Beteiligungen lässt sich laut Prospekt derzeit nicht verlässlich ermitteln.

Laut dem Börsenprospekt wies Rocket Internet konsolidiert im vergangenen Jahr Konzernumsätze von 72,5 Millionen Euro aus. Der Überschuss erreichte 174 Millionen Euro, der aber nur durch den Verkauf einer Zalando-Beteiligung zustande kam.

Bewertung zu hoch?

In den ersten sechs Monaten des Jahres lagen die Umsätze bei 47 Millionen Euro, der Fehlbetrag bei 13,3 Millionen Euro. Rechnet man die Vorabausschüttungen an die Aktionäre dazu, steht unter dem Strich ein Verlust von 238,8 Millionen Euro.

Sascha Pfeiffer, Managing Director bei Altium Capital hält den Preis von 35,50 Euro bis 42,50 Euro je Aktie angesichts dieser Ergebnisse auch für zu teuer. Die Bewertung erscheine angesichts der Zahlen nicht attraktiv.

"Man muss auf den Erfolg der Wachstumsmärkte warten können", ist Samwer hingegen überzeugt. Auch wirbt er damit, dass bislang nur sechs Prozent des Kapitals in Flops investiert wurden, sprich in Unternehmen, die mangels Erfolg wieder geschlossen wurden.

Rasche Profitabilität ist laut Samwer nicht das Ziel. Die E-Commerce-Unternehmen etwa bekämen sechs bis neun Jahre Zeit, um profitabel zu werden. Bei Onlinemarktplätzen sei der Zeitraum etwas kürzer.

E-Commerce "ein Must-have"

In den Wachstumsmärkten sieht Rocket Internet noch großes Potenzial: Der E-Commerce-Markt ist seinen Ausführungen nach dort erst zu 2 Prozent durchdrungen. Das soll sich ändern: Der Siegeszug des Smartphones als Einkaufsmittel, die deutlich jüngere Bevölkerung, die im Entstehen befindliche Mittelschicht und das Fehlen einer intakten stationären Handelsstruktur sollen die Treiber für zukünftiges Wachstum sein.

In den Emerging Markets sei E-Commerce "ein Must-have", während es in Deutschland lediglich ein "Nice-to-have" sei, erläuterte Samwer. Er setzt dabei auf verschiedene Geschäftsmodelle unter einem Dach, ähnlich dem großen Vorbild Alibaba, dessen Börsengang vor kurzem als größtes IPO aller Zeiten in New York über die Bühne ging. E-Commerce, Marktplätze, Bezahlsysteme, Preisvergleichswebseiten oder Personenbeförderung. All dies will Rocket Internet abbilden.

Wert legt Samwer darauf, dass Rocket kein reines digitales Unternehmen sei, sondern in seinen Märkten auch eine starke lokale Präsenz habe, etwa über Lager- und Logistiksysteme.

Undurchsichtige Struktur

Mit den Erlösen aus dem Börsengang will Samwer in neue Unternehmen investieren, aber auch Beteiligungen in anderen Unternehmen aufstocken. Denn die Krux an den bisherigen Beteiligungen ist, dass Rocket nur kleinere Anteile von je 20 bis 50 Prozent hält, diese also nicht selbst konsolidieren kann. Dies liegt laut Finanzvorstand Peter Kimpel daran, dass Rocket Internet immer nur im frühen Stadium investieren konnte, spätere Finanzierungen aufgrund begrenzter Mittel aber nicht mehr mitgehen konnte. Dies führte zu einer Verwässerung der Anteile.

Diese Struktur wird von vielen Experten als undurchsichtig und komplex kritisiert, wie auch von Sascha Pfeiffer von Altium. Dieser sieht darin ein Risiko für potenzielle Investoren. So sind Rocket-Aktionäre wie etw a Kinnevik nicht allein an Rocket Internet beteiligt, sondern auch an einzelnen Unternehmen.

Mittelfristig will Rocket nur noch Mehrheitsbeteiligungen besitzen, eine externe Finanzierung soll es in einem späteren Stadium geben. Langfristig ist geplant, bei der Gründung neuer Unternehmen auf externe Mittel zu verzichten und alleiniger Gesellschafter zu werden.

Große Nachfrage

Weitere Börsengänge der Rocket-Beteiligungen selbst schloss Samwer nicht prinzipiell aus. Es könne sein, dass einige der größeren Beteiligungen über die Zeit ebenfalls gelistet werden könnten, sagte er. Weitere Abspaltungen, wie etwa der Online-Schuh- und Modehändler Zalando, sollen jedoch die Ausnahme sein. Zalando geht am 1. Oktober selbst an die Börse, das geplante Volumen ist mit bis zu 633 Millionen Euro jedoch nicht mal halb so groß.

Rocket Internet will am 9. Oktober an die Börse. Erfolgen wird das Angebot über eine Kapitalerhöhung, wobei die Altaktionäre - neben den mehrheitlich beteiligten Samwer-Brüdern auch die schwedische Kinnevik oder die deutsche United Internet - auf ihre Ausübungsrechte verzichten. Dadurch wird die Samwer-Beteiligung von rund 52 auf 40 bis 42 Prozent sinken.

Die Nachfrage nach den Aktien sei groß, sagte Samwer. Stand heute lägen genug Aufträge auch für die Mehrzuteilungsoption vor. Dabei hat Rocket Internet bereits weitere Ankerinvestoren gewonnen, die insgesamt Aktien für rund 582 Millionen Euro zeichnen werden: Ein von Baillie Gifford gemanagter Investmentfonds sowie die Bank JP Morgan.

Anders als Zalando strebt das Unternehmen eine Notierung im wenig regulierten Entry Standard an. Dort kann das Unternehmen seine Jahresabschlüsse nach HGB ausweisen und muss nur halbjährlich Zahlen vorlegen. Spätestens in zwei Jahren will Rocket Internet jedoch so weit sein, um in den Prime Standard aufzusteigen.

"Wir sind kein One-Hit-Wonder", ist Finanzvorstand Kimpel überzeugt. "Wir sind zwar kein Facebook, aber wir haben schon viele erfolgreiche Unternehmen gegründet."

Quelle: ntv.de, Natali Schwab, DJ

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