Bauhelm-Einsatz statt Wahlkampf Roland Koch: Sein erster Tag
01.07.2011, 11:20 Uhr
"Ich kenne keinen Unterschied zwischen Politik und Wirtschaft": Roland Koch.
(Foto: picture alliance / dpa)
Sein Rücktritt gilt als bislang einmalig: Roland Koch gibt alle politischen Ämter ab und wechselt an die Spitze des MDax-Konzerns Bilfinger Berger. Heute ist sein erster Tag in der freien Wirtschaft. Dort muss sich der einstige hessische Landesvater erst einmal "beweisen".
Mit Vorschusslorbeeren kann Ex-Politiker Roland Koch bei seinem Wechsel an die Spitze des Bau- und Dienstleistungskonzerns Bilfinger Berger nicht rechnen.

Der Helm steht ihm gut: "Wir dürfen uns auf den Erfolgen der vergangenen zehn Jahre nicht ausruhen."
(Foto: picture alliance / dpa)
Nach Jahrzehnten in der Politik "muss ich mich bei Bilfinger Berger beweisen", weiß der frühere hessische Landesvater, der Mitte 2010 seinen Ministerpräsidentensessel räumte und am Freitag den Vorstandsvorsitz bei Bilfinger Berger übernommen hat. "Ich bekomme keinen Kredit, ich muss ordentliche Zahlen abliefern", sagt der Wirtschaftsjurist, der um die Jahrtausendwende beinahe über die CDU-Parteispendenaffäre gestürzt wäre.
Bei Bilfinger Berger tritt Koch in die großen Fußstapfen, die sein in den Ruhestand wechselnder Vorgänger Herbert Bodner hinterlassen hat. Bodner hat den Konzern mit dem Kauf zahlreicher Industriedienstleister - trotz einiger Rückschläge - beharrlich auf Rendite getrimmt und das riskante Baugeschäft zurechtgestutzt. Zuletzt verkauften die Mannheimer ihre Bau-Tochter Valemus in Australien für rund 800 Mio. Euro, auch die wurde veräußert.
"Ich kenne keinen Unterschied"
"Die verfügbare Liquidität ist Fluch und Segen zugleich", sagt Koch mit Blick auf den Börsenwert des gesamten Unternehmens von rund 3 Mrd. Euro. Selten hatte der Konzern eine so volle Kasse, die Koch in den kommenden ein bis zwei Jahren für die internationale Expansion bei Industriewartung oder Gebäudemanagement ausgeben will. Die pralle Kasse macht Bilfinger aber auch attraktiv für Angreifer. "Das einzige, was uns vor Übernahmen schützt, ist der Wertzuwachs für die Aktionäre, der größer sein muss als der Aufschlag, den ein Erwerber bereit ist zu zahlen", kalkuliert Koch. "Wir dürfen uns auf den Erfolgen der vergangenen zehn Jahre nicht ausruhen", predigt der neue Chef der rund 60.000 Bilfinger-Mitarbeiter.
Kochs Ausstieg aus der Politik und sein Einstieg in die Wirtschaft ist in Deutschland ohne Vorbild, bisher hat es kein ehemaliger Politprofi an die Spitze eines MDax-Unternehmens geschafft. Den Vorwurf, er werde als Strippenzieher seine politischen Kontakte zur Anbahnung neuer Aufträge nutzen, wischt der 53-jährige beiseite: "Ich kenne keinen Unterschied zwischen Politik und Wirtschaft - entscheidend sind die Führungsqualitäten." Bilfinger habe ihn als "Integrator" an Bord geholt, der die stark gewachsene Mannschaft motivieren und zusammenhalten könne.
Amtsvorgänger und Bauingenieur Bodner springt Koch bei: "Das politische Netzwerk von Herrn Koch war kein Entscheidungsfaktor bei seiner Berufung", sagt der gebürtige Österreicher. "Es ist eine Fehlinterpretation zu glauben, dass bei öffentlichen Ausschreibungen Einflussnahme durch politische Kontakte möglich ist", sagt der mit 63 Jahren ausgeschiedene Vorstandschef, der sich nach zwölf Jahren an der Unternehmensspitze künftig dem Segeln und dem Skifahren widmet.
Koch schielt schon auf zweite Amtszeit
Sein zunächst auf fünf Jahre bestellter Nachfolger macht aus seinen langfristigen Ambitionen bei Bilfinger keinen Hehl, Koch hat schon jetzt die zweite Amtszeit fest im Blick. "In zehn Jahren habe ich etwa das Alter erreicht, in dem Herr Bodner jetzt ausscheidet", sagt Koch. Bilfinger betreibe eben kein schnelllebiges Geschäft, mit den Kunden rede man über Vier- oder Fünf-Jahresverträge. Wert legt er darauf, , er habe sich nicht um den Posten beworben. Aktien von Bilfinger Berger hat er nach eigenem Bekunden noch nicht gekauft.
Eine Rückkehr in die Politik schließt Koch kategorisch aus: "Ich habe keine Entzugserscheinungen von der Politik. Meine politische Karriere ist vorbei." Als Manager könne er gelassener als ein Politiker agieren. "Wahlen sind - im Gegensatz zu einer rationalen Entscheidung über die Vertragsverlängerung eines Vorstands - hoch emotional", sagt Koch. Beim ebenfalls hochemotionalen Streitthema Stuttgart 21, bei dem sich Bilfinger Berger lukrative Aufträge sichern will, kommen dem leidenschaftlichen Hobby-Koch daher Zweifel: "Ich neige dazu, dass Stuttgart 21 gebaut wird. Ich würde darauf aber nicht wetten."
Quelle: ntv.de, Hendrik Sackmann, rts