2100 Flugausfälle bis November Ryanair gesteht "heilloses Chaos" ein
19.09.2017, 06:31 UhrDie Turbulenzen bei Air Berlin scheinen Ryanair aus dem Tritt zu bringen. In den kommenden Wochen lässt der Billigflieger kurzfristig bis zu 50 Flüge pro Tag ausfallen. Die Liste der annullierten Flüge erhalten Kunden erst nach scharfer Kritik aus Brüssel.
Die irische Billigfluglinie Ryanair hat eine Liste aller gestrichenen Flüge der kommenden Wochen veröffentlicht. Betroffene Passagiere sollen zudem per Mail über die Streichungen benachrichtigt werden, teilte das Unternehmen in der Nacht mit.
Am Dienstag sind allein sechs Flüge von und nach Deutschland betroffen - auf den Strecken Nürnberg-Mailand, Köln-Mailand sowie Berlin-Dublin. Die Liste der kurzfristig gestrichenen Flugverbindungen finden Ryanair-Kunden im Internet. Ryanair hatte vor dem Wochenende überraschend angekündigt, bis Ende Oktober täglich bis zu 50 ihrer mehr als 2500 Flüge abzusagen. Dies sind damit insgesamt rund 2000 Verbindungen.
Die Annullierung der Flüge würde aber für weniger als zwei Prozent der Kunden Auswirkungen haben, hieß es. Mit der Maßnahme will das Unternehmen nach eigenen Angaben seine Pünktlichkeit verbessern. Zudem müssten Urlaubsansprüche der Crews berücksichtigt werden.
Vorbereitung auf das Air-Berlin-Aus?
Branchenkenner spekulierten allerdings über ganz andere Hintergründe, die die Fluglinie dazu bewegt haben könnten, so kurzfristig und diesem Umfang fest eingeplante Flüge aus dem Programm zu nehmen: Ryanair bereite sich damit auf ein etwaiges Betriebsende von Air Berlin vor, sagte Luftverkehrsexperte Gerald Wissel von der Beratungsgesellschaft Airborne.
"Im Fall eines vorzeitigen 'Groundings' der Air Berlin müssten die begehrten Start- und Landerechte vom zuständigen Koordinator der Bundesrepublik sofort neu vergeben werden", erklärte Wissel. Den Zuschlag könnten aber nur Gesellschaften erhalten, die dann auch mit entsprechenden Flugzeugen die Strecken tatsächlich fliegen könnten. Dafür wolle Ryanair einige Maschinen in der Hinterhand haben.
Umbuchen oder volle Rückerstattung
Ryanair begann am Vorabend zunächst damit, einzelne Flugverbindungen auszuweisen, die in den Wochen bis zum 31. Oktober ausfallen sollen. Die Fluggesellschaft nannte zehn Verbindungen, die täglich ausfallen sollen, darunter zwei nach London und je eine nach Barcelona, Brüssel, Dublin, Lissabon, Madrid, Mailand, Porto und Rom.
"Ihr Flug fliegt wie geplant ab, es sei denn Sie haben eine E-Mail erhalten die eine Stornierung Ihres Fluges bestätigt", teilte die Airline dort mit. Zuvor hatten die EU und die britische Regierung Ryanair gerügt und die Airline zur Transparenz gedrängt. Ryanair hatte daraufhin angekündigt, noch in der Nacht eine "vollständige Liste" der gestrichenen Flüge vorzulegen.
Betroffene Ryanair-Kunden können nach Angaben des Unternehmens entweder eine Rückerstattung des Flugpreises beantragen oder den ausgefallenen Flug "kostenlos" durch Ryanair umbuchen lassen. Beides sei problemlos über Online-Formulare möglich, versprach die Airline. Für die Bearbeitung von Rückerstattungen bittet Ryanair um "circa sieben Werktage" Geduld.
O'Leary: "Heilloses Durcheinander"
Nach der Ankündigung von Freitagabend, in den kommenden sechs Wochen pro Tag bis zu 50 Flüge ausfallen zu lassen, blieben viele Flugreisende im Unklaren: Ryanair listete im Internet zunächst nur die gestrichenen Flüge bis Mittwochabend auf, auch am Montagabend standen auf der Liste vorerst nur acht Flugtage. Kunden beschwerten sich in sozialen Netzwerken darüber, dass sie nicht wüssten, ob sie auch zurückkämen, wenn ihr Hinflug stattfinde.
Brüssel forderte die Airline daraufhin auf, die geltenden Kundenrechte "in vollem Umfang" zu respektieren. EU-Kommissarin Violeta Bulc erklärte, dank der EU hätten Flugpassagiere bei Verspätungen und Ausfällen ein Recht auf Entschädigung. Die nationalen Behörden müssten dies auch umsetzen.
Ryanair-Chef Michael O'Leary gab ein "heilloses Durcheinander" zu und entschuldigte sich bei den Kunden. "Dieses Chaos ist auf unser eigenes Handeln zurückzuführen", erklärte O'Leary. Die Airline stelle ihre Urlaubsplanung gerade von einem Neun-Monats-Zeitraum auf eine Jahresplanung um, erklärte O'Leary.
Viele Piloten und Kabinenpersonal müssten in den kommenden sechs Wochen ihren Jahresurlaub nehmen, begründete der Airline-Chef die Flugausfälle. Zum Start des Winterflugplans im November werde sich die Lage wieder normalisieren, versprach er. O'Leary sagte auf einer Pressekonferenz, die Flugstreichungen würden mit 25 Millionen Euro zu Buche schlagen. Davon gingen 20 Millionen Euro als Entschädigungen an die Passagiere.
Pilotenmangel bei Ryanair?
Die Flugstreichungen sind womöglich auch auf Kündigungen von Piloten zurückzuführen. "Wir können bestätigen, dass in diesem Jahr 140 Ryanair-Piloten zu Norwegian Air gekommen sind", erklärte die skandinavische Konkurrenz. Für den geplanten Standort in Dublin laufe die Rekrutierung ebenfalls. O'Leary hingegen erklärte: "Ryanair hat keinen Mangel an Piloten." Das Unternehmen habe den Sommerflugplan von Juni bis August mit "voller Besatzung" ausgeführt.
Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit erklärte Ryanair-Mitarbeiter hätten gesagt, dass Flüge gestrichen würden, "weil Piloten das Weite suchen". Ryanair habe eine hohe personelle Fluktuation, weil die Airline niedrigere Gehälter zahle als die Wettbewerber, sagte Cockpit-Sprecher Markus Wahl der "Mitteldeutschen Zeitung".
Quelle: ntv.de, mmo/uzh/AFP/dpa