"Kampf meines Lebens" Samaras warnt vor dem Chaos
05.10.2012, 08:30 Uhr
Antonis Samaras.
(Foto: REUTERS)
Griechenland leidet unter einer schweren Rezession, die Arbeitslosigkeit steigt. Ministerpräsident Samaras warnt vor dem Zerfall der Gesellschaft, sollten die Reformen des hochverschuldeten Landes scheitern. Eine große Gefahr sei dabei der Aufstieg radikaler politischer Kräfte.
Der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras hat in dramatischen Worten vor den Folgen einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Lage seines Landes gewarnt. In einem Interview mit dem "Handelsblatt" verglich Samaras die Situation seines Landes mit der Weimarer Republik. "Die griechische Demokratie steht vor ihrer vielleicht größten Herausforderung", sagte der Regierungschef. Der Zusammenhalt der griechischen Gesellschaft sei durch die "steigende Arbeitslosigkeit gefährdet, so wie es gegen Ende der Weimarer Republik in Deutschland war".
Die Gesellschaft "als Ganzes" sei bedroht durch Populisten der extremen Linken und "durch etwas, das es in unserem Land noch nie zuvor gegeben hat: den Aufstieg einer rechtsextremistischen, man könnte sagen faschistischen, Neonazi-Partei". Diese sei in Umfragen bereits die "drittstärkste politische Kraft in Griechenland, Tendenz wachsend".
Tiefe Rezession
Griechenland kann nur mit internationalen Krediten eine Pleite vermeiden. Zurzeit kämpft Samaras um die Zahlung von 31,5 Mrd. Euro aus dem zweiten Hilfspaket mit einem Volumen von insgesamt 130 Mrd. Euro. Derzeit prüft die "Troika" der internationalen Geldgeber die Fortschritte Griechenlands bei den Reformen. Von ihrem Bericht ist die Auszahlung der nächsten Hilfskredite abhängig.
Die griechische Wirtschaft steckt seit Jahren tief in der Rezession. Die Regierung in Athen erwartet für das kommende Jahr einen weiteren Konjunktureinbruch von 3,8 Prozent. Es wäre das sechste Jahr mit einem Rückgang in Folge. Die Rezession lässt die Staatseinnahmen weiter sinken und macht entsprechend weitere Sparmaßnahmen notwendig. Das Land hat mit 24,4 Prozent die zweithöchste Arbeitslosenquote in der Eurozone. Nach einer Prognose der Unternehmensberatung Ernst & Young könnte sie sogar auf 27 Prozent steigen.
Samaras sagte, wenn seine Regierung scheitere, "wartet auf uns das Chaos". Gerade deshalb gebe es Zustimmung zu seinem Kurs, denn die "Menschen wissen, dass diese Regierung die letzte Chance Griechenlands bedeutet". Er führe den Kampf seines Lebens. Der griechische Ministerpräsident sagte, sein Land sei zu Opfern bereit, man habe "innerhalb von fünf Jahren mehr als ein Drittel unseres Lebensstandards verloren", und werde die "Zähne zusammenbeißen".
Seine Politik bedeute einen nochmaligen tiefen Einschnitt, es müsse aber klar sein, dass dies "der letzte" sei und es danach "Licht am Ende des Tunnels" geben müsse. Die "bisherigen Einschnitte gehen bereits bis auf die Knochen", sagte Samaras. Sein Land sei an "der Grenze dessen, was wir unserer Bevölkerung zumuten können". Mehr als jeder zweite Jugendliche sei inzwischen arbeitslos, die Armut wachse und "immer mehr Menschen müssen in Suppenküchen von Kirche und Hilfsorganisationen gehen, um eine warme Mahlzeit zu bekommen".
Lob für Merkel, Kritik an Rösler
Samaras lobte vor diesem Hintergrund Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie habe den "richtigen Ton gefunden, als sie jüngst sagte, dass ihr das Herz blutet, wenn sie diese Schicksale sehe". Samaras sagte, es wäre "sehr wichtig", wenn Merkel Griechenland besuchte. "Sie ist uns jederzeit willkommen!" "Wir wissen es sehr zu schätzen, dass uns Deutschland und die Europäer in dieser schwierigen Zeit helfen."
Kritisch äußerte sich Samaras über den FDP-Vorsitzenden und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler. Dieser "ist offensichtlich nicht unser bester Verbündeter". Demgegenüber lobte Samaras den früheren FDP-Chef Hans-Dietrich Genscher, mit dem er "oft" spreche. "Er ist ein guter Freund unseres Landes."
Quelle: ntv.de, jga/DJ/AFP/dpa