Wirtschaft

Preiserhöhung um 5500 Prozent Shkreli-Abzocke bald in Deutschland möglich?

Spekulant Shkreli hatte zwischenzeitlich öffentlich eine Preissenkung für Daraprim angekündigt, dann aber wieder zurückgezogen.

Spekulant Shkreli hatte zwischenzeitlich öffentlich eine Preissenkung für Daraprim angekündigt, dann aber wieder zurückgezogen.

(Foto: AP)

Die Erhöhung des Preises für ein lebenswichtiges Medikament auf 750 Dollar pro Pille schockt die USA. In Deutschland ist das derzeit unvorstellbar. Doch der hiesige Pharmamarkt ist in Bewegung und könnte künftig Spekulanten anlocken.

Auf dem Pharmamarkt in den USA geht es zu wie einst im "Wilden Westen", so scheint es. Der Investor Martin Shkreli erwirbt die Zulassung für das Medikament Daraprim und erhöht den Preis über Nacht von 13,50 Dollar pro Pille auf 750 Dollar - das kommt einer Preiserhöhung von rund 5500 Prozent gleich. Der Trick: Das Medikament ist nicht patentgeschützt und wird selten verschrieben. Für einige wenige Patienten ist es aber lebenswichtig. Daher waren auf der einen Seite die Rechte daran günstig zu haben, auf der anderen Seite ist das Erpressungspotenzial gegenüber den Patienten groß - zumal Shkreli der einzige Anbieter ist und der Einstieg in die Produktion für Nachahmer mit hohen Investitionen verbunden wäre.

In den USA ist Daraprim zwar ein Extrem- aber kein Einzelfall. Für das Tuberkulosemittel Cycloserine etwa setzte der Anbieter eine ähnliche Preiserhöhung durch. In Deutschland dagegen ändert sich für Daraprim-Patienten nichts. Die Tabletten werden hier vom bisherigen Hersteller GlaxoSmithKline weiter vertrieben - für 13,20 Euro Herstellerpreis abzüglich Rabatt für die Krankenkassen. Auch bei anderen Generika, also nicht patentgeschützten Medikamenten, sagt der Gesundheitsökonom Gerd Glaeske von der Universität Bremen, habe es einen solch krassen Fall von "Wild-West-Abzocke" noch nicht gegeben.

Anders als in den USA können in Deutschland Pharmaunternehmen die Preise für verschreibungspflichtige Medikamente nicht einfach selbst festlegen. Sie werden zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und den Herstellern ausgehandelt. Bei solchen Verhandlungen konnten die Kassen laut Glaeske die Kosten für Generika in den vergangenen Jahren sogar um mehrere Milliarden Euro drücken. Preiserhöhungen für Generika müssen Pharmaunternehmen zudem derzeit als Rabatte an die gesetzlichen Krankenkassen erstatten. Sie sind also nur gegenüber Privatpatienten möglich. Diese Regel läuft allerdings 2017 aus.

Sind deutsche Patienten damit vor einem möglichen Missbrauch der Marktmacht von Pharmafirmen geschützt? Ein Sprecher des hiesigen Daraprim-Anbieters GlaxoSmithKline sagt, das Vorgehen des Investors Shkreli sei "befremdlich" und in Deutschland "nicht vorstellbar". Gesundheitsökonom Glaeske gibt GlaxoSmithKline grundsätzlich Recht. Allerdings seien es weniger die komplexen gesetzlichen Regeln, die derartiges verhindern, als ein "Grundkonsens innerhalb der Industrie, das System, von dem diese Firmen leben, nicht zu überfordern".

Konzerne verkaufen Generika-Zulassungen

Das Prinzip, "aus einem Medikament den maximal möglichen Gewinn herauszuholen", ist laut Glaeska allerdings in Deutschland keineswegs unbekannt. Da es letztlich für den Nutzen von Arzneimitteln nur wenig objektive Maßstäbe geben, gehe es in den Verhandlungen zwischen Pharmakonzernen und Krankenkassen gelegentlich zu "wie beim Teppichhandel". Bei seltenen Medikamenten müssen auch hierzulande die Kassen teilweise bis zu 100.000 Euro pro Patient im Jahr zahlen. Derartige Preise kommen in Deutschland bislang allerdings nur bei patentgeschützten Medikamenten vor.

Bei Generika sind die Gewinnmargen dagegen bei einigen Mitteln so gering, dass die großen Konzerne das Interesse daran verlieren. "Wir beobachten, dass Pharmakonzerne vermehrt Zulassungen für unrentable Generika weiterverkaufen", sagt der Leiter des Instituts für Medizinmanagement der Universität Bayreuth, Eckhard Nagel.

Genau das könnte in Zukunft auch hierzulande zu einem Einfallstor für Spekulanten nach Shkrelis Vorbild werden. Investoren, die sich um den "Grundkonsens" der Pharmabranche nicht kümmern. Wenn 2017 die Regel, die Preiserhöhungen für Generika gegenüber den Krankenkassen verhindert, ausläuft, könnten sie bei einigen wichtigen Medikamenten den Kassen die Pistole auf die Brust setzen.

Quelle: ntv.de

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