Das Armenhaus Italiens Sizilien droht die Pleite
18.07.2012, 07:45 Uhr
"Il Ponte sullo stretto" (Die Brücke über die Meerenge) bekam 2005 grünes Licht. Die Brücke ist fast drei Mal so lang wie die Golden-Gate-Brücke in San Francisco und der Bau kostet mehrere Milliarden Euro. Allerdings steht der Zeitpunkt ihrer Fertigstellung in den Sternen.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Die Arbeitslosenquote Siziliens ist mit 19,5 Prozent doppelt so hoch wie der italienische Durchschnitt. Gleichzeitig kämpft die autonome Region mit einer enormen Verschuldung. Trotz eines Milliardenlochs wuchs die Zahl der Angestellten im öffentlichen Dienst im vergangenen Jahr um 30 Prozent. Nun droht - auch wegen "griechischer Verhältnisse" - der Kollaps.
Um die italienischen Staatsfinanzen ist es nicht gut bestellt, nun räumt die Regierung um Ministerpräsident Mario Monti ein weiteres Problem ein: Sizilien steht kurz vor dem finanziellen Kollaps. Es gebe erhebliche Sorgen vor einer Pleite der Region, sagte Monti. Für die Finanzkrise der Insel seien auch die lokalen Behörden verantwortlich. Der sizilianische Gouverneur Raffale Lombardo erklärte bereits offiziell seinen Rücktritt. Für die angeschlagenen italienischen Finanzen dürfte die Misere der Insel aber keine weitere Bedrohung darstellen.
Angesichts der Krise will Monti am nächsten Dienstag zu einem Blitzbesuch nach Sizilien reisen, um sich aus erster Hand über die Lage zu informieren. Wie das Büro des Regierungschefs mitteilt, verlange Monti Aufklärung über die Rücktrittspläne des Gouverneurs. In einem Brief habe er die "ernsthafte Sorge über die Möglichkeit, dass Sizilien zahlungsunfähig sein könnte" angesprochen.
Der sizilianische Gouverneur hat das Treffen in einer Stellungnahme bestätigt und gesagt, er werde dem Premier "alle nützlichen Bestandteile" zur Verfügung stellen, um "zu demonstrieren, dass die Finanzen der Region nachhaltig sind".
Die Ratingagentur Fitch erklärte indes, es gebe kein unmittelbares Risiko, dass die Inselregierung ihren Verpflichtungen nicht nachkommen könnte. Die Bonitätswächter bewerten Sizilien mit "BBB+" und damit eine Stufe schlechter als die Regierung in Rom. Die ungewöhnliche Intervention Montis unterstreicht jedoch die Schwere der finanziellen Probleme Siziliens, wo rund 5,5 Prozent des italienischen Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet werden.
Mafia und Armenhaus
Sizilien ist eine der wenigen autonomen Regionen Italiens. Der Sonderstatus gewährt der Inselregierung größere Freiheiten in Finanzsachen; der Einfluss der Nationalregierung ist eher begrenzt. Sizilien gilt als Armenhaus des Euro-Landes und hat nach Einschätzung von Kritikern einen aufgeblähten Verwaltungsapparat. Trotz einer Verschuldung von rund 5,3 Mrd. Euro wurde die Zahl der Angestellten im öffentliche Dienst 2011 noch einmal um mehr als 30 Prozent erhöht. Die Arbeitslosenquote Siziliens ist mit 19,5 Prozent doppelt so hoch wie der italienische Durchschnitt.
Gleichzeitig hat Sizilien auch mit Mafia-Problemen zu kämpfen. Auf der Insel hat die Cosa Nostra das Sagen und spinnt ihre Fäden von da aus über ganz Italien und Europa - auch Deutschland. Experten schätzen, dass die Cosa Nostra jedes Jahr einen Milliardenbetrag umsetzt.
"Griechische" Verhältnisse
Offenbar haben sizilianische Finanzbeamten aber auch jahrelang mit Zahlen getrickst. Nach Angaben von Ivan Lo Bello, Spitzenvertreter des Unternehmerverbands Confindustria, fänden sich im 20-Mrd.-Euro-Haushalt der Region zuhauf dubiose Ausgaben, die Rom wahrscheinlich nicht erstatten werde. In einigen Fällen hätten sizilianische Beamte für kleinere Jobs einfach Familienmitglieder und Freunde angeheuert und diese mit Geld aus Rom bezahlt, das eigentlich für Entwicklungsprojekte bestimmt war, sagte Lo Bello.
Man müsse jetzt der Wahrheit auf den Grund gehen, forderte Lo Bello, der einst das sizilianische Büro des Industrieverband Confindustria geleitet hat. "So zu tun, als wäre nichts passiert, wäre eine Sache der Unverantwortlichkeit."
Anleger sind zunehmend nervös über die jüngsten Enthüllungen. Der Druck auf Italien, seine Schulden von mehr als 2 Billionen Euro zu senken, ist bereits groß. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone steht kurz davor, den Zugang zum Kapitalmarkt zu verlieren.
Moody's macht Druck
Nach dem italienischen Staat und seinen Banken nimmt sich sich die US-Ratingagentur Moody's nun auch die dortigen Versicherer vor: Die Bewertung der Kreditwürdigkeit von drei Instituten sei deutlich gesenkt worden, teilte die Agentur mit. So wurde die Einstufung von Assicurazioni Generali von "A1" auf "Baa1" herunter geschraubt. Zudem sind weitere Abstufungen möglich.
Erst am Montag hatte Moody's die Bewertung von 13 italienischen Finanzinstituten gesenkt. Die Vorgehensweise ist eine Folge der Absenkung der Kreditwürdigkeit des italienischen Staates. Dessen Bewertung hatte die Agentur am 13. Juli um zwei Stufen von "A3" auf "Baa2" heruntergesetzt. Auch hier sind weitere Abstufungen möglich.
Problemfall Monte dei Paschi
Italienische Banken halten einen Großteil der Staatsschulden ihres Landes, und Anleger und Volkswirte fürchten bereits, dass sie in einen Teufelskreis geraten könnten, wenn Banken und Regierung sich nur noch gegenseitig finanzieren.
So hatte Rom erst neulich bekannt gegeben, Anleihen der Bank Monte dei Paschi di Siena in Milliardenhöhe zu kaufen. Das Jahrhunderte alte Geldhaus braucht dringend frisches Kapital, um das Risiko von Staatsanleihen in Höhe von 26 Milliarden Euro im Portfolio zu mindern, die im Zuge der anhaltenden Finanzkrise in der Eurozone stark an Wert verloren haben.
Aber Monte dei Paschi sowie die Investmentsparten der Banken Unicredit und Intesa Sanpaolo hatten auch am Freitag bei der Anleiheauktion wieder stark zugegriffen. Zusammen kauften sie laut Kassenwartin Cannata 46 Prozent der italienischen Staatspapiere.
Ursprünglich hatten die italienischen Banken billige Darlehen der Europäischen Zentralbank benutzt, um Staatsanleihen zu kaufen. Inzwischen aber haben viele Angst, dass sie sich zu viele Staatsschulden aufbürden, zumal die italienischen Anleihezinsen immer stärker steigen. Unicredit, Italiens größte Bank gemessen am Vermögen, sitzt allein auf italienischen Staatsanleihen in Höhe von 40 Milliarden Euro. Wesentlich mehr sollen es vorerst aber nicht werden, sagt Federico Ghizzoni, Vorstandsvorsitzender von Unicredit.
Quelle: ntv.de, bad/rts/dpa/DJ