Modellwechsel für 6,5 Milliarden Dollar Air Canada bestellt bei Boeing
12.12.2013, 11:52 Uhr
Das rote Ahornblatt wechselt zu Boeing: Hier steht eine 787 noch als Vorführmaschine am Drehkreuz Toronto.
(Foto: REUTERS)
Schwere Schlappe für den europäischen Flugzeugbauer Airbus: In Kanada richtet eine führende Fluggesellschaft ihre bisher zu gleichen Teilen aus Flugzeugen von Boeing und Airbus bestehende Flotte auf Maschinen des US-Herstellers aus.
Im internationalen Markt für Verkehrsflugzeuge trifft ein renommierter Großkunde eine Entscheidung von großer Tragweite: Die kanadische Fluggesellschaft Air Canada geht die Modernisierung ihrer Passagierjet-Flotte an und bestellt dazu im großen Stil Maschinen bei dem US-Luftfahrtkonzern Boeing.
Branchenkenner werten die Entscheidung als Rückschlag für den europäischen Boeing-Rivalen Airbus. Denn die zivile Flugzeugbausparte des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS ging bei dem Großauftrag leer aus. Dabei zählte Air Canada bislang noch zu den einflussreichen Großkunden von Airbus. Die Kanadier hatten bislang knapp die Hälfte ihrer Flotte mit Airbus-Modellen ausgestattet.
Der Großauftrag für Boeing ist Teil einer strategischen Neuausrichtung bei Air Canada. Die größte Airline des Flächenstaats im Norden der USA will ihre Kurz- und Mittelstreckenflotte erneuern und entschied sich dabei für Maschinen des Typs 737 "Max" des US-Flugzeugbauers. Die Vereinbarung mit Boeing umfasse 61 feste Bestellungen für die 737, teilte Air Canada mit. Die neuen Flieger sollen nach und nach die älteren Airbus-Maschinen A319, A320 und A321 ersetzen. Abgesehen von diesen 61 fix georderten Passagierflugzeuge sicherte sich Air Canada eine Kaufoption auf weitere 18 Boeing-Jets und ein Vorkaufsrecht für 30 zusätzliche Maschinen. Insgesamt kann die Bestellung dadurch auf bis zu 109 Maschinen anwachsen. Damit könnte die Airline ihre Flotte wohl vollständig auf Boeing-Produkte umstellen.
Fest bestellen wollen die Kanadier 33 Flieger der Standardversion 737-Max-8 und 28 Exemplare der längeren 737-Max-9. Die 737-Max tritt bei Boeing als Nachfolgemodell des langjährigen Verkaufsschlagers Boeing 737 an. Sie soll dank neuer Triebwerke und einer verbesserten Aerodynamik 14 Prozent weniger Treibstoff verbrauchen als ihre Modellvorgängerin. Damit macht sie dem ebenfalls modernisierten Airbus A320neo Konkurrenz, der sich mit einer versprochenen Ersparnis von bis zu 15 Prozent bislang noch besser verkauft und bereits 2015 ausgeliefert werden soll. Airbus hat bislang verbindliche Aufträge für mehr als 2500 "Neos".
Die ersten Auslieferungen an Air Canada seien für 2017 geplant, hieß es. In jenem Jahr soll diese Maschine den bisherigen Planungen bei Boeing überhaupt erst in den Liniendienst starten - wenn es nicht zu den mittlerweile branchenüblichen Verzögerungen kommt. Gemessen am Listenpreis kommt der Auftrag auf ein Volumen von insgesamt 6,5 Milliarden Dollar (4,7 Milliarden Euro). In der Regel gewähren die Hersteller bei Geschäften in dieser Größenordnung allerdings Rabatte in größerem Umfang.
Durch die Neuanschaffungen werde eine der "jüngsten, kraftstoffeffektivsten und vereinfachtesten Airline-Flotten der Welt" entsehen, erklärte ein Sprecher der kanadischen Airline. Das Unternehmen erhoffe sich von der Flottenerneuerung zudem "bedeutende Kostenersparnisse", erklärte Airline-Präsident Calin Rovinescu. Die Umstellung auf neuere Flugzeugmodelle bringt in der Regel erhebliche Einsparpotenziale bei den Treibstoffkosten mit sich, da die jüngeren Maschinen aufgrund neuer Verbundwerkstoffe ein geringeres Gesamtgewicht aufweisen und zudem mit weiterentwickelten Triebwerken ausgestattet werden können.
Bombardier geht leer aus
In den Verhandlungen mit Boeing dürfte auch die Symbolwirkung eines solchen Geschäfts eine Rolle gespielt haben. Der Konkurrent Airbus konnte zuletzt im Umfeld der Luftfahrtmesse in Dubai größere Aufträge für sich verbuchen. Die Lage des Mutterkonzerns EADS gilt derzeit angesichts der größeren Umbauplänen im Raumfahrt- und Rüstungssektor als angespannt. Sollte sich der zivile Flugzeugbau anders als bisher nicht mehr als verlässliche Umsatzstütze erweisen, stünden womöglich neue Kürzungen an.
Bislang fliegt Air Canada vor allem mit Maschinen von Embraer, Boeing und Airbus. Unter anderem startet auch ein einzelnes Exemplar des 787 "Dreamliners" für die Kanadier. Der heimische Jet-Hersteller Bombardier kommt dagegen lediglich bei der Regionalflugtochter Air Canada Express mit den Fluglinien Jazz und Sky Regional zum Einsatz. Mit der neuen Modellreihe CSeries konnte Bombardier erst im September den erfolgreichen Jungernflug absolvieren. Auf den mittleren Strecken betreibt Air Canada zum Beispiel 45 Maschinen vom Typ Embraer 190 sowie 35 Jets vom Typ A319-100, 41 A320-200 und 10 A321-200.
Größtes Airbus-Modell der Kanadier ist die A330-300, von denen Air Canada 8 Stück besitzt. Insgesamt zählt die Air-Canada-Flotte 187 Maschinen. Zum Vergleich: Die Deutsche Lufthansa - die ebenfalls erst kürzlich die Modernisierung ihrer Flotte in Angriff genommen hatte - kommt insgesamt auf 627 Flugzeuge verschiedener Größen.
Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa/rts