Wirtschaft

180-Grad-Wende Warum Aktien-Strategen plötzlich auf Europa setzen

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Die Marktkapitalisierung amerikanische Aktien ist höher als die aller anderen Ländern der Welt zusammen.

Die Marktkapitalisierung amerikanische Aktien ist höher als die aller anderen Ländern der Welt zusammen.

(Foto: REUTERS)

Die US-Konjunktur läuft auf Hochtouren, die Wirtschaft wächst kräftig. Dennoch beginnen nun Aktien-Investoren, ihre Gewichtung verlagern: von den USA nach Europa. Dabei liefert die europäische Wirtschaft auf den ersten Blick wenig Argumente für diese Entwicklung.

Im Vergleich zu Europa, daran sind Investoren lange gewöhnt, wächst die amerikanische Wirtschaft schneller, die Unternehmen verdienen mehr, expandieren stärker und entsprechend steigen die Aktienkurse schneller. Doch zuletzt zeichnet sich ab, dass Aktienstrategen vermehrt auf europäische Werte setzen. Von einem "U-Turn", einer 180-Grad-Wende etwa ist ein einer Analyse der Schweizer Großbank UBS die Rede. In ihrer "regionalen Bewertungstabelle" der Aktienmärkte habe sich Europa nun vor die USA geschoben, berichtet CNBC. Die Liste wird demnach von Japan angeführt, gefolgt von Großbritannien und Kontinentaleuropa. Erst dann folgt der mit Abstand größte Aktienmarkt der Welt, die USA.

Die UBS-Strategen sind nicht die einzigen, die lange US-Aktien gegenüber europäischen Papieren stark übergewichtet haben, und nun eine Neubewertung zugunsten Europas vornehmen. Die Investmentbank Morgan Stanley etwa teilte ihren Kunden bereits vor einigen Wochen mit: "Wir beenden [die Übergewichtung] USA über Europa". Finanzdaten von Morgan Stanley zufolge, aus denen Reuters zitiert, haben Hedgefonds schon vor mehreren Monaten begonnen, europäische Aktien deutlich stärker zu gewichten als amerikanische.

Angesichts der aktuellen Wirtschaftsdaten ist diese Verschiebung durchaus überraschend. Die US-Wirtschaft wächst um ein Vielfaches schneller als die europäische. So hat das US-Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal um 1,6 Prozent zugelegt, das der Eurozone gerade einmal um 0,3 Prozent. Zum einen, so die UBS-Strategen, dürfte sich dieser Abstand verringern, unter anderem da die amerikanische Notenbank Fed wohl zögerlicher sein werde, die Leitzinsen zu senken, als die Europäische Zentralbank. Während Ökonomen damit rechnen, dass sich das Wachstum in den USA abschwächt, dürfte Europas sich zumindest langsam erholen. Dabei sind laut UBS in Europa eher positive Überraschungen möglich, in den USA eher negative.

Entscheidend dafür, dass sich der europäische Aktienmarkt in absehbarer Zeit besser entwickeln dürfte als der amerikanische ist aber weniger eine Umkehr beim Wirtschaftswachstum, sondern vor allem aktuellen Kurse als Ausgangsposition. Trotz jüngster Rekordhochs - unter anderem im DAX - sind europäische Aktien im vergleich zu amerikanischen billig. Laut den Morgan-Stanley-Daten kosten Aktien aus der Eurozone im Durchschnitt das 13.3-Fache der erwarteten Unternehmensgewinne, bei den US-Aktien ist es das 21-Fache.

Zudem, merken die US-Strategen an, dass das Gewinnwachstum amerikanischer Firmen zuletzt stark von nicht "nachhaltigen" Faktoren abhing. Damit sind vor allem hohe Steuersenkungen und -nachlässe gemeint, die sich so wohl nicht wiederholen dürften. In Europa sei das nicht in vergleichbarem Ausmaß zu beobachten. Damit ist der Preisunterschied zwischen europäischen und amerikanischen Aktien in dieser Höhe nicht mehr zu rechtfertigen.

Quelle: ntv.de, mbo

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