Wirtschaft

"Nehmen das Thema sehr ernst" Was bedeuten Angriffe im Roten Meer für Europas Wirtschaft?

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Die Kosten für den langen Weg um Afrika, den Schiffe derzeit als Ausweichroute nutzen, sind nicht die größte Sorge.

Die Kosten für den langen Weg um Afrika, den Schiffe derzeit als Ausweichroute nutzen, sind nicht die größte Sorge.

(Foto: picture alliance / imageBROKER)

Die Angriffe der vom Iran unterstützten Huthi-Milizen im Jemen auf Schiffe im Roten Meer haben die Seefahrt im Suezkanal gestört. Zwölf Prozent des weltweiten Containerverkehrs werden darüber abgewickelt. Es ist die schnellste Route auf dem Seeweg zwischen Asien und Europa. Sie wird zunehmend gemieden und stattdessen Afrika umfahren, was deutlich länger dauert. Für die europäische Wirtschaft, die sich ohnehin am Rande einer Rezession bewegt, kommt die Störung zur Unzeit. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Welche Folgen für Europas Wirtschaft sind bereits sichtbar?
"Erste Lager laufen leer, Produktionsbeeinträchtigungen deutscher Unternehmen werden sichtbar", warnt der Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Volker Treier. Das Bundeswirtschaftsministerium hält die Folgen noch für begrenzt, beobachtet die Entwicklung aber mit großer Sorge. "Es gibt Einzelfälle, aber es kommt nach unseren Beobachtungen nicht zu gravierenden Auswirkungen", sagt ein Sprecher.

Wegen der Verlagerung von Routen der Handelsschiffe verlängerten sich zwar Lieferzeiten. Die Auswirkungen auf den Welthandel seien aktuell überschaubar. "Wir beobachten die Lage aber weiter sehr genau und nehmen das Thema sehr ernst", fügte er hinzu. Der Chef der Bank of England, Andrew Bailey, stimmt dem zu. Die Anschläge hätten "nicht die Auswirkungen gehabt, die ich befürchtet hatte", sagt der Zentralbankchef. Allerdings bleibe die Unsicherheit bestehen.

Was zeigen die Konjunkturbarometer an?
In den wichtigsten europäischen Wirtschaftsindikatoren - von Inflation bis Produktion - sind die Auswirkungen der Anschläge bislang noch nicht sichtbar geworden. Das könnte sich aber schon kommende Woche ändern. Dann werden die ersten Ergebnisse der Januar-Umfrage unter Tausenden Unternehmen in Europa veröffentlicht, die im Einkaufsmanagerindex zusammengefasst werden. Auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde könnte das Thema in ihrer Pressekonferenz nach der Zinssitzung der Frankfurter Währungshüter am kommenden Donnerstag ansprechen.

Aber warum schlägt das noch nicht auf die Wirtschaft durch?
Der Hauptgrund dürfte darin liegen, dass die Weltwirtschaft immer noch lahmt. Europa und seiner größten Volkswirtschaft Deutschland droht gar eine Rezession. Dadurch sind etwa die Transportkapazitäten nicht ausgelastet, was noch viel Spielraum lässt. Der ist notwendig, weil wegen der längeren Strecke mehr Schiffe für die gleiche Fracht benötigt werden. Auch die Ölpreise sind noch nicht in die Höhe geschnellt. Das weltweite Ölangebot sei solide, die Nachfrage habe sich zudem eher verlangsamt, sagt der Chef der Internationalen Energieagentur, Fatih Birol. "Ich erwarte keine große Veränderung des Ölpreises, weil wir eine große Menge Öl auf dem Markt haben", betont er. Der deutsche Logistikriese DHL sieht zudem freie Luftfracht- Kapazitäten, um ein stärkeres Ausweichen auf Flugtransporte wuppen zu können.

Steigen die Preise bereits?
Der Seeweg von Asien nach Europa verlängert sich durch das Meiden des Suezkanals und das Ausweichen auf die Strecke um das Kap der guten Hoffung um etwa zehn Tage. Die Frachtraten für diese Route sind bereits auf das Vierfache gestiegen. Die Versicherungsprämien für Schiffe, die weiterhin das Rote Meer durchfahren, zogen noch kräftiger an. "Es droht allerdings kaum ein neuerlicher Inflationsschub, da die Transportkosten nur einen sehr geringen Teil der Produktkosten ausmachen", betonen die Commerzbank-Analysten Bernd Weidensteiner und Christoph Balz in einer Analyse. "Schließlich würden sie sonst nicht um den halben Erdball bewegt."

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Wie reagieren die Unternehmen?
Die maue Konjunktur und damit Nachfrage macht es für die Unternehmen schwieriger, gestiegene Kosten an die Verbraucher weiterzugeben. "Unsere beste Prognose im Moment ist, dass wir in der Lage sind, die zusätzlichen Kosten, zu absorbieren und trotzdem eine Verbesserung der Bruttomarge zu erreichen", sagt etwa der Vorstandsvorsitzende des Einzelhändlers Pepco, Andy Bond. Der Möbelriese Ikea betont sogar, dass er an den geplanten Preissenkungen festhalten werde und über Lagerbestände verfüge, um etwaige Schocks in der Lieferkette aufzufangen.

Können die Regierungen in Europa darüber hinwegsehen?
Nein - denn je länger die Unterbrechung andauert, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie sich auf die Konjunktur auswirken. Wenn auch nicht schockartig, sondern nur schrittweise. "Sollten das Rote Meer mehrere Monate lang für die Schifffahrt gesperrt und die Frachtkosten für die Schifffahrt etwa doppelt so hoch bleiben wie Mitte Dezember, könnte dies bis Ende 2024 zu einer Erhöhung der jährlichen Inflationsraten um 0,7 Prozentpunkte führen", rechnen die Analysten von Oxford Economics aus. Das dürfte aber nicht ausreichen, um einen Rückgang der weltweiten Inflation im Laufe dieses Jahres zu verhindern. Auch sollte dies wichtige Zentralbanken nicht davon abhalten, ab etwa Jahresmitte mit Zinssenkungen zu beginnen.

Quelle: Mark John und Rene Wagner, rts

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