Wirtschaft

Nachbesserungen zum Stresstest Weber ermuntert die Banken

Links der Chef der Bundesbank, rechts der Finanzminister der Bundesrepublik: Das Kürzel "hu" steht in der Sprache des Internets natürlich für "Hungary".

Links der Chef der Bundesbank, rechts der Finanzminister der Bundesrepublik: Das Kürzel "hu" steht in der Sprache des Internets natürlich für "Hungary".

(Foto: dpa)

Axel Weber kann mit jedem Tag freier sprechen: Der langjährige Bundesbank-Chef scheidet bald aus dem Amt. Beim Finanzministertreffen in Gödöllö nimmt der einstige Top-Kandidat für die EZB-Spitze kein Blatt vor den Mund: Der Belastungstest im Bankensektor erfordert Maßnahmen bei der Kapitalausstattung - davon sind auch deutsche Häuser betroffen.

Die Stresstests in der europäischen Finanzbranche führen zu wachsender Unruhe. EU-Währungskommissar Olli Rehn forderte die 27 EU-Mitgliedstaaten unmissverständlich auf, ausreichende Mittel für mögliche Finanzspritzen und Umstrukturierungen bereitzuhalten. Am Rande der Beratungen der EU-Finanzminister im ungarischen Gödöllo wurde Beobachtern zufolge deutlich, dass in Europa - und auch in Deutschland - insgesamt bis zu 15 Banken rekapitalisiert oder geschlossen werden müssen.

Mit Blick auf die derzeit laufenden Berechnungen zum forderte Weber auch von deutschen Instituten die Bereitschaft, bei der Kapitalausstattung nötigenfalls nachzubessern. Die Banken sollten die bisher nicht als Risikopuffer akzeptierten Stillen Einlagen bis zum Ende des Monats in hartes Kernkapital umwandeln, sagte der noch bis Ende April amtierende Bundesbankchef. Dies sei die beste Möglichkeit, um den Stresstest zu bestehen. Beobachter bezogen seine Äußerungen auf beiden Landesbanken Helaba und NordLB.

Die Landesbanken kämpfen beim Stresstest um das Erreichen des Klassenziels. Ihre Kapitaldecke besteht zu großen Teilen aus Stillen Einlagen ihrer Eigentümer. Diese werden bei der diesjährigen Belastungsprobe für 90 Geldhäuser nicht mehr anerkannt, wie die neue Aufsichtsbehörde EBA erst am Vortag mitgeteilt hatte. Grund ist, dass sie nicht völlig zur Abdeckung von Verlusten eingesetzt werden können.

Umwandeln oder abwarten?

"Diejenigen, die das betrifft, haben es jetzt selbst in der Hand, das Zeitfenster, was ihnen noch gegeben ist, durch Gremienbeschlüsse zu nutzen - Nichthandeln ist dann schuldhaftes Versäumnis", sagte der scheidende Chef der Bundesbank, der die Testergebnisse nach eigenen Worten bereits kennt. Wie im vergangenen Jahr werden derzeit rund 90 Banken aus allen 27 EU-Staaten auf ihre Widerstandsfähigkeit hin überprüft. Sie decken 65 Prozent des Bankenmarktes der EU ab. Aus Deutschland sind 13 Institute dabei - bis auf die Postbank die gleichen wie 2010. Die Banken müssen die Fragebögen kommende Woche bei ihren nationalen Aufsichtsbehörden abgeben. Wichtige Eckdaten liegen den Testern bereits vor. Die endgültigen Ergebnisse sollen im Juni veröffentlicht werden.

Die Testszenarien wurden dieses Mal verschärft, um den Probelauf glaubwürdiger zu machen. Im vergangenen Jahr mussten irische Banken vom Staat gerettet werden, obwohl sie den Test bestanden hatten. Die EU-Staaten sagten zu, für Auffanglösungen zu sorgen, sollten sich Geldhäuser als zu schwach erweisen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble erklärte in Gödöllö, im Fall eines Nichtbestehens des Probelaufs seien vor allem die Eigentümer in der Pflicht, den zusätzlichen Kapitalbedarf zu decken.

Die Landesbanken müssen die Einlagen ohnehin bis 2018 in haftbares Eigenkapital umwandeln, wofür die EBA einige Kriterien vorgibt. Weber sagte, die Stillen Einlagen müssten nur in zwei Punkten rechtlich verändert werden - so müsse beispielsweise das Stimmrecht eingeführt werden. Es sei ausreichend, wenn dazu bis Ende April Gremienbeschlüsse gefasst würden. Diesen Termin hatten die EBA-Aufseher festgelegt. Das Land Niedersachsen will beschließen, seine Stillen Einlagen in Kernkapital umzuwandeln. Auch das Land Hessen berät darüber.

Dass der EBA-Standard einige Formen Stiller Beteiligungen vom Kernkapital ausschließt, hatte der Sparkassenverband DSGV als "unverständlich" bezeichnet. Stille Einlagen zählten in Deutschland nach geltender Rechtslage zum Kernkapital, hieß es in einem Bericht der Nachrichtenagentur Dapd. Umgekehrt würden in den Stresstests jene Stillen Einlagen, die als Staatshilfen in der Krise an angeschlagene Banken geflossen seien, dem Kernkapital zugerechnet. Das sei "gänzlich unverständlich. Es entsteht der Eindruck, dass schlechte Schüler durchgeschleift werden und die guten sitzenbleiben sollen", hatte DSGV-Vorstandsmitglied Karl-Peter Schackmann-Fallis erklärt.

Der Soffin hat bereits geschlossen

Die Bundesregierung will laut Finanzminister Schäuble vermeiden, dass erneut Staatsgelder zur Stützung von Banken eingesetzt werden müssen. Der Finanzminister erklärte, für den Fall, dass die Tests zusätzlichen Kapitalbedarf ergäben, seien zuallererst die Eigentümer in der Pflicht. Schließlich sei der Rettungsfonds Soffin zum Jahresende geschlossen worden.

"Nach unserem Grundgesetz ist es nicht so, dass man zuerst nach dem Staat ruft", sagte Schäuble. Auch Weber betonte, pauschale Rettungsaktionen gelte es zu vermeiden. So lange eine Bank nicht systemrelevant sei, könne sie nach dem Restrukturierungsgesetz geordnet abgewickelt werden. "Wie gut, dass Deutschland diese Regelung geschaffen hat", sagte Schäuble.

Die Commerzbank muss nicht bangen, die Hürde von 5 Prozent hartem Kernkapital zu reißen, die die Aufseher den Banken vorgegeben haben. Die 16,2 Mrd. Euro an Einlagen, die sie in der Finanzkrise als Rettungsanker vom Bund bekommen hatte, gelten als sichere Kapitalbasis und zählen zum sogenannten "Core Tier-1".

Kritik an der Aufsicht

Die EBA will mit dem Test durch Berechnungen verschiedener Szenarien feststellen, ob die Banken eine zwei Jahre andauernde Rezession überstehen würden, ohne wie in der Finanzkrise auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Auch das Szenario für den Konjunktureinbruch wurde verschärft. Trotzdem rechnen Finanzmarkt-Experten nicht damit, dass europaweit mehr als 15 Banken durchfallen. 2010 hatte es 7 von 91 Banken getroffen, darunter den verstaatlichten Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate aus München.

Kritiker werfen der EBA vor, sich den wahren Problemen zu verschließen: "Die Leute haben keine schlaflosen Nächte wegen einer doppelten Rezession - sie schlafen schlecht wegen der Staatsschulden", so Barclays-Analyst Mike Harrison. Dauerhafte Ausfälle von Staatsanleihen sind aber nicht Teil des Szenarios.

Unmittelbare Konsequenzen drohen den Durchfallkandidaten des Stresstests zunächst nicht. "Die EBA erwartet von allen Banken, die die Marke verfehlen oder die im Stresstest besondere Schwächen zeigen, sich mit den jeweiligen Aufsehern auf geeignete Gegenmaßnahmen zu einigen und diese rechtzeitig umzusetzen", sagte EBA-Chef Andrea Enria. Sie sollen dazu bis Jahresende Zeit bekommen. Der Privatbankenverband BdB hält das für verfehlt: Der Test "lässt keine Rückschlüsse zu, ob eine einzelne Bank ein tragfähiges Geschäftsmodell hat", sagte Hauptgeschäftsführer Michael Kemmer.

Viele Banken haben sich bereits mit Kapitalerhöhungen für die neuen Eigenkapitalregeln von Basel III gerüstet, die eine Mindestschwelle von sieben Prozent hartem Kernkapital vorsehen - allerdings erst ab 2013, und auch dann gelten Übergangsfristen.

Die beiden Landesbanken Helaba und NordLB, die ohne fremde Hilfe durch die Finanzkrise gekommenen waren, werden damit wohl nur mit dem Negativ-Image des "Durchfallers" leben müssen. Die deutschen Aufsichtsbehörden BaFin und Bundesbank, die deutsche "Sitzenbleiber" zu Rettungsmaßnahmen anhalten könnten, halten Helaba und NordLB für stabil. EZB-Chef Jean-Claude Trichet sagte schlingernden Banken Hilfe zu.

Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts

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