Unscharfe Regeln in Deutschland Wie steht's mit der "Abzockerei"?
04.03.2013, 13:55 Uhr
Hoch die Gläser? In Deutschland gibt es noch keine scharfen Regelungen zur Managervergütung.
(Foto: picture alliance / dpa)
Mehr als zwei Drittel der Schweizer stimmen für die "Volksinitiative gegen die Abzockerei". Sie erreichen damit, dass künftig die Aktionäre von Unternehmen über die Gehälter an der Spitze entscheiden. Ein "Goldener Handschlag" beim Weggang aus einem Konzern und Begrüßungsmillionen vor dem Beginn eines Arbeitsverhältnisses sollen verboten werden. In Deutschland sieht das anders aus.
Die überraschend große Mehrheit beim Schweizer Bürgervotum gegen überzogene Manager-Gehälter hat die Debatte über dieses Thema in Deutschland neu belebt. Auch wenn 2009 die gesetzlichen Vorschriften dazu verschärft wurden, so lassen die Regelungen doch erhebliche Interpretationsmöglichkeiten. Ein Überblick über den Status Quo in Deutschland:
Das Aktienrecht
Die Grundzüge der Vorstandsvergütungen in börsennotierten Firmen regelt der Paragraf 87 des deutschen Aktiengesetzes, das 2009 mit dem Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) geändert wurde. Darin heißt es: "Der Aufsichtsrat hat bei der Festsetzung der Gesamtbezüge des einzelnen Vorstandsmitglied s (Gehalt, Gewinnbeteiligungen, Aufwandsentschädigungen, Versicherungsentgelte, Provisionen, anreizorientierte Vergütungszusagen wie zum Beispiel Aktienbezugsrechte und Nebenleistungen jeder Art) dafür zu sorgen, dass diese in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben und Leistungen des Vorstandsmitglieds sowie zur Lage der Gesellschaft stehen und die übliche Vergütung nicht ohne besondere Gründe übersteigen."
Darüber hinaus wird gesetzlich eine Ausrichtung von Sonderzahlungen an der langfristigen Entwicklung des Unternehmens gefordert. Boni sollen eine mehrjährige Bemessungsgrundlage haben. Zudem heißt es: "Für außerordentliche Entwicklungen soll der Aufsichtsrat eine Begrenzungsmöglichkeit vereinbaren." Verschlechtert sich die Lage der Gesellschaft gravierend, so soll der Aufsichtsrat "die Bezüge auf die angemessene Höhe herabsetzen".
Darüber hinaus gibt das Gesetz auch den Aktionären ein Mitwirkungsrecht in Gehaltsfragen. Die Hauptversammlung kann über das Vergütungssystem, aber nicht über die konkrete Höhe der Gehälter abstimmen. Das machen die größeren börsennotierten Unternehmen seither auch. Das Ergebnis ist zwar nicht bindend, aber fällt das Vergütungssystem bei den Aktionären durch, entsteht ein faktischer Druck auf den Aufsichtsrat, daran etwas zu ändern, wie ein Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz erläutert.
Das Problem der Angemessenheit
Rechtsexperten hatten diese Gesetzesänderung 2009 bereits als einen unüblich starken Eingriff des Gesetzgeber in die Entscheidungshoheit der Unternehmen gewertet. Dennoch bleibt eine große Unsicherheit, nämlich die Frage, was genau als "angemessene Vergütung" anzusehen ist. Als grobe Orientierung soll das Lohngefüge des Unternehmens gelten. Nach Ansicht von Juristen könnte das Durchschnittsgehalt der Firma als Richtschnur herangezogen werden. Die Vorstandsbezüge dürfen dieses dann nur um einen bestimmten Faktor überschreiten.
Davon ist im Gesetz aber nicht die Rede. Der Spielraum ist daher enorm: So kam eine große Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nach Inkrafttreten der Änderung zu dem Ergebnis: "Die Höhe der Vorstandsvergütung hat sich durch das Gesetz allerdings nicht nachweisbar geändert." Auch die Ausrichtung des Vergütungssystems an der nachhaltigen oder langfristigen Entwicklung der Firma gilt unter Rechtsexperten als unscharf, gleiches gilt für den Begriff der "außerordentlichen Entwicklungen", die Vergütungsbeschränkungen rechtfertigen.
Axel Wenzel, Gesellschaftsrechtler der Kanzlei Oppenhoff & Partner, sieht dennoch keinen Änderungsbedarf: "Die deutsche Regelung trägt den verschiedenen Interessen aller Beteiligten ausreichend Rechnung", sagt er. Mit dem Aktiengesetz seien Aufsichtsräte in der Pflicht und könnten in Haftung genommen werden. "Da drohen im Extremfall Schadenersatzklagen."
Corporate-Governance-Kommission
Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission fordert Gehalts-Obergrenzen für Vorstände börsennotierter Unternehmen. Sie will den Aufsichtsräten dabei aber keine Vorgaben machen, was sie noch für eine angemessene Entlohnung hält. Die Unternehmen sollen lediglich künftig im Geschäftsbericht angeben, wie viel ihre Vorstände maximal verdienen können.
Die Kommission für gute Unternehmensführung reagiert mit dem Gehaltsdeckel auf Auswüchse, die zu astronomischen Vergütungen geführt hatten, etwa weil die Vorstands-Boni mit dem Gewinn stiegen. So hatte VW -Chef Martin Winterkorn für 2011 ein Gehalt von mehr als 17 Mio. Euro bekommen. Die Vorschläge werden bis Mitte März zur Diskussion gestellt.
Die Aufsichtsräte sollen nach dem Willen der Kommission auch darauf achten, dass die Gehälter für Vorstände nicht zu weit von denen der zweiten Führungsebene und von denen der Gesamtbelegschaft abweichen. Zudem will die Corporate-Governance-Kommission eine Schneise in das Dickicht der Vergütungsberichte in den Geschäftsberichten schlagen.
Die Experten haben deshalb Mustertabellen entwickelt, in denen die Konzerne von 2014 an die Vorstandsgehälter aufschlüsseln sollen. Doch sind sie nur eine "Anregung" der Kommission, verwendet werden müssen sie nicht.
Quelle: ntv.de, rts