Geringverdiener profitieren kaum Wirtschaftsboom kommt bei vielen nicht an
24.05.2018, 14:32 Uhr
Auch das neunte Wachstumsjahr in Folge bringt einkommenschwachen Menschen nur wenig.
(Foto: imago/Schöning)
Die Wirtschaft in Deutschland brummt seit Jahren, die Arbeitslosigkeit ist gering. Davon profitieren aber nur bestimmte Einkommensgruppen. Zwischen Spitzen- und Niedrigverdienern geht die Schere gemäß einer neuen Studie weiter deutlich auseinander.
Der anhaltende Wirtschaftsaufschwung in Deutschland kommt einer Studie zufolge bei Weitem nicht bei allen Bürgern an. Demnach sind zwischen 1991 und 2015 die realen verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte im Schnitt um 15 Prozent gestiegen. Davon haben laut Untersuchung die meisten Einkommensgruppen profitiert - aber nicht die untersten. Das geht aus einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hervor. Basis sind die aktuellsten verfügbaren Daten der Längsschnittstudie Sozioökonomisches Panel.
Deutschland geht ins neunte Wachstumsjahr in Folge. Bundesregierung und führende Forschungsinstitute erwarten einen fortgesetzten wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland. Die Arbeitslosigkeit soll Prognosen zufolge weiter zurückgehen. Zwischen 1991 und 2015 allerdings waren bei den zehn Prozent der Personen mit den niedrigsten Einkommen, die monatlich im Durchschnitt real über rund 640 Euro verfügen, laut Studie die Haushaltseinkommen rückläufig.
Demgegenüber stiegen die Einkommen der Top-Verdiener zwischen 1991 und 2015 im Schnitt um 30 Prozent. Das bedeute aber nicht zwangsläufig, dass die Menschen, die in den 1990er-Jahren niedrige Einkommen erzielten, heute individuell schlechter gestellt seien, erläuterte Studienautor Markus Grabka. Denn sie könnten sich mittlerweile in einer anderen Einkommensgruppe befinden. "Aber es zeigt, dass bei Weitem nicht alle von der positiven Einkommensentwicklung, die in den letzten Jahren im Wesentlichen dank der boomenden Wirtschaft und dem Rückgang der Arbeitslosigkeit stattgefunden hat, profitiert haben." Das habe mehrere Gründe: zum einen die Ausweitung des Niedriglohnsektors, zum anderen der wachsende Bevölkerungsanteil älterer Menschen - deren Alterseinkommen seien im Schnitt geringer als das Erwerbseinkommen.
Zuwanderer drücken Schnitt im Niedriglohnsektor
Eine Rolle spiele außerdem die Zuwanderung, die seit 2007 zugenommen habe. "Diese neuen Mitbürgerinnen und Mitbürger haben in der ersten Zeit nach ihrer Ankunft in der Regel niedrige Einkommen", erläuterte Ko-Studienautor Jan Goebel. Das zeige sich auch daran, dass der Anteil der Personen mit direktem Migrationshintergrund, die also selbst nach Deutschland zugewandert seien, an den niedrigen Einkommensgruppen zunehme.
Allerdings zeigten die verfügbaren Daten, dass sich die Einkommensposition der Migranten verbessere, je länger sie sich im Land aufhalten. Die Studie legt außerdem dar, dass in den vergangenen Jahren das Armutsrisiko gestiegen sei. Die Schwelle liegt laut Definition bei einem verfügbaren Nettohaushaltseinkommen von 1090 Euro für einen Einpersonenhaushalt.
Die Armutsrisikoquote, also der Anteil der Bevölkerung, deren Einkommen unter dieser Schwelle liegt, lag demnach im Jahr 2015 bei 16,8 Prozent. In den 1990er-Jahren habe diese Quote noch elf Prozent betragen, im Jahr 2014 knapp 16 Prozent.
Ein relevanter Teil des Anstiegs sei auf die Zuwanderung zurückzuführen. Menschen mit direktem Migrationshintergrund hätten im Jahr 2015 eine Armutsrisikoquote von 29 Prozent, Personen mit indirektem Migrationshintergrund - von denen mindestens ein Elternteil zugewandert ist - von 25 Prozent. In diesen Zahlen seien sind die Menschen, die erst im Jahr 2015 und später nach Deutschland zugewandert sind, noch nicht enthalten. Eine wesentliche Aufgabe für die Gesellschaft als Ganzes und insbesondere für die Politik sei es, die neu zugezogenen Migranten schnell und zielgenau zu unterstützen, damit ihre Integration rasch erfolge und sie schnell höhere Einkommen erzielen können, so Goebel.
Quelle: ntv.de, mba/dpa