Und wo nicht Wo Union und SPD wirtschaftlich auseinanderliegen
24.02.2025, 16:05 Uhr Artikel anhören
Union und SPD werden nun Wege zueinander ausloten müssen.
(Foto: picture alliance / Joko)
Die Wähler haben entschieden - es kommt wohl zu einer Neuauflage einer Regierung aus Union und SPD, diesmal unter Führung von CDU-Chef Friedrich Merz. Die Finanzmärkte reagierten positiv auf den Wahlausgang. Allerdings liegen Union und Sozialdemokraten in vielen wirtschaftspolitischen Fragen weit auseinander. Offen ist auch, wie Investitionen in Infrastruktur und Rüstung finanziert werden sollen. Denn die Aufweichung der Schuldenbremse ist schwieriger geworden. Ein Überblick:
Warum reagieren die Finanzmärkte positiv auf den Wahlausgang?
Der deutsche Aktienindex Dax legt um knapp ein Prozent zu, der Euro wertete auf. "Eine erneute Dreier-Koalition ist vom Tisch", erklärt Michael Kopmann von der DZ Bank die Reaktion von Investoren. "Die Aussicht auf Schwarz-Rot gibt den hiesigen Märkten zumindest im ersten Moment etwas Aufwind."
Das dürfte auch mit den Erfahrungen mit der gescheiterten Ampel-Regierung zusammenhängen: Das Dreierbündnis lähmte sich gegenseitig, ehe es im November zerbrach. "Dass es nun nur eine mögliche Koalition gibt, macht zwar die Verhandlungen nicht einfacher, dürfte sich aber insgesamt beschleunigend auf die Regierungsbildung auswirken", erklärt Kopmann. "Somit ist eine lange Hängepartie mit hoher Wahrscheinlichkeit abgewendet." Das finden Anleger positiv. Steigende Rüstungs- und Infrastrukturausgaben könnten Europas größer Volkswirtschaft zudem neuen Schwung verleihen.
Warum fordern Wirtschaft und Ökonomen eine rasche Regierungsbildung?
Deutschland hat zwei Rezessionsjahre hinter sich, ein drittes könnte folgen. Zugleich amtiert seit dem Ampel-Aus im November eine Regierung ohne eigene Parlamentsmehrheit. Bei monatelangen Koalitionsverhandlungen droht ein noch längerer Stillstand. Hinzu kommt: Europa braucht ein handlungsfähiges Deutschland angesichts der Zolldrohungen aus den USA und den Signalen aus Washington, dass in einem militärischen Ernstfall womöglich kein Verlass mehr auf eine amerikanische Unterstützung ist. "Man kann nur hoffen, dass man sich angesichts der sicherheits- und wirtschaftspolitischen Herausforderungen rasch und konstruktiv auf einen Koalitionsvertrag einigt, der das Land nach vorne bringt", sagt deshalb die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer.
Wo liegen Union und SPD wirtschaftlich auseinander?
In vielen Fragen. Die Union etwa hat sich Steuersenkungen für Unternehmen auf die Fahnen geschrieben. Die Sozialdemokraten wollen hohe Einkommen und damit auch viele Unternehmer stärker zur Kasse bitten, während Betrieben eine Investitionsprämie in Aussicht gestellt wird. Unternehmensinvestitionen in Maschinen und Geräte sollen mit zehn Prozent der Anschaffungssumme über eine Steuererstattung gefördert werden. Zugleich strebt die SPD einen Mindestlohn von 15 Euro an. Die Union dagegen will das umstrittene Bürgergeld zurechtstutzen. "Beim wichtigen Thema Bürokratieabbau haben die Parteien ebenfalls unterschiedliche Ansichten darüber, welche Regulierung entbehrlich ist", sagt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.
Wo gibt es Anknüpfungspunkte?
Schwarz-Rot könnte sich auf mehr Geld für die Infrastruktur verständigen. "Das wäre ohne Zweifel gut für die Unternehmen, die unter einer schlechten Infrastruktur leiden", sagt Commerzbank-Ökonom Krämer. Das sehen auch andere Experten so. "Für den Bildungssektor, die Verkehrsinfrastruktur, die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung, und die Verteidigung muss ein langfristiger Finanzierungsrahmen in Form von Sondervermögen geschaffen werden, der weit über die Legislaturperiode hinausreicht", sagt der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. "In diesem Falle könnten Unternehmen ebenfalls beginnen, verlässlich zu investieren." Das wiederum könnte die Weichen für einen nachhaltigen Aufschwung stellen.
Was ist mit der Schuldenbremse?
Das Thema könnte zu einem großen Streitpunkt zwischen den künftigen Koalitionären werden. Die Union ist eigentlich gegen eine Aufweichung, die SPD dafür. Um etwa die Verteidigungsausgaben von gegenwärtig zwei auf vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen, müsste der Bund seine zivilen Ausgaben um ein Viertel kürzen, wenn dies nicht über zusätzliche Schulden finanziert werden soll, rechnet Commerzbank-Chefvolkswirt Krämer vor. "Das wäre politisch kaum durchsetzbar, auch wenn es mit Blick auf das Bürgergeld oder die häufig ineffiziente Klimapolitik beträchtliche Einsparmöglichkeiten gibt."
Für ein neues Sondervermögen für die Bundeswehr ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag notwendig. Doch selbst die Stimmen der Grünen würden dafür nicht ausreichen, weil AfD und Linkspartei zusammen eine Sperrminorität haben. "Dann könnte man nur die Ausnahmeregel ziehen, um schnell Mittel zu beschaffen", sagt die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer. "Das wird das Regieren noch schwerer machen." Laut Grundgesetz kann die Schuldenbremse bei einer außergewöhnlichen Notsituation ausgesetzt werden, die sich der Kontrolle des Staates entzieht und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt.
Der alte Bundestag könnte rein formell noch vor der konstituierenden Sitzung des neuen, die nach Angaben der Parlamentsverwaltung voraussichtlich am 24. oder 25. März stattfinden wird, Gesetze und auch eine Reform der Schuldenbremse beschließen.
Quelle: ntv.de, Rene Wagner, dpa