Inside Wall Street Der Facebook-Reinfall
23.05.2012, 04:21 Uhr
Was sich rund um den Facebook-Börsengang abspielte, "gefällt" immer weniger Leuten.
(Foto: REUTERS)
Die Story um den Börsengang von Facebook wird immer undurchsichtiger. Während die Aktie an der Nasdaq im freien Fall handelt, werden Vorwürfe gegen Morgan Stanley laut. Unregelmäßigkeiten vor dem IPO rücken die Investmentbank gefährlich nahe in Richtung illegales Insider-Trading.
Drei Tage nach dem meist-gehypten Börsenstart der letzten Jahre ist fast schon bizarr, was sich im Vorfeld hinter den Kulissen abspielte. Da war zunächst die Roadshow, bei der Mark Zuckerberg mehr Zeit auf dem Klo verbrachte als in Meetings mit potenziellen Investoren. Doch da war vor allem auch der unnachgiebige Druck von Morgan Stanley, den Emissionspreis für die Aktie des Sozialen Netzwerkes so hoch wie möglich anzusetzen – ein fataler Fehler: Trader in New York glauben, dass die Aktie bei einem IPO-Kurs von 30 Dollar möglicherweise eine Rally hätte sehen können.
Morgan Stanley sah das anders: Erst während der Roadshow hob man die Emissionsspanne auf 34 bis 38 Dollar an, kurz vor dem Börsenstart legte die Bank schließlich fest: Facebook würde für 38 Dollar an den Start gehen – am oberen Ende der angepeilten Spanne. Eigentlich unvorstellbar, zumal die Analysten bei Morgan Stanley erst am Vortag intern die Umsatzerwartungen für Facebook gesenkt hatten. Die Experten bei Goldman Sachs und J.P. Morgan zogen nach – Gründe gab es ja genug. Nicht zuletzt der Ausstieg von General Motors, wo man gerade ein 10 Mio. Dollar schweres Jahresbudget für Facebook-Werbung gekappt hatte, musste den Analysten zu denken geben. Auch nach tiefer Einsicht in das Facebook-Konstrukt ist nicht ganz klar, wie das Unternehmen künftig massiv Geld verdienen will – und wie viel.
Im Stillen pessimistisch
Problematisch ist nun, dass Morgan Stanley intern pessimistisch für die Aussichten von Facebook war, dass man diese Nachricht aber vor dem IPO nur ausgewählten Großinvestoren weiterleitete. Damit sabotierte man einerseits den Börsengang, denn potenzielle Geldgeber schreckten zurück.
Andererseits – viel schlimmer – ließ man Kleinanleger ins Messer laufen, die von den gesenkten Umsatzerwartungen nichts mitbekommen konnten. "Kleinanleger hatten gar keine Chance", schimpft ein New Yorker Trader. "Wer schaut sich denn eine revidierte Fassung des Prospektus an?"
Auch Henry Blodget ist entsetzt. Der frühere Hightech-Analyst, der selbst wegen irreführender Analysen zu einer Millionenstrafe verurteilt und aus der Branche verbannt wurde, sieht Morgan Stanley im Bereich des Insider Tradings. "Das ist mit Sicherheit eine Verletzung geltenden Rechts", so Blodget im Interview mit dem amerikanischen Börsensender CNBC. Morgan Stanley hat den vermeintlichen Unternehmenswert nach oben geschraubt, während die hauseigenen Analysen genau für das Gegenteil sprachen – das könnte Betrug sein. Die US-Börsenaufsicht SEC hat mittlerweile angekündigt, Ermittlungen bei Morgan Stanley aufnehmen zu wollen. Vor dem Hintergrund ist erstaunlich, dass sich die Aktie des Investmenthauses recht stabil halten konnte.
Etwas Entwarnung kommt hingegen von Jack Bogle, dem Gründer der Fondgruppe Vanguard. "Die revidierten Zahlen hätten die Meinung der Anleger über Facebook ohnehin nicht geändert", so Bogle. Er beobachte seit Jahren, dass vor allem Kleinanleger bei Börsengängen im Hightech-Sektor weniger auf den Ausgabepreis und die Fundamentaldaten achteten als vielmehr auf den Hype um das IPO. "Man will auf den Zug aufspringen", sagt Bogle – unabhängig von den Hintergründen des jeweiligen Unternehmens. Ein Wunder ist das nicht, denn in der Vergangenheit gab es Börsengänge, bei denen sich Aktien am ersten Tag im Wert verdoppelt und verdreifacht hatten. Das macht leichtsinnig.
Bogle rät Kleininvestoren, Risiken mit einzelnen Werten gar nicht erst einzugehen, sondern lieber auf Fonds zu setzen – der Ratschlag ist wohlgemerkt nicht ganz uneigennützig, immerhin gehört Vanguard zu den größten Fond-Anbietern in den USA.
Und dennoch können Anleger von Bogle lernen, denn in einem hat der angesehene Manager recht: Auf den Hype um ein beliebtes IPO sollte es Anlegern einfach nicht ankommen, sondern ganz schlicht um die Erfolgsaussichten des Unternehmens, auch wenn die nicht poppig und spritzig daherkommen, sondern sich in langweiligen Zahlenkolonnen verbergen.
Quelle: ntv.de