Kolumnen

Inside Wall Street Weg von der Quick-Fix-Mentalität

Die US-Notenbank verteilt nicht so einfach Scheine. Diese Erfahrung macht jüngst die Wall Street. Sie ist längst einer Quick-Fix-Mentalität verfallen, aus der sie sich nicht befreien kann. In den USA lassen sich die wahren Probleme einfach nicht mehr nur mit Geld beseitigen.

Mit ihrem Stillhalten sorgt die Fed an der Wall Street für lange Gesichter.

Mit ihrem Stillhalten sorgt die Fed an der Wall Street für lange Gesichter.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Ein wildes Auf und Ab ist man an den Börsen mittlerweile gewöhnt, die Wall Street ist seit Monaten so volatil wie nie zuvor. Beobachter - dazu gehören Analysten ebenso wie einfache Reporter - haben es zunehmend schwer, die Schwankungen eines Tages oder einer Woche irgendwie zu begründen. Nur ganz selten lässt sich ein direkter Zusammenhang zwischen Nachricht und Kursreaktion herstellen, so etwa am Dienstag.

Die Wall Street hatte den ganzen Tag über recht munter gehandelt, wenn auch nicht mit spektakulären Gewinnen. Man wollte die Verluste vom Vortag wettmachen - . Dass die sich in ihrer aktuellen Sitzung entschloss, den Leitzins unverändert zu lassen, hatte man erwartet. Dass sich die Währungshüter jedoch sperren, die Gelddruckmaschine erneut anzuwerfen, das passte dem Markt nicht - was soll denn das? Will man sich da nicht schmutzig machen? All die Druckerschwärze und das Öl - auf frisches Geld hatte man gewartet, und man bekommt es nicht.

, und Jack Ablin von der Harris Private Bank ließ sich später mit einem Schmunzeln zitieren: "Es scheint, Anleger sind nur noch happy, wenn die Fed am Straßenrand Geldscheine an Passanten verteilt."

Da ist etwas dran. Die Wall Street ist längst einer Quick-Fix-Mentalität verfallen, aus der sie sich nicht befreien kann. Sämtliche Probleme des Marktes müssen so schnell wie möglich ausgeschaltet werden - wo der Ursache nicht beizukommen ist, sollten eben zumindest die Symptome bekämpft werden. Diese Mentalität ist für Amerika typisch. Ärzte verschreiben hier mehr Schmerzmittel als sonst wo auf der Welt. Statt Krankheiten auszuschalten, werden nur die unangenehmen Schmerzen betäubt - gesund ist das nicht.

Keine Kredite - keine Investitionen

Und gesund ist diese Strategie auch nicht für die Märkte. Neues Geld zu drucken mag Liquidität bringen, doch hat das schon bei den letzten zwei Runden "Quatitative Easing" nichts genutzt. Die amerikanischen Banken vergeben keine Kredite, die Unternehmen investieren nicht. Denn die wahren Probleme lassen sich mit mehr Geld nicht beseitigen: Wenn ein Unternehmen etwa akuten Mangel an Nachfrage sieht, Ware nicht absetzen kann und deshalb nicht produzieren oder gar investieren will, nutzt es nichts, billige Millionen in den Betrieb zu blasen.

Umso bedenklicher, dass Anleger "quick fix" nicht mehr nur in den USA, sondern zunehmend auch von Europa fordern. Mit neuem Geld werden sich die Probleme in der Euro-Zone nicht abstellen lassen, jedenfalls nicht auf Dauer. Für die überschuldeten Länder etwa wird es langfristig nur eine Möglichkeit geben, zu Stabilität zurückzukehren: eine komplette Umstrukturierung der Haushaltspolitik, weniger Ausgaben, höhere Einnahmen sprich: Steuern. Das umzusetzen ist schwierig, denn längst hat man es nicht mit einer Wirtschafts-, sondern in gewissem Sinne mit einer kulturellen Reform zu tun. Wer seit Generationen gewöhnt ist, ab Mitte 50 mit vollen Bezügen in den Ruhestand zu gehen, der kann und will das nicht einfach aufgeben.

Reformen sind nicht einfach, sie sind nicht rasch durchzusetzen. Wandel braucht Zeit und ist schwierig - und das ist für die Märkte heutzutage ein Problem. An der Wall Street geht es darum, schnell Geld zu machen, möglichst in Hochfrequenz. Langfristiges Denken ist längst out, was die Unsicherheit und ungeheure Volatilität der letzten Monate erklärt.

Quelle: ntv.de

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