Kommentare

EZB in der Zwickmühle Die Zinswende kommt eigentlich zu früh

Ja, die Zinswende ist da. Aber weitere und zügige Zinssenkungen wird es wohl erst einmal nicht geben.

Ja, die Zinswende ist da. Aber weitere und zügige Zinssenkungen wird es wohl erst einmal nicht geben.

(Foto: IMAGO/greatif)

Die Europäische Zentralbank hält Wort – und senkt zum ersten Mal seit knapp fünf Jahren die Zinsen. Die Notenbank will damit Glaubwürdigkeit beweisen. Ein Trend, dass rasch weitere Zinssenkungen folgen, ergibt sich dadurch nicht. Im Gegenteil.

Hauptsache Wort halten und liefern. Das war wohl das Argument für die heute beschlossene Zinssenkung. Seit Monaten hatten EZB-Chefin Christine Lagarde und die übrigen Mitglieder des EZB-Rates den Zinsschritt in Aussicht gestellt. Die Märkte hatten seit Wochen mit der Entscheidung gerechnet. Ein "done deal" also. Die Sache war längst geritzt.

Den Notenbankern blieb kaum etwas anderes übrig. Eine andere Entscheidung wäre eine gehörige Überraschung gewesen. Und hätte, nach den zuvor aufgrund explodierender Inflationsraten viel zu späten Zinsanhebungen, weitere Zweifel an der Glaubwürdigkeit der EZB geschürt. Ein klassischer Fall von Zwickmühle also. Egal, wie man es macht, so richtig optimal ist es nicht.

Zwar ist das Inflationsniveau in den vergangenen Monaten deutlich gesunken. Aber: Zuletzt stiegen die Teuerungsraten im Euroraum wieder. Die Zinswende kommt deshalb eigentlich zu früh. Das Inflationsgespenst spukt weiter umher und ist längst nicht gebändigt. Was Verbraucher und Unternehmen belastet, Konsum und Firmeninvestitionen schwächt und dadurch die wirtschaftliche Entwicklung bremst.

Mit Blick auf die zuletzt angestiegenen Inflationszahlen wäre es nachvollziehbar gewesen, wenn die Notenbanker im Frankfurter Ostend die weitere Entwicklung abgewartet hätten. Den Inflationsanstieg in den Jahren 2021 und 2022 hatten die Währungshüter schließlich brutal unterschätzt. Bis damals die Zinsen angehoben wurden, ist ein ganzes Jahr vergangen. Das lange Zögern hat die massivste Geldentwertung seit Jahrzehnten erst möglich gemacht.

Zielwert der EZB aktuell nicht abzusehen

Dass die Inflationsraten bald wieder sinken, dafür spricht aktuell wenig. Die stark gestiegenen Preise haben sich längst verfestigt. Durch die zum Teil üppigen Tariferhöhungen entsteht ebenfalls Druck. Zuletzt haben sich die wirtschaftlichen Aussichten für Deutschland und die Eurozone verbessert.

Viele Firmen werden deshalb die höheren Lohnkosten auf ihre Produkte umschlagen und Möglichkeiten für weitere Preiserhöhungen nutzen. Dass sich die Inflation auf den Zielwert der EZB von mittelfristig zwei Prozent einpendelt, ist aktuell nicht abzusehen.

Und dass in den USA die Inflationsraten ebenfalls hoch sind und die dortige Notenbank mit Zinssenkungen wartet, sorgt für eine Zinsdifferenz, die den Euro gegenüber dem Dollar schwächen könnte. Kommt das so, werden Importe aus dem Dollarraum teurer – was die Inflation zusätzlich anheizt.

Ja, die Zinswende ist da. Aber weitere und zügige Zinssenkungen wird es wohl erst einmal nicht geben. Zumindest bis die Teuerungsraten auffallend sinken – was gegenwärtig nicht zu erkennen ist.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen