Zwischen Hoffnung und Angst Börsen stellen sich auf heißen Sommer ein
20.06.2020, 09:41 Uhr
Die lockere Geldpolitik der Notenbanken sorgt für steigende Kurse.
(Foto: imago images/Xinhua)
Das Prinzip Hoffnung dürfte den deutschen Aktienmarkt auch in der neuen Woche stützen. Trotz politischer Risiken und der im Hintergrund weiter schwelenden Furcht vor einer zweiten Corona-Welle ist das Börsenumfeld Experten zufolge prinzipiell weiter günstig.
An den Finanzmärkten steht ein heißer Sommer bevor. Die Furcht vor einer zweiten Welle in der Coronavirus-Pandemie auf der einen Seite und die Hoffnung auf ein rasches Anziehen der Wirtschaft dank der üppigen Konjunkturpakete auf der anderen Seite dürften die Kurse kräftig schwanken lassen.
Am Freitag hatte der Dax 0,4 Prozent zugelegt auf 12.330 Punkte und damit ein Wochenplus von mehr als drei Prozent erreicht - in der Vorwoche hatte er noch sieben Prozent verloren und in der Woche davor elf Prozent gewonnen.
"Wir erwarten für die nächsten Monate erratische Bewegungen", sagte Jens Herdack, Experte bei der Weberbank. "Den Investoren steht ein heißer Sommer bevor." Die zwischenzeitlichen Kursrückschläge der letzten Woche hätten erneut gezeigt, wie fragil die Erholung der Aktien noch sei und wie schnell das Vertrauen der Anleger nicht zuletzt vor dem Hintergrund hoher Bewertungen schwinden könne.
Gründe für die jüngste Erholung gebe es auf den ersten Blick wenige, sagte Claudia Windt, Analystin bei der Helaba: Das konjunkturelle Tief sei zwar in den USA, im Euroraum und in Deutschland überwunden. "Das sagt jedoch wenig darüber aus, wie stark die folgende Erholung ausfallen wird." Eine Gefahr gehe von einer zweiten Infektionswelle aus. "Allein dieses Risiko könnte nicht nur für eine anhaltende Investitions- und Konsumzurückhaltung sorgen, sondern auch mit Rückschlägen an den Kapitalmärkten einhergehen."
"Als Belastungsfaktor könnten sich die aktuell an Schärfe zunehmenden geopolitischen Konflikte zwischen China und Indien sowie Nord- und Südkorea erweisen, so Windt. Diese geopolitischen Scharmützel wie auch die steigenden Fallzahlen an Covid-19-Neuinfektionen in einigen US-Bundesstaaten, in Südamerika, China und anderen Ländern hielten die Nachfrage der Anleger nach als sicher geltenden Wertpapieren wie etwa deutschen Staatsanleihen aufrecht; im Gegenzug könnten Aktien eher gemieden werden.
"Markt braucht immer größere Dosen"
Um die Folgen der Pandemie abzumildern, haben Regierungen und Notenbanken weltweit billionenschwere Konjunkturpakete auf den Weg gebracht. Die überbordende Liquiditätsversorgung durch die Notenbanken dürfte wohl noch längere Zeit ein stützender Faktor für die Märkte sein, sagte Frank Klumpp, Aktienstratege bei der LBBW. Weberbank-Experte Herdack verwies jedoch darauf, dass die Märkte sehr nervös auf das kleinste Anzeichen einer nachlassenden Unterstützung durch die Notenbanken reagierten. "Der Markt braucht immer größere Dosen seiner Droge Liquidität und reagiert sofort mit extremen Entzugserscheinungen, sobald der Nachschub abzureißen droht."
Unter dem Strich eher zuversichtlich ist Analyst Markus Wallner von der Commerzbank. Die abflauende Angst der Investoren vor dem Coronavirus, weitere Lockerungen der Beschränkungen in vielen europäischen Ländern und insbesondere die weltweit extrem expansive Geldpolitik hätten den deutschen Leitindex zwar wieder deutlich steigen lassen, wodurch sich die Bewertung vieler Dax-Unternehmen spürbar erhöht habe. Doch eine breit angelegte Übertreibung sei noch nicht zu erkennen.
Mit Argusaugen dürften in diesem Zusammenhang die Börsianer auf die Konjunkturdaten blicken. In der kommenden Woche stehen unter anderem am Dienstag die Markit-Einkaufsmanagerindizes und am Mittwoch der Ifo-Index auf der Tagesordnung. Experten gehen davon aus, dass die Spitzenmanager sowohl die Geschäftslage als auch ihre Erwartungen günstiger einschätzen. "Der Dax dürfte jedoch bereits eine weitaus ausgeprägtere Erholung im Verlauf der kommenden Monate eingepreist haben, weshalb selbst eine deutlich bessere Einschätzung von Lage und Erwartungen in den Ifo-Indizes wohl nicht ausreichen wird, um den Aktienmärkten neue Aufwärtsimpulse zu geben", sagte LBBW-Experte Klumpp.
Lufthansa kämpft um Staatshilfe
Erstmals seit Gründung des Dax ist die Lufthansa ab Montag nicht mehr Mitglied in der ersten Börsenliga. Das von der Corona-Krise schwer getroffene Unternehmen muss der Deutschen Wohnen Platz machen. Die Rettung des Unternehmens entwickelt sich unterdessen zur Zitterpartie. Am Donnerstag steht die Hauptversammlung an, bei der die Anteilseigner dem Paket zustimmen müssen.
Der neue Lufthansa-Großaktionär Heinz Herrmann Thiele erklärte zuletzt, er lehne den vorgesehenen Einstieg des Staates bei der Airline ab. Die Lufthansa warnte, bei einem Nein Thieles zur dafür notwendigen Kapitalerhöhung könnte das Finanzpaket auf dem Aktionärstreffen durchfallen. Denn bei einer Aktionärs-Präsenz von weniger als 50 Prozent ist eine Zweidrittelmehrheit nötig.
Zudem werden im MDax die Aktien der Deutschen Pfandbriefbank durch die des Werbevermarkters Ströer ersetzt. Auch im Nebenwerteindex SDax findet ein Stühlerücken statt.
Quelle: ntv.de, jga/rts/dpa