Wall Street mit Kursgewinnen Dax erholt sich
11.07.2016, 22:18 Uhr
(Foto: REUTERS)
Das Thema Brexit ist für Anleger zumindest vorübergehend aus der ersten Reihe zurückgetreten. Die solide US-Konjunktur sowie das Öffnen der Firmenbücher mit den Zweitquartalszahlen zieht die größere Aufmerksamkeit auf sich.
Mit einem neuen Allzeithoch des S&P-500 im Rücken geht es an Europas Börsen aufwärts. Zur positiven Stimmung trägt Börsianern zufolge auch zweierlei bei: Gute Arbeitsmarktdaten aus den USA und eine Rally der Tokioter Börse. Der klare Sieg der Koalition des Ministerpräsidenten Shinzo Abe bei den Parlamentswahlen schüre Hoffnungen auf weitere Programme zur Ankurbelung der japanischen Konjunktur, heißt es.
"Die Wahl war vor allem als Votum über den wirtschaftspolitischen Kurs der Regierung verstanden worden", sagt Commerzbank-Analyst Ulrich Leuchtmann. Abe werde nun sicher an seiner schuldenfinanzierten Konjunkturpolitik - 'Abenomics' genannt - festhalten.
Der Dax gewinnt 2,1 Prozent auf 9833 Punkte, während der MDax 2,2 Prozent auf 20.173 Zähler zulegt. Auch für die Technologietitel geht es aufwärts, der TecDax steigt 1,6 Prozent auf 1636 Punkte. Für den EuroStoxx50 geht es um 1,5 Prozent auf 2881 Zähler nach oben. "Die Brexit-Sorgen können uns jederzeit wieder einholen", sagt Katja Dofel, die für n-tv von der Frankfurter Börse berichtet. "Denn man weiß nicht, welche wirtschaftlichen Folgekosten entstehen." Doch momentan hofften die Anleger auf Konjunkturhilfen der Notenbanken wie etwa von der Bank of England. Notenbank-Chef Mark Carney hatte entsprechende Schritte bereits signalisiert. Er berät mit seinen Kollegen am Donnerstag darüber.
Die Klärung der Nachfolge des britischen Premierministers David Cameron gibt der Londoner Börse und dem Pfund Sterling einen Extra-Schub. Nach dem Verzicht von Andrea Leadsom ist Innenministerin Theresa May alleinige Kandidatin und wird aller Voraussicht nach neue Vorsitzende der Konservativen und damit Premierministerin. Das Pfund Sterling steigt zeitweise auf 1,30 Dollar. Vor dem Rückzug Leadsoms hatte das Pfund bei 1,2920 Dollar gelegen. Der Euro notiert um die Marke von 1,1050 Dollar seitwärts. Der Londoner "Footsie" legt 1 Prozent auf ein Elf-Monats-Hoch von 6654 Punkten zu.
May hatte sich anders als Leadsom während des Brexit-Wahlkampfes für einen Verbleib in der EU stark gemacht, hat aber inzwischen klargestellt, das Brexit-Votum respektieren und umsetzen zu wollen.
Aufspaltung bei Alcoa im Blick
Die Wall Street präsentiert sich fester. Der Dow Jones der Standardwerte legte 0,4 Prozent auf 18.226 Punkte zu. Der breiter gefasste S&P-500 stieg 0,3 Prozent auf 2137 Zähler. Der Index der Technologiebörse Nasdaq rückte 0,6 Prozent auf 4988 Punkte vor.
Bei Alcoa stand neben den Quartalszahlen vor allem die geplante Aufspaltung im Fokus. Der Konzern wird unter dem Namen Arconic weitergeführt und fokussiert sich auf die relativ schnell wachsenden Bereiche Luftfahrt und Automobil. Dagegen wird das abgespaltene Unternehmen weiter Alcoa heißen und künftig die Bereiche unter einem Dach vereinigen, die eng an die - derzeit schwachen - Aluminiumpreise gekoppelt sind. Doch erfuhr Alcoa wenig Zuspruch für seine Abspaltungspläne. Die Aktien kamen seit der Bekanntgabe der Pläne im September kaum vom Fleck. Im Vorfeld des Zahlenausweises kletterte der Kurs um 3,3 Prozent.
Boeing stiegen um 1,5 Prozent. Das britische Militär hat einen Großauftrag über mehr als 6 Milliarden Dollar platziert. Zudem will Donghai Airlines 30 Maschinen für 4 Milliarden Dollar bestellen, Standard Chartered hat zehn Maschinen geordert. Der US-Flugzeughersteller erwartet in den kommenden 20 Jahren zudem eine stärkere Nachfrage nach Verkehrsflugzeugen.
Kinder Morgan zogen um 3,7 Prozent an. Der Betreiber von Infrastruktur für die Energiewirtschaft will Anteile an einer Gaspumpleitung für 1,47 Milliarden Dollar veräußern. Twitter gaben um 2,0 Prozent nach, nachdem die Analysten von Monness Crespi Hardt die Titel des Kurznachrichtendienstes abgestuft hatten. Starbucks ermäßigten sich um 0,3 Prozent. Die Kaffeehauskette plant wegen des knapper werdenden Arbeitskräfteangebots in den USA Gehaltserhöhungen.
Thyssenkrupp legen kräftig zu
Thyssenkrupp führen die Gewinnerliste im Dax mit einem Plus von 6,4 Prozent an. Das Unternehmen führt mit dem indischen Konkurrenten Tata Gespräche über einen Zusammenschluss des europäischen Stahlgeschäfts, das unter Überkapazitäten und Billig-Importen leidet. "Wir haben immer gesagt, dass wir aufgrund der extrem angespannten wirtschaftlichen Situation eine Konsolidierung der europäischen Stahlindustrie für erforderlich halten", teilte Thyssenkrupp in einem Statement mit. "Wir haben auch immer gesagt, dass in einer solchen Situation jeder mit jedem spricht - unter anderem sprechen wir auch mit Tata Steel." Ob, wann und mit wem eine Konsolidierung erfolge, sei weiterhin offen.
RWE verteuern sich um 1,5 Prozent. Händler führen das auf eine Hochstufung zurück. Jefferies hatte den Versorger auf die Kaufliste genommen und das Kursziel auf 17 von 13 Euro erhöht.
Im Blick stehen vor Beginn der Luftfahrt-Show in Farnborough Airbus. Die Aktie steigt 2,5 Prozent, nachdem das Unternehmen milliardenschwere Flugzeugbestellungen erhalten hat.
Jungheinrich legen 6,3 Prozent zu. Der Gabelstaplerhersteller hat den Ausblick trotz des hohen Geschäftsanteils Großbritanniens bestätigt, weil das Geschäft in Spanien noch besser als erwartet läuft.
Problemkinder bleiben indes die Banken. Erst eine durchgreifende Erholung der Branchen dürfte den Weg nach oben auch mittelfristig öffnen. "Was zum Jahresbeginn die Ölwerte waren, sind nun die Bankenaktien", sagt ein Händler. Die Deutsche Bank sehe für die europäische Branche einen Kapitalbedarf von 166 Milliarden Euro.
Ölpreis auf Zweimonatstief
Sorgen vor einem Überangebot traten bei den Ölpreisen wieder auf den Plan und ließen diese auf den tiefsten Stand seit zwei Monaten purzeln. So hatte das Ölunternehmen Baker Hughes am Freitag bereits den fünften Anstieg bei den in den USA aktiven Förderstätten in den vergangenen sechs Wochen bekannt gegeben. "Jeder Hinweis, dass Ölproduzenten in den USA ihre Produktion ausweiten, dürfte belasten, da die globalen Aussichten für die Nachfrageentwicklung weiter unsicher sind", sagte Analyst Gao Jian von SCI International. Ein Barrel US-Leichtöl der Sorte WTI verbilligte sich um 1,4 Prozent auf 44,76 Dollar, für Brent ging es um 1,1 Prozent auf 46,25 Dollar nach unten. Der irakische Opec-Vertreter Falah al-Amri sah den Ölpreis kurzfristig unter Druck, sollte das Erdölkartell seine Strategie zur Verteidigung von Marktanteilen nicht aufgeben. Die Opec hatte ihre Fördermenge auf den höchsten Stand seit rund acht Jahren getrieben.
Der Goldpreis ermäßigte sich den dritten Tag in Folge und gegenüber dem späten Freitagshandel um 1,0 Prozent auf 1.354 US-Dollar. Händler verwiesen auf die Dollarstärke zum Yen, der Gold für Anleger in Japan teurer machte.
Abes Wahlsieg schürt Hoffnungen
An den asiatischen Märkten feierten Anleger noch den starken US-Arbeitsmarktbericht nach. Am Freitag war berichtet worden, dass in Amerika im Juni 287.000 neue Stellen geschaffen wurden. Das war nicht nur deutlich mehr als erwartet, sondern auch der kräftigste Jobschub seit Oktober. Vor allem auch wegen der extrem schwachen Mai-Daten zeigten sich die Anleger erleichtert.
Angeführt wurde die Rally von Japans Nikkei mit einem Plus von 4 Prozent, das war der höchste Tagesgewinn seit vier Monaten. Hier stützte zusätzlich das Ergebnis der Wahl zum Oberhaus, bei der die Regierungskoalition unter Führung von Premierminister Shinzo Abe eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Sitze gewonnen hat. Das beseitigt die politische Unsicherheit in dem Land und schürt zugleich die Hoffnung auf Stimulierungsmaßnahmen durch die Regierung. Markt hofft auf Stimuli in Japan
"Das Konjunkturpaket dürfte üppig ausfallen", sagte Fondsmanager Mitsushige Akino von Ichiyoshi Asset Management. Von einem möglichen "Mega-Fiskal-Paket" im Herbst sprach Aktienstratege Frank Benzimra von der Societe Generale. Am Markt kursieren Spekulationen über Maßnahmen im Volumen von 20 Billionen Yen, das wären 200 Milliarden Dollar. Auch sehr schwach ausgefallene Maschinenbauaufträge im Mai in Japan hielten die Fantasie für Stimulierungsmaßnahmen wach.
Bau- und Immobilienwerte standen oben auf den Kauflisten. Taisei stiegen um 6,4 Prozent, bei Mitsui Fudosan betrug das Plus 6 Prozent.
Unter den übrigen Einzelwerten sprangen Panasonic um 7,9 Prozent nach oben. Der Konzern macht sich trotz des tödlich verlaufenen Unfalls mit einem Tesla im Mai keine Sorgen um sein Batteriegeschäft und die Zusammenarbeit mit dem Elektroautobauer. Die Einnahmen aus dem Verkauf von Fahrzeugbatterien an Tesla und andere würden sich in den nächsten drei Jahren auf rund 4 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppeln, erwartet Panasonic.
Nintendo gewannen knapp 25 Prozent, weil das neue Smartphone-Spiel Pokémon Go des Konzerns gut ankommt. In den USA und in Australien steht das kostenlose Spiel jeweils auf den oberen Plätzen in den Charts der am häufigsten heruntergeladenen Apps.
Kyushu Electric Power fielen um 7,5 Prozent, nachdem ein neuer Gouverneur in Kagoshima gewählt wurde, der sich für ein vorübergehendes Aussetzen der Atomreaktoren ausgesprochen hat, um Sicherheitsüberprüfungen vorzunehmen. Kyushu Electric betreibt in Kagoshima einen Atomreaktor.
Auch ein Börsengang stand im Zentrum des Geschehens. Der Nachrichten-App-Konzern Line Corp. hat den Emissionspreis für sein IPO mitgeteilt, er liegt mit 3.300 Yen je Aktie am oberen Ende der geplanten Spanne. Damit wird das Unternehmen 1,14 Milliarden Dollar erlösen. Die Aktie wird in New York und Tokio gelistet werden, die ersten Handelstage sind Donnerstag und Freitag.
Yen bröckelt im Späthandel
Zunächst erfolgten die Gewinne am Aktienmarkt trotz eines Yen, der auf seinen jüngsten Hochständen verharrte, was üblicherweise Sorgen über die Exportstärke des Landes weckt. Im späten Geschäft begann die japanische Devise dann aber zu bröckeln, was den Aktieninvestoren ein zusätzliches Kaufargument lieferte. Ein Börsianer sagte, angesichts der gestiegenen Risikofreude sei der Yen als sicherer Hafen weniger gefragt gewesen. Kurz vor dem Börsenschluss in Japan kletterte der Dollar bis auf 101,50 Yen nach einem Tagestief, das rund 1 Yen darunter lag.
In China waren es vor allem der Rohstoffsektor und der Sektor für langlebige Konsumgüter, die die Indizes stützten. Der Aktienmarkt in Shanghai legte nach zunächst stärkeren Gewinnen schließlich aber nur noch 0,3 Prozent zu. Möglicherweise lastete etwas die Schwäche des Yuan, der auf einem Fünfeinhalbjahrestief zum Dollar verblieb. Wenig beachtet wurden die Daten zur Verbraucherinflation, die mit einem Plus von 1,9 Prozent etwas unter der Mai-Teuerung von 2 Prozent lagen.
Eine politische Entspannung zeichnete sich auch in Australien ab, wo es um 1,7 Prozent nach oben ging. Mehr als eine Woche nach der Parlamentswahl in Australien hat sich Premierminister Malcolm Turnbull zum Sieger erklärt. Turnbull reagierte damit auf das Eingeständnis der oppositionellen Labor-Partei, die Wahl am Samstag vergangener Woche verloren zu haben. Zu den Favoriten am Aktienmarkt gehörten Finanz- und Rohstoffwerte. Die vier großen Bankenwerte gewannen zwischen 2,3 und 3,5 Prozent. Die Minenwerte legten in einem ähnlichen Ausmaß zu.
Quelle: ntv.de, jga/jwu/DJ/rts/dpa