Fest im Griff der Schuldenkrise Dax fährt Achterbahn
07.11.2011, 18:00 UhrAnleger am deutschen Aktienmarkt erleben zum Wochenauftakt einmal mehr ein Wechselbad der Gefühle. Für Aufsehen sorgen Gerüchte über einen bevorstehenden Rücktritt Berlusconis, der die Kurse aber nur kurze Zeit befeuert. Im TecDax sorgt ein spektakulärer Kurseinbruch bei Drillisch für Schweißausbrüche bei Anlegern.
Die Angst vor einem Übergreifen der Euro-Krise auf Italien hat am Montag an den internationalen Finanzmärkten für Nervosität gesorgt. Neue Rekordrenditen italienischer Staatsanleihen sorgten zunächst für deutlich fallende Kurse. Die Aussicht auf einen Rücktritt von Premier Berlusconi katapultierte den Markt kurzzeitig ins Plus. Am Ende war nach einem Dementi von der Herrlichkeit aber nicht mehr viel übrig. "Kein Mensch kann beurteilen, wie es in Rom weitergehen wird", fasste ein Händler zusammen.
Der Dax beendete den ersten Handelstag der Woche mit einem Minus von 0,6 Prozent bei 5928,68 Punkten. Der MDax verlor 0,5 Prozent auf 9032,78 Punkte. Der TecDax brach um 2,4 Prozent auf 689,60 Zähler ein.
Am Gesamtmarkt blieb die Zukunft der Euro-Zone das alles beherrschende Thema. "Der Fokus liegt auf Italien", sagte Christopher Potts, Stratege bei Cheuvreux. Die entscheidende Frage sei, wer nach Berlusconi übernehme. Am Dienstag steht in Rom eine Parlamentsabstimmung über die öffentlichen Finanzen an, über deren Ausgang die Regierung von Berlusconi stürzen könnte. Ein Ende der Ära Berlusconi würde von den Märkten als Signal für nachhaltige Reformen bewertet, sagte Birgit Figge, Analystin bei der DZ Bank. "Die Hoffnung ist, dass mit dem Rücktritt Berlusconis eine breite Reform- und sparwillige Mehrheitsregierung entsteht oder eine Regierung, an der auch der derzeitige Finanzminister Giulio Tremonti beteiligt ist, der als besonders stabilitätsorientiert gilt", fügte Figge hinzu. In Mailand schloss der Leitindex 1,3 Prozent höher. Die Aktien der italienischen Banken - Unicredit und Intesa San Paolo - zogen um zwei bis drei Prozent an.
Daneben schwelte die Unsicherheit über die Zukunft Griechenlands weiter: Ministerpräsident Giorgos Papandreou macht Platz für eine Übergangsregierung, die voraussichtlich vom früheren EZB-Vizepräsident Lucas Papademos geleitet wird. "Das ist ein angesehener Ökonom, das wäre eine gute Entwicklung", sagte ein Händler. In Athen reagierte die Börse positiv: der lokale Bankenindex schloss 2,9 Prozent, der Athener Leitindex 1,4 Prozent höher.
Anleger honorieren Bayer-Durchbruch
Angesichts der turbulenten Nachrichtenlage wechselten viele Dax-Papiere während des Handelstages ihr Vorzeichen. Unter den wenigen Konstanten verbuchten die Aktien von Bayer zu Handelsschluss ein Plus von 2,5 Prozent. Die Papiere reagierten damit auf den langersehnten Durchbruch des neuen Schlaganfall-Mittels Xarelto in den USA. Die US-Gesundheitsbehörde FDA hatte der Bayer-Tablette am Freitag überraschend ohne nennenswerte Einschränkungen und Warnhinweise grünes Licht gegeben.
Was des einen Freud, ist des anderen Leid: Am unteren Indexende gaben die Aktien von Merck 4,1 Prozent ab. Händler erklärten dies mit Umschichtungen in die Aktien von Bayer. Nach dem starken Anstieg der Vorwochen erscheine die Merck-Aktie etwas ausgereizt.
Metro verbilligten sich um 2,1 Prozent und hatten damit die "rote Laterne" im Dax inne. Der Einzelhandel im Euroraum hat sich im September schwächer entwickelt als erwartet. Laut Statistikbehörde Eurostat sanken die Umsätze um 0,7 Prozent gegenüber dem Vormonat. Volkswirte hatten nur mit einem Rückgang um 0,1 Prozent gerechnet.
Bankenkurse zappeln
Besonders starke Kursschwankungen verzeichneten die Papiere von Unternehmen aus dem Finanzsektor. Die Deutsche Bank, zu Handelsstart noch größter Verlierer und zwischenzeitlich bis in die Gewinnzone vorgedrungen, ging mit einem Minus von 0,6 Prozent aus dem Handel. Die Commerzbank, über lange Strecken des Handels deutlich im Plus, beendete den Handel mit einer Punktlandung unverändert auf dem Schlusskurs des Freitagshandels. Unter den Versicherungstiteln gaben Allianz bis Handelsschluss 1,1 Prozent nach. Munich Re verloren 0,6 Prozent.
Im MDax rückten Axel Springer nach dem Bericht über die Geschäftsentwicklung im dritten Quartal um 11,5 Prozent vor. Die Zahlen bewegten sich deutlich über den eigenen wie auch den Konsensschätzungen, sagt Silvia-Quandt-Analystin Sonia Rabussier. Der Konzern habe von der starken Umsatz- und Margenentwicklung im Bereich Digital wie auch einer Stabilisierung im traditionellen Zeitungsgeschäft profitiert. Die Umwandlung von einem traditionellen Print- hin zu einem multimedialen Konzern mit starken digitalen Inhalten schreite erfolgreich voran.
Rekordsturz bei Drillisch
Die Entscheidung der Telekom, die Zusammenarbeit mit dem Mobilfunk-Dienstleister Drillisch aufzukündigen und das Unternehmen wegen angeblichen Betrugs anzuzeigen, ließ die Anleger in großen Scharen aus den Drillisch-Papieren fliehen. Zeitweise verloren die im TecDax gelisteten Titel mehr als 61 Prozent. Zum Handelsschluss lagen Drillisch immer noch mit einem Schlusskurs von fünf Euro 40 Prozent im Minus. Das Unternehmen wies die Vorwürfe entschieden zurück und bestätigte seine Prognose.
"Wenn ein Goliath wie die Telekom die Zusammenarbeit beendet und ein Unternehmen verklagt, dann weiß niemand, was das noch für Folgen haben kann", fasste ein Händler zusammen. Auch die ebenfalls im TecDax gelisteten Aktien von Freenet - Drillisch hält 22 Prozent an Freenet - brachen um neun Prozent ein.
Quelle: ntv.de, nne/DJ