Von Ratingsorgen keine Spur Dax schließt klar im Plus
16.01.2012, 18:00 Uhr
Martin Luther Kings Geburtstag jährt sich am 15. Januar: Doch wenn ein Feiertag auf einen Sonntag fällt, bleiben die US-Börsen montags geschlossen.
(Foto: REUTERS)
Die Zweifel an der Finanzkraft Frankreichs lösen am deutschen Aktienmarkt keine neuen Turbulenzen aus. "Die Ratingagenturen haben ihren Schrecken verloren", heißt es aus Frankfurt. Eine Auktion französischer Anleihen verläuft reibungslos. In Deutschland blicken Anleger auf zum Teil kräftige Kursgewinne.

Händler in Frankfurt: Erst am späten Nachmittag wagen sch die Anleger aus der Deckung.
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Der deutsche Aktienmarkt hat nach dem Rundumschlag von Standard & Poor's (S&P) gegen die Eurozone allen Unkenrufen getrotzt. Der Dax baute seine Gewinne im Handelsverlauf aus und ging am Abend 1,25 Prozent höher bei 6220,01 Punkten aus dem Handel. Damit blieb er nur knapp unter seinem Tageshoch. Der MDax mittelgroßer Werte gewann 0,89 Prozent auf 9571,62 Punkte. Der TecDax stieg um 1,02 Prozent auf 725,18 Punkte.
Händler berichteten von einem ruhigen Tag bei dünnen Umsätzen. Impulse aus den USA waren nicht zu erwartet: Wegen eines Feiertags bleiben die US-Börsen zu Wochenbeginn geschlossenen. Die Anleger mussten ohne Vorgaben von der Wall Street auskommen.
Die befürchteten Turbulenzen blieben aus: Experten verwiesen auf Eindeckungen von Marktteilnehmern, die zuvor auf fallende Kurse gesetzt hätten, sowie eine positiv verlaufene Auktion französischer Geldmarktpapiere. Frankreich hatte am Freitagabend ebenso wie Österreich seine Top-Bonitätsnote bei in der Bewertung von S&P verloren. Zudem wurde sieben weiteren Mitgliedern der Eurozone eine schlechtere Kreditwürdigkeit als bisher bescheinigt.
"Die Frankreich-Auktionen sind sehr gut aufgenommen worden", sagte Marktanalyst Robert Halver von der Baader Bank. Der Einfluss der Rating-Herabstufungen lasse offenbar nach. "Viel bedeutsamer ist es, dass die EZB sich wohl ein Beispiel an den Notenbanken in Japan, Großbritannien und den USA nimmt und die Märkte - wenn auch indirekt - mit Liquidität flutet. : Die EZB lässt die prekären Staatsanleihemärkte nicht sinken." Laut Händlerin Anita Paluch von Gekko Markets war der Schritt von S&P ohnehin erwartet worden. Viel wichtiger sei, welche Auswirkung die Herabstufung auf den Rettungsfonds EFSF haben werde.
Der Leitindex in Paris verzeichnete ebenfalls Gewinne, die Wiener Börse schloss unverändert. Alle Börsenbarometer hatten wegen der Spekulationen auf eine unmittelbar bevorstehende Herabstufungswelle am Freitag schon verloren. "Die Ratingagenturen haben ihren Schrecken verloren", sagte ein Aktienhändler in Frankfurt. Das Kursplus an der Börse erinnere ihn an eine Trotzreaktion. "Da außerdem die amerikanischen Aktienmärkte heute geschlossen bleiben, kann von dort kein Abgabedruck kommen. Also halten wir uns bei dünnen Umsätzen im Plus."
Nach S&P äußerte sich mit Moody's eine weitere Ratingagentur zur Kreditwürdigkeit Frankreichs. Die Entwicklung der staatlichen Schulden und potenzielle Ausgaben für weitere Krisenhilfen in Europa setzten den stabilen Ausblick für die Kreditwürdigkeit des Landes unter Druck, hieß es. Die Agentur hielt zunächst am Top-Rating "AAA" für Frankreich fest, kündigte aber an, noch im ersten Quartal eine neue Einschätzung zu Frankreich vorlegen zu wollen.
Unter den Einzelwerten ragten vor allem Automobiltitel heraus: Daimler-Papiere profitierten von einer Hochstufung durch Goldman Sachs sowie anderen positiven Analystenkommentaren und gingen mit plus 3,6 Prozent als Spitzenreiter im Leitindex aus dem Handel. BMW gewannen 2,6 Prozent. VW-Vorzugsaktien legten 2,3 Prozent zu.
Die Gläubiger-Verhandlungen in Griechenland lenkten Aufmerksamkeit der Anleger auf die Banken: Commerzbank, die im Tagestief zeitweise 2,1 Prozent verloren, schlossen knapp 1 Prozent im Plus bei 1,43 Euro. Deutsche Bank beendeten den Tag nach mehrmaligem Vorzeichenwechsel 0,9 Prozent fester bei 29,22 Euro. Die Hoffnung auf eine Entspannung der neuerlichen Griechenland-Krise habe Erleichterung ausgelöst, hieß es am Markt. "Papademos sieht die Regierung nahe an einer Einigung mit den Gläubigern", meinte ein Händler. "Das führt nun auch zu Käufen in den Banken", ergänzte er.
Nach Einschätzung des US-Instituts Bank of America/Merrill Lynch hat die S&P-Herabstufung Frankreichs und Österreichs für europäische Banken eher "symbolischen Wert". Viele Geldhäuser seien zwar vom Interbankenhandel abgeschnitten, aber ihre Finanzlage habe sich durch die Unterstützung der Geldpolitik spürbar gebessert. Die EZB hatte den Instituten im Dezember massiv Mittel zur Verfügung gestellt, um den Bankenhandel wieder in Schwung zu bringen. Der europäische Bankenindex legte um 0,6 Prozent zu.
In der kommenden Woche will die Troika aus Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Union (EU) und Europäischer Zentralbank (EZB) in Athen einen neuen Versuch starten, eine Einigung über Hilfen für das gegen die Staatspleite kämpfende Griechenland herbeizuführen. Dabei geht es insbesondere um die Einbindung der privaten Gläubiger des Landes. "Nur wenn eine schnelle Lösung für Griechenland gelingt, wird die aktuelle Entspannung anhalten", prognostiziert Helaba-Analystin Claudia Windt. Zuletzt waren die Verhandlungen allerdings ins Stocken geraten.
Belastet von negativen Signalen des Konkurrenten Holcim sackten die Aktien von Heidelbergcement am Dax-Ende 3,3 Prozent ab.
Im MDax beruhigte sich der Kurs bei Heidelberger Druckmaschinen. Die Aktien gingen nach zeitweise deutlich kräftigeren Verlusten 3,2 Prozent schwächer aus dem Handel. Händler verwiesen auf den insolventen Konkurrenten Manroland. Ein Händler sagte, mit einer Zerschlagung von Manroland sei das Problem der Überkapazitäten kaum aus dem Markt zu bekommen. Im TecDax kletterten Kontron-Titel nach positiv aufgenommenen Zahlen um mehr als 7 Prozent an die Spitze des Technologieindex.
Frankreich bekommt Kredit
Die mit Laufzeiten zwischen 12 und 51 Wochen verlief unspektakulär. Die von Investoren verlangte Rendite für die Geldmarktpapiere ging leicht zurück. Auch der Anstieg der Renditen und Risikoaufschläge (Spreads) der bereits gehandelten österreichischen, italienischen und spanischen Papiere hielt sich in Grenzen.
Nach Aussage von Händlern stützte allerdings die EZB die Kurse italienischer und spanischer Titel. Die Absicherung gegen einen Zahlungsausfall dieser Staaten per Credit Default Swap (CDS) verteuerte sich leicht, wie der Datenanbieter Markit mitteilte. Ein erneuter Run auf Bundesanleihen blieb aus. Der Bund-Future hielt sich mit 139,93 Punkten in Reichweite seines Rekordhochs vom Freitag.
Der Euro kostete mit 1,2677 Dollar etwas mehr als zum New Yorker Handelsschluss. Die Gemeinschaftswährung hatte am Freitag allerdings rund eineinhalb US-Cent eingebüßt. "Ich sehe für den Euro in den kommenden Wochen wenig Aufwärtspotenzial", sagte Niels Christensen, Währungsstratege bei Nordea. "Es gibt noch immer zu viele Negativschlagzeilen und zu viele Unsicherheiten."
Dem Analysten Jacques Cailloux von der Royal Bank of Scotland (RBS) zufolge steht Europa durch den S&P-Rundumschlag vor der Frage, ob das "AAA"-Rating der Rettungsfonds EFSF und ESM verteidigt werden soll. Dann müssten die Staaten entweder ihre Finanzzusagen aufstocken oder mehr Geld als Sicherheit in der Hinterhand behalten. Cailloux' Berechnungen zufolge könnten in diesem Fall der EFSF 169 Mrd. Euro und der ESM 200 Mrd. Euro weniger für Stützungskäufe ausgeben als bislang geplant. Die Bundesregierung sieht indes keine Notwendigkeit, EFSF und ESM aufzustocken. Die Rendite des zehnjährigen EFSF-Bonds stieg leicht auf 3,170 Prozent.
Quelle: ntv.de, mmo/DJ/dpa/rts