Infineon-Aktie bricht ein Dax schließt knapp im Plus
26.06.2012, 18:00 Uhr
Hektik am Nachmittag: Was ist bei Infineon los?
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Erholung nach den schweren Kursverlusten am deutschen Aktienmarkt fällt schmal aus: Anleger kämpfen mit der Unsicherheit vor dem großen EU-Gipfel. Konjunkturdaten aus Europa trösten die Anleger nur wenig. Die Lage für Spanien wird immer schwieriger. Kurz vor Handelsschluss sorgt Infineon für Aufregung.
Zwei Tage vor dem Start des EU-Gipfels geht der deutsche Aktienmarkt ohne klare Richtung aus dem Handel: Der Leitindex Dax schloss nach den schweren Kursverlusten des Vortages trotz aller Euro-Sorgen und dem Wirbel um Infineon mit einem leichten Plus. Das Börsenbarometer lag zum Handelsende 0,07 Prozent fester bei 6136,69 Punkten. Schwindende Hoffnungen vor dem EU-Gipfel hatten den deutschen Leitindex am Vortag um gut zwei Prozent gedrückt. Für den MDax mittelgroßer Werte ging es am Dienstag um 0,61 Prozent auf 9963,21 Punkte abwärts. Der Technologie-Auswahlindex TecDax verlor 0,91 Prozent auf 718,91 Punkte.
Nach einem verhältnismäßig ruhigen Verlauf sorgte eine am späten Nachmittag für Aufregung: Der Dax-Konzern rechnet nun für das laufende dritte Geschäftsquartal mit einem im Vergleich zum Vorquartal leicht rückläufigen Umsatz und einer niedrigeren Marge. Die Prognosesenkungen kämen "vollkommen überraschend", meinten Händler. Der Konzern habe erst auf einer Konferenz am 12. Juni selbstbewusste Töne angeschlagen. Es sei zu befürchten, dass weitere folgen könnten. Die Aktien des Chip-Lieferanten brachen jäh ein und beendeten den Handelstag mit einem Abschlag von 11,8 Prozent auf 5,35 Euro.
Ansonsten stand der Tag weitgehend im Zeichen des bevorstehenden EU-Gipfels: In Frankfurt setzten die Indizes am Morgen sogar zu einer vorsichtigen Erholung an. Händlern zufolge nahm eine schwache Anleiheauktion in Spanien den Anlegern am Vormittag allerdings wieder den Mut. "Das Interesse, die Geldmarktpapiere zu kaufen, war nur sehr gering", sagte ein Börsianer. Anleger vermieden es, vor dem am Donnerstag startenden Gipfel neue Risiken einzugehen. Die Anleiheversteigerung in Italien sei allerdings dann nicht ganz so schlecht ausgefallen.
Die Herabstufung kam dagegen nicht überraschend. Stratege Berndt Fernow von der Landesbank Baden-Württemberg sagte: "Die Mehrzahl der Anleger sieht keine Lösung der Euro-Krise. Somit ist eine große Skepsis gegenüber Aktien der Eurozone schon eingepreist."
An der Spitze des Leitindex hielten sich die Aktien der Energieversorger Eon und RWE mit Aufschlägen von zeitweise deutlich mehr als 3 Prozent. Händler verwiesen auf eine allgemein positive Branchenstudie von Merrill Lynch. Die Aktien der Commerzbank schlossen nach zeitweiligen Aufschlägen 2,2 Prozent im Minus. Deutsche Bank lagen wenig verändert 0,2 Prozent fester bei 27,44 Euro.
Sorgen um die Entwicklung des wichtigen chinesischen Marktes drückten die Aktien der Autobauer in die Verlustzone: Der europäische Branchenindex war mit minus 1,44 Prozent der schwächste Sektor. Die Vorzüge von Volkswagen gaben 0,4 Prozent ab. Daimler-Papiere verbilligten sich um 1,4 Prozent. Einem Bericht zufolge plant die chinesische Regierung derzeit keine Maßnahmen zur Stimulierung der heimischen Autonachfrage. Zwar sollen Autokäufer in ländlichen Gebieten unterstützt werden, ein staatliches Programm wie 2009 stehe aber nicht zur Debatte. BMW-Aktien litten zusätzlich unter einer Abstufung durch die Citigroup. Sie verloren als zeitweiliges Dax-Schlusslicht 2,2 Prozent.
Die von Kolbenschmidt Pierburg (KSPG) stößt bei Markteilnehmern auf Verständnis. "Ein IPO der Automobilsparte von Rheinmetall wäre angesichts der angespannten Börsenlage keine gute Idee gewesen. Das Unternehmen hätte wohl hohe Abschläge auf seine Preisvorstellungen in Kauf nehmen müssen", meinte ein Analyst. Bedauerlich sei der Schritt trotzdem. "Ein erfolgreicher Börsengang hätte deutlich gemacht, wie günstig die Rüstungssparte bewertet ist," sagt der Analyst. Die im MDax notierten Aktien von Rheinmetall schlossen 1,6 Prozent im Minus.
Im Kurs von Rhön-Klinikum spiegelte sich dagegen nach Einschätzung von Händlern weiter eine gewisse Skepsis, ob die geplante Übernahme durch Fresenius funktionieren wird. Der Konzern aus Bad Homburg hatte Mitte Mai ein Übernahmeangebot für 22,50 Euro je Aktie unterbreitet. Momentan liegt der Kurs bei 21,12 Euro. "Natürlich muss das noch kein Scheitern bedeuten, aber die Zeit wird knapp", meinte ein Marktteilnehmer. Bis zum 27. Juni will Fresenius mindestens 90 Prozent plus eine Aktie der Krankenhauskette übernehmen, hat bislang aber nur rund 30 Prozent angedient bekommen.
Der Eurostoxx50 schloss 0,12 Prozent tiefer bei 2128,20 Punkten. Die Leitindizes in London und Paris gaben ebenfalls nach. In den USA stand der Dow Jones Industrial zum Zeitpunkt des europäischen Börsenschlusses mit minimalen 0,02 Prozent im Minus.
Am Rentenmarkt verharrte die durchschnittliche Rendite der börsennotierten Bundeswertpapiere 1,22 (Vortag: 1,22) Prozent. Der Rentenindex Rex fiel um 0,01 Prozent auf 133,41 Punkte. Der Bund-Future verlor 0,25 Prozent auf 141,71 Punkte. Der Kurs des Euro fiel. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,2475 (1,2488) fest. Der Dollar kostete damit 0,8016 (0,8008) Euro.
Bonds aus Madrid und Rom
Mit Spannung beobachteten Händler die Reaktionen der Anleger auf die Anleiheauktion in Spanien: An den Devisenmärkten fiel der Euro unter die Marke von 1,25 US-Dollar. Marktstratege Berndt Fernow von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) sagte: "Die Mehrzahl der Anleger sieht keine Lösung der Euro-Krise. Somit ist eine große Skepsis gegenüber Aktien der Eurozone bereits eingepreist."
Italien emittierte bei einer eigenen Auktion Staatsanleihen mit besonderen Ausstattungsmerkmalen am oberen Rand der zuvor genannten Platzierungsspanne. Bei den ausgegebenen Nullkuponanleihen beziehungsweise inflationsindexierten Titeln handelte es sich um Aufstockungen früherer Emissionen aus den Jahren 2010, 2011 und 2012. Das italienische Schatzamt hatte im Vorfeld der Transaktion ein Emissionsumfang von 2 bis 3 Mrd. Euro für die Nullkuponanleihe angepeilt. Für die beiden inflationsindexierten Titel war ein Gesamtvolumen von 0,5 bis 1 Mrd. Euro genannt worden. Anleger verlangten dabei mit 4,712 Prozent etwas höhere Renditen als bei den vorangegangenen Emissionen (4,037 Prozent).
Deutschland trotzt der Brandung
Ermutigende Signale zur deutschen Konjunktur hatten die Märkte am frühen Morgen erreicht: Trotz der wachsenden Furcht vor einem Abschwung steigt die Kauflaune der Deutschen. Ihre Konjunkturerwartungen rutschten im Juni nach einer Serie schlechter Nachrichten aus der Wirtschaft zwar auf ein Jahrestief. Die Verbraucher rechnen aber dennoch mit steigenden Einkommen und wollen mehr Geld für teure Anschaffungen ausgeben.
Der für Juli berechnete kletterte überraschend von 5,7 auf 5,8 Punkte. Im Vorfeld befragte Analysten hatten einen Rückgang auf 5,6 Zähler erwartet. "Die Schuldenkrise verunsichert auch die Konsumenten", schränkte HSBC-Trinkaus-Ökonom Thomas Amend die Aussagekraft in einer ersten Reaktion ein. "Sie merken, dass sich das konjunkturelle Umfeld eintrübt. Das wird sich verzögert auf das Konsumklima auswirken. Es kann gut sein, dass in den kommenden Monaten die Einkommenserwartungen und die Anschaffungsneigung nachlassen. Das Umfeld für den Konsum bleibt aber gut: Der Arbeitsmarkt ist nach wie vor sehr robust. Die Lohnabschlüsse sind auch ordentlich. Zudem lässt die Inflation wegen sinkender Energiepreise nach."
Christian Schulz, Volkswirt bei der Berenberg Bank, beurteilte die Gesamtentwicklung ähnlich: "Die Euro-Krise drückt nur die Konjunkturerwartungen", sagte Schulz. "Die Lage für die privaten Haushalte bleibt fundamental gut wegen der niedrigen Arbeitslosigkeit. Hinzu kommen noch relativ großzügige Lohnabschlüsse. Der drastisch gesunkene Ölpreis lässt zudem mehr Geld in der Tasche für Anschaffungen."
Allerdings werde die "Eurokrise" die Investitionen und Exporte im zweiten und dritten Quartal belasten, warnte der Berenberg-Ökonom. "Aber der Konsum stabilisiert die Wirtschaft. Es wird zu einer Wachstumsdelle kommen im Sommer, die aber durch den robusten Konsum klein ausfallen wird."
Rückenwind aus dem Nachbarland
Ein unerwartet positiver Impulse kam aus den Niederlanden: Die Wirtschaft des Euro-Landes am Niederrhein hat überraschend die Rezession hinter sich gelassen. Nach endgültigen Daten sei die fünftgrößte Volkswirtschaft der Eurozone im ersten Quartal nicht wie zuvor gemeldet geschrumpft, sondern habe deutlich zulegen können, teilte die Statistikbehörde des Landes mit. Demnach ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den ersten drei Monaten des Jahres nach saisonbereinigten Daten um 0,3 Prozent zum Vorquartal gewachsen. Zuvor hatte die Behörde noch ein Schrumpfen der Wirtschaft um 0,2 Prozent gemeldet.
Die niederländischen BIP-Daten für das erste Quartal lagen deutlich über den Erwartungen von Volkswirten. Sie hatten eine Bestätigung der ersten Schätzung und damit ein weiteres Schrumpfen der Wirtschaft erwartet. In den beiden Vorquartalen war die Wirtschaft in den Niederlanden geschrumpft: Im vierten Quartal 2011 lag das Minus beim BIP bei 0,7 Prozent zum Vorquartal und im dritten Quartal 2011 bei 0,4 Prozent. Die .
Quelle: ntv.de, mmo/DJ/dpa/rts