Harte Schläge aus den USA Dax schließt unter 6100
19.08.2010, 18:00 UhrUnerwartet schwache Konjunkturdaten aus den USA drücken den deutschen Aktienmarkt tief ins Minus. Ungeachtet der zuversichtlichen Prognose der Bundesbank stellen sich die Anleger auf ein gebremstes Wachstum ein. Im Dax hält sich am Donnerstag nur ein einziger Titel im Plus.

Der Dax am Donnerstag: Die BIP-Prognose kam um 12.00, die Job-Daten schlugen um 14.30 ein, die Philly-Fed besorgte um 16.00 Uhr den Rest.
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Düstere Konjunkturdaten aus den USA die Stimmung am deutschen Aktienmarkt am Donnerstag schwer belastet. Nach einem zunächst freundlichen Auftakt, einem schwachen Vormittag und einem dank Bundesbank zuversichtlichen Mittagshandel haben wöchentlichen Arbeitsmarktdaten aus den USA den Dax schließlich am frühen Nachmittag auf Talfahrt geschickt. Der Philly-Fed-Index versetzte der Zuversicht am späten Nachmittag weitere Schläge: Der Leitindex schloss 1,79 Prozent tiefer bei 6075 Punkten. Der MDax sank um 1,01 Prozent auf 8345 Punkte. Für den TecDax ging es um 0,79 Prozent nach unten auf 751 Punkte.
In den USA hatte sich das Geschäftsklima in der Region Philadelphia im August unerwartet eingetrübt: Der Konjunkturindex der Fed von Philadelphia (Philly-Fed) sank im August auf minus 7,7 Punkte ab, den tiefsten Stand seit Juli 2009. Analysten hatten einen Indexstand von Plus 7,0 Punkten erwartet. "Nach den Arbeitsmarktdaten ist das ein weiterer heftiger Schlag für den Aktienmarkt", sagte eine Analystin. "Die Daten passen in die Reihe negativer Konjunktursignale aus den USA und dürften weitere Ängste vor einer Abkühlung der Wirtschaft schüren."
"Die neuen Zahlen passen zur anhaltenden Skepsis über die US-Konjunktur", hatte HSBC-Trinkaus-Volkswirt Rainer Sartoris die wöchentlichen Daten zu den Erstanträgen auf Arbeitslosenhilfe kommentiert. "Die Marke von 500.000 Erstanträgen ist psychologisch sehr wichtig. Zudem dürfte der Vier-Wochen-Schnitt über 480.000 die US-Notenbank Fed beunruhigen und eine mögliche weitere Lockerung der Geldpolitik wieder auf die Tagesordnung setzen."
Am Vormittag hatte die Aussicht auf eine kräftige Konjunkturerholung in Deutschland die Anleger noch kurzzeitig in Kauflaune versetzt. Die hatte nach dem überraschenden Frühjahrsboom ihre Prognose für das deutsche Wirtschaftswachstum in diesem Jahr auf rund drei von bislang 1,9 Prozent angehoben. Marktanalyst Heino Ruland von Ruland Research warnte allerdings vor zu großer Euphorie: "Wir werden die gute Performance des zweiten Quartals voraussichtlich nicht wiederholen können, denn dort gab es wegen des harten Winters viele Nachhol-Effekte in der Bauindustrie."
Vom Konjunkturoptimismus in Deutschland profitieren konnten einzelne Autowerte im Dax. Volkswagen legten in der Spitze um 2,4 Prozent zu, bevor sie mit dem Gesamtmarkt abrutschten und mit einem Aufschlag von noch 0,7 Prozent aus dem Handel gingen. MAN und BMW gaben ihre Tagesgewinne komplett ab und gingen jeweils mehr als ein Prozent tiefer aus dem Handel. Im Plus schlossen dagegen die Titel der Autozulieferer Elringklinger und Continental. Sie verteuerten sich um 2,2 beziehungsweise 0,3 Prozent und gehörten damit zu den wenigen MDax-Gewinnern.
Größter Dax-Verlierer waren die Titel von Heidelbergcement, die gut 3,4 Prozent nachgaben. Händlern zufolge belastete der Ausblick des Rivalen Holcim. Der Schweizer Konzern verbuchte einen unerwartet starken Gewinnrückgang im ersten Halbjahr und rechnet nicht mit einer baldigen globalen Erholung der Baukonjunktur. "Das sind genug Gründe, Abstand von den HeidelCement-Titeln zu nehmen", sagte ein Händler. Die Holcim-Aktie notierte in Zürich 6,3 Prozent schwächer. Die Papiere des französischen Zementherstellers Lafarge gaben 2,5 Prozent nach.
Mit Blick auf die US-Wirtschaft und den daran anknüpfenden Exportaussichten rutschen eine Reihe von ausfuhrorientierten Unternehmen auf den Verkaufslisten der Anleger nach oben: Siemens fielen weit unten im Dax 3,4 Prozent zurück. MAN gaben 1,2 Porzent ab. Auch Titel aus dem deutschen Finanzsektor bekamen den Abwärtstrend zu spüren: Deutsche Bank gingen 2,6 Prozent tiefer aus dem Handel, Allianz verloren 2,5 Prozent.
Die Aktien des Chipherstellers Infineon gingen nach Gewinnen im frühen Handel schließlich 1,4 Prozent tiefer aus dem Handel. Infineon-Vorstand Hermann Eul hatte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gesagt, in den Gesprächen über eine Transaktion der Mobilfunksparte seien wesentliche Fortschritte erzielt worden. Der Konzern macht sich zudem Hoffnungen, beim Bestücken deutscher Personalausweise mit Mikrochips zumindest teilweise zum Zuge zu kommen. Der niederländische Rivale NXP zog jedoch den Auftrag für die Lieferung der Schlüsselkomponenten an Land.

Zur Wochenmitte blieb die Lage übersichtlich: Mittwochsblick auf die große Kurstafel in Frankfurt.
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Die Presseberichte über Fortschritte bei den Zukunftsplanungen für die Mobilfunkchip-Sparte sowie Aufträge für Konkurrenten machten einzelne Händler dagegen nicht als Kurstreiber aus. Thomas Nagel von Equinet verwies vielmehr auf eine jüngste Erholung des in den USA berechneten Branchenindex Sox. "Letztlich dürften wohl eher die Kursgewinne der Technologiewerte in Asien nach den soliden Zahlen und dem robusten Ausblick von auch Infineon stützen", hatte ein Händler vor Handelstart prognostiziert.
Im TecDax waren unter anderem die Aktien von Wirecard gefragt, die um 2,4 Prozent anzogen. DZ-Bank-Analyst Thorsten Reigber erklärte in einer Kurzstudie, in der Zahlungsverkehr-Branche werde es mehr Übernahmen geben. Die Kursverluste bei Conergy hielten sich nach der überraschenden Trennung vom stellvertretenden Vorstandschef in Grenzen. Die Titel bauten nach Bekanntgabe des Ausscheidens von Andreas von Zitzewitz ihre Verluste auf bis zu 5,8 Prozent aus. Am Abend lagen die Papiere 3,7 Prozent im Minus. Roth+Rau fielen am TecDax-Ende 6,5 Prozent ins Minus.
Nach der Vorlage von Geschäftszahlen mehrerer Unternehmen fanden zudem Aktien aus der zweiten und dritten Reihe einige Aufmerksamkeit. So wies Pfleiderer im SDax im zweiten Quartal einen geringeren Verlust aus als erwartet. Die Aktien des Holverarbeiters notierten 1,3 Prozent tiefer. Das Unternehmen verbuchte ein Minus von 7,2 Mio. Euro, Analysten hatten allerdings mit 13,5 Mio. Euro Verlust gerechnet.
Die Papiere von hielten sich mit einem Plus von 1,3 Prozent deutlich besser als der Gesamtmarkt. Die Mietwagenfirma lag im zweiten Quartal bei Umsatz und Gewinn über den Erwartungen. Constantin Medien verbesserte trotz eines Umsatzrückgangs im ersten Halbjahr seine Ertragslage. Die Anteilsscheine der Filmproduktionsfirma beendeten den Handelstag 0,6 Prozent im Plus.
Das Handelsvolumen im Dax kletterte auf rund 105 (Mittwoch: 77) Mio. Aktien. Der Umsatz stieg auf 3,1 (2,3) Mrd. Euro. Der EuroStoxx50 schloss 1,97 Prozent tiefer bei 2675,02 Punkten. In Paris und London gaben die nationalen Indizes ebenfalls deutlich nach. Auch der New Yorker Dow Jones lag zum europäischen Handelsschluss klar im Minus.
Am Rentenmarkt fiel die durchschnittliche Rendite börsennotierter Bundeswertpapiere auf 2,02 (Vortag: 2,01) Prozent. Der Rentenindex Rex kletterte unterdessen um 0,10 Prozent auf 128,56 Punkte. Der Bund Future legte um 0,32 Prozent zu auf 132,57 Punkte. Nach den schwachen US-Konjunkturdaten stieg der Euro. Zuletzt kostete die Gemeinschaftswährung 1,2858 US-Dollar. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs auf 1,2836 (Mittwoch: 1,2880) Dollar festgesetzt. Der Dollar kostete damit 0,7791 (0,7764) Euro.
Quelle: ntv.de, DJ/dpa/rts