"Wird Aktienrally anheizen" Fed gibt Wall Street Rückenwind
27.08.2020, 22:28 Uhr
Die US-Notenbank zeigt sich in Sachen Inflation nun flexibel.
(Foto: REUTERS)
Die US-Notenbank Fed hat sich zu mehr Spielraum bei ihrem Inflationsziel durchgerungen. Die historische Entscheidung geht nicht spurlos an den US-Anlegern vorbei. Doch nicht alle Indizes profitieren.
Die Aussicht auf eine längere Zeit mit niedrigen Zinsen in den USA hat die Rekordjagd an den US-Börsen kurzzeitig angeheizt. Der breiter gefasste S&P 500 und der Index der Technologiebörse Nasdaq markierten nach einer Rede von Fed-Chef Jerome Powell neue Bestmarken. Am Ende konnte sich der S&P 500, der im Tagesverlauf erstmals in seiner Geschichte die Bestmarke von 3500 Punkten überboten hatte, um 0,17 Prozent auf 3485 Punkte verbessern. Der Nasdaq 100 schaffte zwar früh den nächsten Rekord. Erstmals über der Marke von 12.000 Punkten stehend ging ihm aber schnell die Luft aus. Am Ende gab er um 0,38 Prozent auf 11.926 Zähler nach. Der Dow-Jones-Index gewann 0,6 Prozent auf 28.492 Punkte.
Powell stellt mitten in der Corona- und Wirtschaftskrise die geldpolitische Strategie um mit stärkerem Fokus auf den Arbeitsmarkt und einem flexibleren Inflationsziel. Damit könnten die Geldschleusen auch im Aufschwung weit offen bleiben. "Die US-Notenbank wird die Zinssätze auf absehbare Zeit, möglicherweise für mehr als fünf Jahre, fast bei Null halten, sie wird der Inflation eher gelassen entgegensehen und sich sogar für einen bescheidenen Anstieg über ihr Ziel von zwei Prozent einsetzen", sagte Nigel Green, Chef des Vermögensverwalters deVere Group. "Das wird die Aktienrally weiter anheizen."
Dax und EuroStoxx zeigten sich derweil unbeeindruckt und gingen schwächer aus dem Handel. Der deutsche Leitindex verlor 0,7 Prozent auf 13.096 Punkte. Der US-Dollar litt nur anfangs unter den niedrigeren Zinserwartungen und gewann schnell wieder die Oberhand. Der Euro legte bis auf knapp 1,19 Dollar zu, bröckelte dann auf 1,18 Dollar und damit unter das Niveau vor der Rede von Powell ab.
Wie der Tag auf dem Frankfurter Parkett im Detail verlief, können Sie in unserem Börsen-Tag nachlesen.
Enttäuscht habe Powell nicht, allerdings seien die Erwartungen im Vorfeld sehr hoch gewesen, sagte Währungsstratege David Iusow vom Broker DailyFX. Einige Marktteilnehmer seien der Meinung, dass der neue Ansatz zu mehr Unsicherheit statt Transparenz führe, sagte Marktanalyst Fawad Razaqzada vom Broker ThinkMarkets. "Märkte mögen normalerweise keine Unsicherheit." Nichtsdestotrotz könne die Aussicht auf eine ultralockere Geldpolitik den Dollar bald wieder unter Druck setzen.
Wirbelsturm rüttelt Ölmarkt etwas durch
Weniger gefragt war das vor allem in Krisenzeiten begehrte Gold: Trotz der Aussicht auf eine lange Periode niedriger Zinsen in den USA machten Anleger nach dem scharfen Vortagesanstieg Kasse. Die Feinunze (31,1 Gramm) verbilligte sich um 1,2 Prozent auf 1.930 US-Dollar. In unmittelbarer Reaktion auf die Powell-Rede war der Preis des Edelmetalls aber bis auf das Tageshoch von 1.977 geschossen.
"Powell hat im Grunde gesagt, dass es sich nur dem Namen nach um ein Inflationsziel handelt, und das hat Verkäufer angelockt", sagte Tom di Galoma, Geschäftsführer des Vermögensverwalters Seaport Global Holdings. "Die Institutionen glauben, dass die Fed die Zinsen länger niedrig halten wird, und dass sich die Fed Funds Rate überhaupt nicht bewegen wird."
Am Ölmarkt sorgte der Wirbelsturm "Laura" für Aufsehen. Der Hurrikan erreichte die Küste von Louisiana. Ölraffinerien mussten die Produktion einstellen. Ein Fass US-Leichtöl der Sorte WTI verbilligte sich um 0,9 Prozent auf 42,98 Dollar. Europäisches Rohöl der Sorte Brent verlor 1,2 Prozent auf 45,07 Dollar.
Bei den Einzelwerten stachen Tiffany mit einem zwischenzeitlichen Plus von 1,9 Prozent heraus. Die US-Juwelierkette hat in der Corona-Krise zwar einen Gewinnrückgang hinnehmen müssen, der aber geringer ausfiel als befürchtet. Die Zulassung eines Corona-Schnelltests kam bei den Aktionären des US-Medizinausrüsters Abbott gut an. Die Aktien schnellten im Tagesverlauf um sieben Prozent hoch. Die US-Pharmaaufsicht FDA gab grünes Licht für den Einsatz eines Schnelltests in den USA, der binnen 15 Minuten eine Corona-Infektion anzeigen kann. Aktien von Coty verloren hingegen mehr als acht Prozent. Die Corona-Pandemie hat den US-Kosmetikkonzern hart getroffen. Der Umsatz brach im Zeitraum April bis Juni um 56 Prozent ein.
Walmart ist unterdessen in Gespräche mit Microsoft eingestiegen, um sich gemeinsam um den Kauf des US-Geschäfts der chinesischen Plattform TikTok zu bemühen. Die Partnerschaft der beiden US-Konzerne werde die Sorgen der US-Regierung berücksichtigen, teilte der Handelsriese mit. Die Regierung hatte Sicherheitsbedenken geäußert und den Verkauf des TikTok-Geschäfts in den USA gefordert. Walmart steigerten sich um 4,5 Prozent und führten den Dow an, Microsoft stiegen um 2,5 Prozent.
Quelle: ntv.de, fzö/rts/DJ/dpa