Marktberichte

"Der Weg nach oben ist offen" Dax freudig erregt erwartet

Sicherheit ist wohl immer besser als Unsicherheit: Mit  erstaunlicher Euphorie reagieren Börsianer auf den Beginn des historischen Kurswechsels der Fed.

Sicherheit ist wohl immer besser als Unsicherheit: Mit erstaunlicher Euphorie reagieren Börsianer auf den Beginn des historischen Kurswechsels der Fed.

(Foto: REUTERS)

Der Einstieg in den großen Kurswechsel scheint zu gelingen: Am Morgen nach dem Fed-Entscheid zeichnen sich am deutschen Aktienmarkt starken Kursgewinne zum Auftakt ab. Der Dax-Future zieht steil an.

Das unmissverständliche Vorgehen der US-Notenbank löst ein weltweit positives Echo an den Börsen aus. Der offenbar sehr vorsichtig gewählte Einstieg in den großen Kurswechsel der Federal Reserve (Fed) beginnt mit einem langsamen Zurückfahren ("Tapering") der monatlichen Geldschwemme. Der Leitzins dagegen bleibt auf absehbare Zeit nahe Null. Zusätzlich günstig wirkt, dass mit der Zustimmung im US-Senat zugleich auch das Thema Haushaltsstreit vorerst vom Tisch zu sein scheint.

Nach einer ersten Rally im Späthandel des Vorabends sind die Dax-Futures am Morgen mit leichten Gewinnmitnahmen in den Donnerstagshandel gestartet. Insgesamt liegen sie noch rund 90 Punkte über dem Vortagsschluss im Kassa-Dax und deuten damit auf eine entsprechend höhere Eröffnung des Frankfurter Aktienhandels hin.

"Nach dem Sprung über den Widerstand bei 9210 ist der Weg nach oben offen", sagte ein Händler. Die Kombination aus dem Eindeckungsdruck bei offenen Leerpositionen von Marktteilnehmern, die sich vor der Fed-Entscheidung abgesichert hatten, und dem Verfalltag seien "eine Garantie" für weitere Kurssprünge. Bis zum Jahresende könnte der Dax sogar ein neues Jahreshoch erreichen.

Weltweit reagieren Börsianer mit einem Freudenfeuerwerk an den Märkten auf den Kurswechsel der Fed: In Australien steigt der Leitindex ASX-200 über 2 Prozent im Plus, der japanische Nikkei nähert sich wieder der 16.000er-Marke. Gleichzeitig legt der Kurs des Dollar stark zu, der Euro fällt unter die Marke bei 1,37 Dollar.

Geradezu euphorisch reagierten auch Europas Terminmärkte, die die Fed-Entscheidung noch am späten Abend einpreisen konnten. Sie deuteten auf einen sehr festen Handelsstart am Kassamarkt hin: Die Dax-Futures legte zeitweise mehr als 100 Punkte zu, der Kontrakt auf den Eurostoxx50 gewann 45 Punkte. Am Vorabend war der deutsche Leitindex im Vorfeld der mit Spannung erwarteten Fed-Entscheidung bereits 1,1 Prozent fester bei 9182 Punkten aus dem Handel gegangen. Im vorbörslichen Handel liegt der Dax am Morgen noch gut 1 Prozent im Plus.

Die Optionsprämien auf Dax-Optionen preisen für Donnerstag eine Schwankungsbreite im Dax von 76,49 Punkten oder 0,83 Prozent um den Schlusskurs des Vortages ein. Das entspricht einer Dax-Bewegung auf bis zu 9258 Punkte nach oben und 9105 Punkte nach unten. Der VDax-New schloss am Vortag bei 15,92 Prozent.

Vorerst nur ein "Test-Tapering"?

"Europas Märkte werden heute eine Aufholjagd zeigen, wenn sie eröffnen, und damit ihre erste Chance zur Reaktion auf die Fed-Entscheidung haben", prognostizierte Marktstratege Stan Shamu vom Brokerhaus IG. Die US-Notenbank hat ihr Anleihekaufprogramm wie vom Markt erwünscht nur um 10 Milliarden US-Dollar gekürzt. Künftig werden also weiter Anleihekäufe in Höhe von 75 Milliarden Dollar weitergeführt. "Der Betrag der Kürzung wird von vielen Analysten als reines Test-Tapering gesehen", erklärte Shamu: "Das erlaubt der Fed, das Fahrwasser zu testen und die Situation weiter abzuschätzen".

"Die Beste aller Welten"

Gleichzeitig wurde auch noch der Zinsausblick bestätigt. Selbst bei einem Fall der Arbeitslosenquote unter 6,5 Prozent werde noch der kurze Zinssatz ("Fed Funds Rate") weiter sehr niedrig bleiben. Die Mehrheit der Fed-Mitglieder erwartet wegen der ebenfalls als gering eingeschätzten Inflationsrisiken keine Zinserhöhung vor 2015. "Als Sahnehäubchen kündigte die Fed zudem an, bei aufkommenden Problemen mit 'angemessenen' Maßnahmen zu reagieren - auf deutsch also, wieder mehr Geld zu drucken", ergänzte ein Frankfurter Händler. Per Saldo ergäben die Fed-Entscheidungen damit "die Beste aller Welten für die Börsen".

"Selbst die Fed glaubt nun, dass auch das Wirtschaftswachstum besser ist. Die Anleihe-Märkte sind darüber nicht verärgert und die Inflation ist unter Kontrolle. Wenn man das alles zusammen nimmt, ist das eine perfekte Vorlage für Aktien", sagt Jim Swanson, Chef der Anlagestrategie bei MFS Investment Management.

Die Streitbremse ist gelöst

Etwas untergegangen ist zudem die Einigung im US-Haushaltsstreit, der die Märkte im Herbst gebremst hatte. Sie passierte den Senat mit deutlicher Mehrheit. Vorfälle wie das berüchtigte "Government Shutdown", also die erzwungene Schließung von US-Behörden, dürften damit für die nächsten zwei Jahre der Vergangenheit angehören. Präsident Obama begrüßte den Schritt als "weg von den kurzsichtigen, von Krisen getriebenen Entscheidungen, die unsere Wirtschaft gebremst haben".

Die Bankenunion kommt

Selbst in Europa ist es daneben zu einer Einigung gekommen. Hier kamen die EU-Finanzminister bei der Abwicklung von Krisenbanken überein. "Steuerzahler werden nicht länger die Rechnung bezahlen müssen, wenn Banken Fehler machen und in Krisen rutschen", sagte EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier: "Das beendet die Ära der massiven Bail-Outs".

Auf Unternehmensebene richtete sich die Aufmerksamkeit am Morgen auf Namen wie Telekom, BASF und RWE. "Wo Rauch ist, ist auch Feuer", hieß es zum Beispiel zu den Spekulationen um die Perspektiven für T-Mobile US. Für die Deutsche Telekom habe sich die Nachrichtenlage laufend verbessert, erklärte ein Beobachter. Nachdem zunächst Sprint als Kaufinteressent an der US-Tochter genannt worden war, bringen Gerüchte nun auch Dish Network als Interessenten ins Spiel. Dieser soll angeblich ein Angebot in der ersten Hälfte 2014 vorlegen.

"Das unterstreicht einfach, dass man Interesse an T-Mobile US hat", sagte ein Händler. "Man kann dadurch den Preis treiben." Völlig offen sei dabei natürlich die Frage, ob die Telekom überhaupt ihre Tochter verkaufen wolle. Angesichts der nun positiven Stimmung gegenüber dem Telekommunikationssektor dürfte die Nachricht vom Dish-Interesse aber auf jeden Fall als Kurstreiber für die Telekom-Aktie wirken. Diese legt im Frankfurter Spezialistenhandel 1,2 Prozent zu.

Als positiv für RWE werteten unterdessen Händler Presseberichte, wonach BASF an der Ölsparte Dea interessiert ist. "Das würde einfach zusammenpassen", meinte ein Händler mit Blick auf die BASF-Öltochter Wintershall. Auch für BASF als Käufer werde ein möglicher Kauf daher positiv gesehen. "Abhängig ist das natürlich vom Verkaufspreis", erklärte der Händler. Hier wurde am Vortag befürchtet, die von RWE angepeilten 5 Milliarden Euro könnten nicht in dieser Höhe erzielt werden. Einem Bericht des "Wall Street Journal Deutschland" zufolge, könnte der Betrag nur bei 3,5 Milliarden Euro liegen. "Sollten diese Zahlen zutreffen, wäre der Verkauf eher neutral zu werten für RWE, aber sehr positiv für BASF", meinte ein anderer Händler.

Die Konjunkturdaten des Tages dürften angesichts der übrigen Nachrichten nicht besonders deutlich im Vordergrund stehen. Im Tagesverlauf erreichen unter anderem mit den Erstanträgen auf Arbeitslosenhilfe wöchentlichen Arbeitsmarktdaten aus den USA den Markt, daneben gibt es neue Daten zum Umsatz im US-Einzelhandel, zu den Hausverkäufen im US-Immobilienmarkt und mit dem Philly-Fed-Index auch ein weiteres richtungsweisendes Signal zur konjunkturellen Entwicklung an der US-Ostküste.

"Nach oben ausgebrochen"

Die erwartete, kräftige Rally an Europas Aktienmärkten nach der Fed-Entscheidung wird auch von technischen Faktoren gestützt, heißt es im Handel. "Dax- und Eurostoxx-Futures sind gestern Abend klar aus ihren Seitwärtsbewegungen nach oben ausgebrochen", sagte ein Händler: "Das zeigt den erhofften Short-Squeeze nach der Fed-Entscheidung". Marktteilnehmer, die sich abgesichert hätten, dürften "mit dieser Fülle an guten Nachrichten gar nicht umgehen können", ergänzte ein Analyst.

Da zudem am Folgetag der Große Verfalltermin sei, dürfte es nun an den Märkten ungebremst nach oben gehen. So habe der Dax-Futures nicht nur "eine Seitwärtsbewegung auskonsolidiert", sondern sei bei rund 9200 Punkten auch über "einen signifikanten Widerstand nach oben" ausgebrochen: "Der nächste ernstzunehmende Widerstand ist erst der Bereich um das Jahreshoch", erklärte ein charttechnisch orientierter Beobachter. Der Dax-Future könne nun kurzfristig bis in die Zone von rund 9450 Punkten laufen, hieß es.

Quelle: ntv.de, mmo/DJ

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