Marktberichte

Wall-Street-Vorschau New York im Strudel der Politik

In der kommenden Woche kommt einiges zusammen: Erst London, dann Rom und zum Monatswechsel auch noch Washington.

In der kommenden Woche kommt einiges zusammen: Erst London, dann Rom und zum Monatswechsel auch noch Washington.

(Foto: AP/dpa)

Drei große politische Themenkomplexe dürften Anleger in den USA in der kommenden Woche in Atem halten: Die Wahl in Italien, die Schuldenprobleme der Briten und die abermals drohende Krise der Staatsfinanzen in Washington.

Nach wochenlanger trügerischer Ruhe rücken politische Themen an der Wall Street wieder in den Vordergrund. Das Stichwort "fiscal cliff" steht in der kommenden Woche ganz oben auf der Agenda: Sollten Demokraten und Republikaner den US-Haushaltsstreit nicht bis zum 1. März beilegen, treten automatische Ausgabenkürzungen über 85 Mrd. Dollar in Kraft.

Im Gegensatz zur Lage am Jahresende, als die drohende Fiskalklippe Händler nervös machte und den Markt über Wochen im Griff hatte, herrscht nun deutlich größere Gelassenheit - und das obwohl der Regierung in Washington weiterhin die technische Zahlungsunfähigkeit droht. "Das ist ein heißes Eisen in Washington, treibt die Investoren aber nicht um", urteilt Marktstratege Fred Dickson von D.A. Davidson & Co.

Zu Jahresbeginn hatten die politischen Akteure in der US-Hauptstadt nur eine Einigung auf Zeit erzielt. Die Gefahren der Fiskalklippe wurden damit nur um rund drei Monate auf Anfang März hinausgezögert. Der Markt hatte auf die vorläufige Einigung dennoch euphorisch reagiert und war seitdem kräftig gestiegen. In der letzten Woche traten Anleger jedoch erstmals seit Anfang Januar auf die Bremse.

Auf Wochensicht blieb der breit gefächerte S&P-500 leicht im Minus. Die Aussicht auf eine mögliche Abkehr der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) von ihrer ultralockeren Geldpolitik belastete die Stimmung. Weitere Aufschlüsse zum künftigen Kurs der US-Notenbank erhoffen sich Anleger von Fed-Chef Ben Bernanke, der in der kommenden Woche seinen Bericht zur Währungspolitik und zur Wirtschaftsentwicklung im Bankenausschuss des US-Senats erläutern muss. Die zweitägige Anhörung ist für Dienstag und Mittwoch angesetzt.

Risikofaktor Italien-Wahl

Abgesehen von dem Kurs der Fed und den politischen Risiken in den USA wirft jedoch insbesondere die Parlamentswahl in Italien ihren Schatten voraus. Für Analysten an der Wall Street ist die mögliche Wiederwahl des früheren Regierungschefs Silvio Berlusconi mit handfesten Implikationen für die Befriedung der europäischen Schuldenkrise verbunden.

Die Börsianer in New York fürchten ein Comeback des ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, auch wenn die meisten Investoren darauf setzen, dass Pier Luigi Bersani von der sozialdemokratisch orientierten Demokratischen Partei die Macht übernimmt und die Reformen zur Schuldenbekämpfung weiter fortsetzt.

"Europa war in den vergangenen sechs Wochen kein großes Thema für den Aktienmarkt, aber die Probleme sind ja nicht verschwunden", sagt Analyst Kim Forrest von Fort Pitt Capital Group. Die Italien-Wahl könnte Europa wieder in den Blickpunkt der Anleger rücken. Der Urnengang ist auf zwei Tage angesetzt und beginnt am Sonntag. Mit ersten Hochrechnungen ist frühestens am Montagnachmittag (MEZ) zu rechnen.

Ratingschlag erschüttert London

Die neue Bonitätsbewertung für Großbritannien erreichte den US-Aktienmarkt erst nach Handelsschluss: Die Ratingagentur Moody's entzog den Briten die Bestnote "Aaa" und stufte die Kreditwürdigkeit des Landes auf "Aa1" herab. Ursache seien die schwache Konjunktur und die steigende Verschuldung, teilte Moody's am späten Freitagabend in London mit. Die mittelfristige Wachstumserwartung in Großbritannien sei "schleppend", heißt in der Mitteilung von Moody's.

Auch die anderen beiden großen Ratingagenturen, Standard & Poor's und Fitch, haben die drittgrößte Volkswirtschaft der EU seit geraumer Zeit auf einem negativen Ausblick. Im vergangenen November hatte Moody's bereits Frankreich die Bestnote in Sachen Kreditwürdigkeit entzogen. Deutschland genießt weiterhin Top-Bonität.

Der britische Finanzminister George Osborne sagte in einer ersten Reaktion am Freitagabend, die Aktion der Ratingagentur sei ein "deutliche Erinnerung daran, welch ein Schuldenproblem unser Land hat". Großbritannien steckt seit der Finanzkrise 2008 tief im Schuldensumpf. Das Land ist nach internationalen Statistiken mit 86 Prozent des Bruttoinlandsproduktes verschuldet. Osborne hatte bereits in seinem Herbststatement im Dezember bekannt, dass der Schuldenabbau mangels Wachstum nicht vor dem Haushaltsjahr 2015/2016 gelingen könne.

Abseits aller politischen Einflussfaktoren werden sich die US-Aktienmärkte auch mit frischen Konjunktursignalen befassen: Auf dem Terminplan steht unter anderem am Donnerstag die zweite Schätzung des US-Bruttoinlandsprodukts (BIP) für das vierte Quartal. Einige Analysten rechnen mit einer Revision nach oben, nachdem in der Zwischenzeit veröffentlichte Daten darauf schließen lassen. Der ersten Schätzung zufolge erlitt die US-Wirtschaft zum Ende des letzten Jahres überraschend einen Schwächeanfall und schrumpfte erstmals seit dem Krisenjahr 2009. Das BIP verringerte sich vorläufigen Daten zufolge aufs Jahr hochgerechnet um 0,1 Prozent.

Rückblick auf die Ausgangslage

Vor dem Wochenende hatten solide Unternehmensergebnisse aus der laufenden Berichtssaison für gute Stimmung an den New Yorker Börsen gesorgt. Zum Handelsschluss gelang dem Dow-Jones-Index sogar - ganz knapp, aber immerhin - wieder der Sprung über die Marke bei 14.000 Punkten. Angeführt von den Papieren des Computer- und Druckerherstellers Hewlett-Packard (HP) legte der US-Leitindex nach zwei schwächeren Handelstagen um 0,86 Prozent auf 14.000,57 Punkte zu. Damit schloss er sehr nah an seinem kurz zuvor erreichten Tageshoch. Im Wochenverlauf verbuchte er damit ein kleines Plus von 0,13 Prozent.

Für den marktbreiten S&P-500-Index ging es am Freitag um 0,88 Prozent auf 1515,60 Punkte nach oben. An der Technologiebörse Nasdaq rückte der Auswahlindex Nasdaq-100 um 0,95 Prozent auf 2737,28 Punkte vor. Der Composite-Index gewann 0,97 Prozent auf 3161,82 Punkte und verbuchte ein Wochenminus von 0,95 Prozent.

An der New York Stock Exchange wechselten rund 0,68 Mrd. Aktien den Besitzer. 2229 Werte legten zu, 732 gaben nach und 111 blieben unverändert. An der Nasdaq schlossen bei Umsätzen von 1,57 Mrd. Aktien 1782 im Plus, 674 im Minus und 113 unverändert.

Der Kurs des Euro erholte sich im New Yorker Handel etwas von seinen Verlusten vom Freitagnachmittag und notierte zum Handelsschluss in den USA bei 1,3186 Dollar. Dass die Banken des Euroraums sich mit der Rückzahlung von Notkrediten an die Europäische Zentralbank (EZB) deutlich zurückhalten, hatte die Gemeinschaftswährung zeitweise bis auf 1,3146 Dollar gedrückt. Am Anleihemarkt rückten richtungweisende zehnjährige Staatsanleihen um 3/32 Punkte auf 100 9/32 Punkte vor und rentierten mit 1,97 Prozent.

Quelle: ntv.de, dpa/rts

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