Marktberichte

Neue Angst vor dem Syrien-Schlag Dax schließt verunsichert

Die Dax-Kurve am Dienstag: Der "Raketenalarm" traf den Markt am späten Vormittag. Der "Boehner-Knick" (nicht im Bild) folgte kurz vor Börsenschluss.

Die Dax-Kurve am Dienstag: Der "Raketenalarm" traf den Markt am späten Vormittag. Der "Boehner-Knick" (nicht im Bild) folgte kurz vor Börsenschluss.

(Foto: REUTERS)

Am deutschen Aktienmarkt geht ein ereignisreicher Tag zu Ende: Nach der Aufregung um Raketenstarts im Mittelmeer zeichnet sich in Washington nun offenbar doch eine Kongressmehrheit für einen Angriff auf Syrien ab. Im Frankfurter Börsenhandel reagieren Anleger deutlich.

Nach dem freundlichen Wochenstart hat der deutsche Aktienmarkt am zweiten Handelstag der Woche deutlich an Zuversicht eingebüßt: Der Dax geht nach einem streckenweise hochnervösen Handel mit einem Minus von 0,77 Prozent und einem Schlussstand von 8180,71 Punkten in den Abend. Der MDax beendet den Tag 0,59 Prozent tiefer bei 14.551,16 Punkten. Der TecDax bewegt sich mit einem Minus von 0,10 Prozent auf 1035,53 Punkte kaum von der Stelle.

"Nach einem starken Start in die Woche und auch in den September schwächeln die Börsen nun", sagte Händlerin Anita Paluch vom Broker Gekko Markets. Kurz vor Handelsschluss sprach sich der Mehrheitsführer der Republikaner im US-Repräsentantenhaus, John Boehner, für den Syrien-Kurs von Präsident Barack Obama aus. "Ein Militärschlag gegen Syrien wird damit wahrscheinlicher", erklärte ein Händler die Verkäufe.

Die Angst der Anleger vor einer Eskalation der Syrien-Krise blieb bereits im frühen Handel erkennbar: Für hektische Kursreaktionen sorgten am Vormittag zunächst Berichte über die Ortung ballistischer "Objekte" über dem Mittelmeer. Der Ölpreis sprang daraufhin kurz an, der Goldpreis zog an, der Euro zuckte nach unten und die Aktienmärkte gerieten europaweit unter Druck. Erst gegen Mittag stellte sich heraus, dass Israel unangekündigt eine Rakete getestet hatte. Im Frankfurter Handel flaute die Nervosität daraufhin deutlich ab.

Europaweit ging es im Dienstagshandel an den Börsen nach unten: Der Eurostoxx50 schloss bei 2753,35 Punkten und damit um 0,75 Prozent tiefer. Die Börsen in Paris und London sanken ebenfalls. An der Wall Street starteten die Börsen nach dem verlängerten Labor-Day-Wochenende - am Montag waren die Handelssäle geschlossen geblieben - zwar knapp behauptet in die Handelswoche. Doch verdarb auch den US-Investoren die Aussicht auf einen baldigen Militärschlag gegen Syrien die Kauflaune. Der Kongress, dessen Zustimmung für den Schlag Obama bekommen möchte, kommt am 9. September aus der Sommerpause.

Auf Unternehmensebene stand der Nokia-Deal von Microsoft im Vordergrund: Die Ankündigung des US-Softwarekonzerns, das Handygeschäft des einstigen Weltmarktführers für Mobiltelefone für 5,4 Milliarden Euro zu übernehmen, löste bei den Nokia-Aktionäre Euphorie und einen "Short-Squeeze" aus, wie Beobachter erklärten.

Der Hintergrund: Ein Anteil von zwölf Prozent der Nokia-Aktien sind verliehen, viele Anleger dürften daher von dem Teilverkauf an Microsoft auf dem falschen Fuß erwischt und zu panischen Käufen gezwungen worden sein, sagten Experten. Bei extrem hohem Umsatz schnellten die Nokia-Titel in der Spitze um bis zu 48,4 Prozent auf 4,40 Euro in die Höhe. Zum europäischen Handelsschluss stand der Kurs mit 3,97 Euro noch 34 Prozent im Plus.

Analysten sahen für Nokia, das sich jetzt auf die Netzausrüstungssparte konzentrieren will, durchaus Vorteile. Nokia halse Microsoft sein Problemkind auf, stellten zum Beispiel die Analysten von Bernstein fest. Viele Microsoft-Aktionäre sahen das offenbar ähnlich und verkauften ihre Anteile. In New York büßten die Aktien über sechs Prozent ein.

Börsianer machten nach diesem neuerlichen Paukenschlag im Mobilfunksektor branchenweite Übernahmephantasie aus. Die Aktien der Netzwerk-Spezialisten Alcatel-Lucent und Ericsson zogen um neun beziehungsweise um fünf Prozent an. Schließlich hatte am Vorabend Vodafone mit dem Verkauf seines US-Mobilfunkgeschäfts an den bisherigen Partner Verizon für 130 Milliarden Dollar die drittgrößte Übernahme aller Zeiten besiegelt.

Bei Vodafone und Verizon machten die Anleger am Dienstag aber Kasse. Vodafone verloren in London fünf Prozent, nachdem die Titel in den drei vorangegangenen Handelstagen wegen der Spekulationen auf das Geschäft knapp 13 Prozent zugelegt hatten. Die im Dow-Jones-Index gelisteten Verizon-Titel verloren in New York 2,3 Prozent.

Insgesamt bewerteten Experten die beiden spektakulären Geschäfte als gutes Omen. "Wenn man solche Deals einfädeln kann, dann muss der Kapitalmarkt recht gesund sein", sagte ein Händler.

Stahlwerk-Gerüchte drücken ThyssenKrupp

Im Dax hielten sich Gewinner und Verlierer die Waage. Zu den Schlusslichtern zählten erneut die Aktien der Lufthansa, die im Zusammenhang mit der Eskalationsangst rund um Syrien 2,8 Prozent einbüßten. Auch IAG und Air France-KLM hätten auf die Syrien-Unruhe und den Raketenfehlalarm im Mittelmeer reagiert, hieß es, allerdings weit weniger stark als die Lufthansa-Aktie. Bei der größten deutschen Fluggesellschaft komme die Entscheidung des Wiener Arbeits- und Sozialgerichts vom Vortag hinzu, wonach die Versetzung Tausender Mitarbeiter der Lufthansa-Tochter Austrian Airlines zu deren Billigflug-Tochter Tyrolean illegal gewesen sei. "Das könnte die Nachzahlung von entgangenen Gehältern in Millionenhöhe nach sich ziehen und ist ein erster rechtlicher Schlag gegen die Sparanstrengungen der Lufthansa", sagte der Händler.

ThyssenKrupp standen ebenfalls bei vielen auf den Verkaufszetteln. Spekulationen über einen gescheiterten Verkauf der verlustträchtigen Stahlwerke in Übersee drückten die Aktien um gut 1,7 Prozent ins Minus. Wegen eines Einbruchs der Pkw-Verkäufe im August in Deutschland trennten sich viele Anleger zudem von VW-Aktien. Die Titel fielen um 2,7 Prozent auf 171,25 Euro.

Im MDax profitierten die Aktien von Rhön-Klinikum von der geplanten Aufstockung der Beteiligung durch den Medizintechnikkonzern B. Braun und stiegen um 1,2 Prozent. Auf Talfahrt gingen die Titel von Südzucker, die 11,6 Prozent einbüßten. Die Analysten von Exane BNP hatten ihre Anlageempfehlung gesenkt und dies mit dem absehbaren Auslaufen des europäischen Zuckerquotensystems im Jahr 2017 begründeten.

Am Rentenmarkt sank die Umlaufrendite börsennotierter Bundeswertpapiere von 1,60 Prozent am Vortag auf 1,58 Prozent. Der Rentenindex Rex stieg um 0,08 Prozent auf 132,36 Punkte. Der Bund Future aber gab um 0,28 Prozent auf 139,68 Punkte nach. Der Kurs des Euro fiel. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,3172 (Montag: 1,3207) Dollar fest. Der Dollar kostete damit 0,7592 (0,7572) Euro.

Quelle: ntv.de, mmo/DJ/dpa/rts

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