Bisher unbekannte Nebenwirkung Gängiges Schmerzmittel macht risikobereiter
20.10.2020, 16:35 Uhr
Die meisten, die Paracetamol einnehmen, wissen nichts von der erhöhten Risikobereitschaft als Nebenwirkung.
(Foto: imago images/tommaso79)
Paracetamol gehört zu den bekanntesten Schmerzmitteln. Es kann hierzulande rezeptfrei in Apotheken gekauft werden. Doch der Wirkstoff darin lindert nicht nur Schmerzen, sondern erhöht auch die Risikobereitschaft, wie Forscher bei Tests feststellen.
Bereits in vergangenen Untersuchungen haben verschiedene Studien belegt, dass Schmerzmittel wie Paracetamol nicht nur auf den Körper, sondern auch auf die Psyche wirken. Vergleichbare Medikamente, die den Wirkstoff Acetaminophen enthalten, lindern nicht nur Schmerzen und senken Fieber, sie können auch Gefühle wie Trauer, Freude oder Mitgefühl dämpfen. Wie sich Acetaminophen, welches sich in rund 600 verschiedenen Medikamenten befindet, auf die Risikobereitschaft auswirkt, wollten Forscher der Ohio State University wissen.
Insgesamt 545 Freiwillige konnten für drei Testreihen gewonnen werden, schreiben die Forschenden zu ihren Ergebnissen, die im Fachjournal "Social Cognitive and Affectiv Neuroscience" veröffentlicht wurden. Die Hälfte der Studienteilnehmer bekam eine handelsübliche Dosis von 1000 Milligramm Paracetamol und die andere Gruppe ein Placebo-Medikament ohne Wirkstoffe. Weder Probanden noch Forscher wussten, wer welches Präparat bekam.
Ballons aufblasen mit dem Computer
Die Probanden sollten nun mithilfe eines Computerprogramms, mit dem auch Untersuchungen zu Drogen- und Alkoholwirkungen durchgeführt werden, Entscheidungen treffen. Beim "Balloon Analog Risk Task" besteht die Aufgabe darin, per Mausklick zu entscheiden, wie weit ein Ballon auf dem Monitor sichtbar aufgeblasen wird. Mit jedem Größenzuwachs erhalten die Teilnehmer eine virtuelle Geldsumme. Platzt jedoch der Ballon, verlieren sie alle bisherigen Einnahmen.
Zudem mussten alle Probandinnen und Probanden standardisierte Fragebögen mit Entscheidungsaufgaben ausfüllen. Dabei sollten sie beispielsweise Aktivitäten, wie einem Bungee-Sprung von einer Brücke nach ihrem Risiko auf einer Skala bewerten.
Insgesamt weniger Angst
Dabei zeigte sich deutlich: Nach der Einnahme von Paracetamol waren die Studienteilnehmer risikobereiter im Vergleich zu denen, die kein Paracetamol bekommen hatten. Beim Computertest mit dem Ballon wurde unter Einfluss des Schmerzmittels durchschnittlich 40 Mal aufgepumpt. In der Kontrollgruppe waren es nur 33 Mal. Zudem konnten die Forschenden beobachten, dass diejenigen, die Paracetamol eingenommen hatten, sich insgesamt weniger ängstlich zeigten.
Und auch bei der Auswertung der Fragebögen sahen die Forscher eine höhere Risikobereitschaft durch Paracetamol. Weder ein Bungee-Sprung noch Dunkelheit oder der Beginn einer neuen Karriere konnte die Studienteilnehmer der Schmerzmittel-Gruppe erschrecken. In Anbetracht der Tatsache, dass in den USA fast 25 Prozent der Bevölkerung wöchentlich Paracetamol einnähmen, könnte das beispielsweise im Straßenverkehr unvorstellbare Auswirkungen haben, geben die Forscher zu bedenken. Hinzu komme, dass Paracetamol von den Gesundheitsbehörden in den USA bei Covid-19 empfohlen werde.
Denkbar wäre im Zusammenhang mit den Forschungsergebnissen, dass Infizierte unter Einfluss des Wirkstoffs das Risiko einer Ansteckung anderer nicht mehr gut genug einschätzten und deshalb tatsächlich andere Menschen träfen und infizierten. Die Wissenschaftler rufen deshalb dazu auf, dringend mehr und intensiver zu den Risiken und Nebenwirkungen von frei verkäuflichen Medikamenten zu forschen.
Quelle: ntv.de, jaz