Zehntausende Tote jedes Jahr Gasherde sind "viel schlimmer, als wir dachten"
28.10.2024, 15:51 Uhr Artikel anhören
Hobbyköche schwören auf Gasherde. Wie gefährlich diese jedoch sind, zeigt eine neue Studie.
(Foto: picture alliance / empics)
In jedem dritten Haushalt in der EU wird mit Gas gekocht. Doch laut einer neuen Studie sind Gasherde ein erhebliches Gesundheitsrisiko. Demnach verkürzt deren Nutzung die Lebenserwartung einer Person um fast zwei Jahre.
Jedes Jahr sterben mehr als 40.000 Europäer durch die Nutzung von Gasherden. Das berichten spanische Forschende in einer neuen Studie. Beim Kochen stoßen diese Öfen Stickstoffdioxid und Feinstaub aus, die beide mit Atemwegserkrankungen und vorzeitigem Tod in Verbindung gebracht werden. Die Gefahr sei dabei weit größer als bislang angenommen: Laut der Studie verkürzt die Nutzung eines Gasherds die Lebenserwartung einer Person im Schnitt um fast zwei Jahre.
"Aus der Sicht der öffentlichen Gesundheit sind Gasöfen giftig", sagt die Hauptautorin Juana María Delgado-Saborit, die das Forschungslabor für Umweltgesundheit an der Universität Jaume I in Spanien leitet, in einem Interview mit Bloomberg. Das Problem sei "viel schlimmer, als wir dachten".
Bei ihren Untersuchungen konnten Delgado-Saborit und ihr Team 36.031 vorzeitige Todesfälle pro Jahr auf Gasherde in der EU und weitere 3928 im Vereinigten Königreich zurückführen. Die Zahlen seien dabei eher konservativ, schreibt das Forschungsteam, da in der Studie nur die gesundheitlichen Auswirkungen von Stickstoffdioxid (NO2) und nicht von anderen Gasen wie Kohlenmonoxid und Benzol berücksichtigt wurden.
"Bereits 1978 haben wir erstmals festgestellt, dass die NO2-Belastung in Küchen mit Gasherden um ein Vielfaches höher ist als in Küchen mit Elektroherden", sagt Delgado-Saborit. "Aber erst jetzt sind wir in der Lage, die Zahl der vorzeitig beendeten Leben zu beziffern." Die Studie, die noch nicht von Experten begutachtet wurde, wurde von der gemeinnützigen European Climate Foundation finanziert und ist Teil eines umfassenderen Projekts über sauberes Kochen, das von der European Public Health Alliance organisiert wird. Sie folgt auf einen im letzten Jahr veröffentlichten Bericht, in dem festgestellt wurde, dass die Schadstoffbelastung in europäischen Haushalten weit über den gesetzlichen Grenzwerten liegt.
Gasherd so schädlich wie Passivrauchen
Gasherde verbrennen fossiles Gas und stoßen schädliche Substanzen aus, die die Atemwege reizen. Das ist bekannt. Dennoch wird immer noch in jedem dritten Haushalt in der EU mit Gas gekocht - in Großbritannien sind es 54 Prozent der Haushalte und in Italien, den Niederlanden, Rumänien und Ungarn sogar mehr als 60 Prozent. In Deutschland führen Gasherde hingegen eher ein Nischendasein. Schätzungen zufolge werden hierzulande lediglich 6 Prozent aller Herde mit Gas betrieben.
Vor allem Hobbyköche schätzen die offene Flamme in der Küche. Die Pfanne wird nicht nur sehr schnell sehr heiß, auch die Hitze lässt sich stufenlos regulieren. Dazu reagiert ein Gasherd schnell - sobald die Flamme erlischt, hört auch die Soße auf zu köcheln. Doch das kann auf Kosten der Gesundheit gehen, wie bereits frühere Untersuchungen zeigten.
So fand eine US-Studie aus dem vergangenen Jahr heraus, dass knapp 13 Prozent aller Asthmaerkrankungen bei Kindern auf den Gebrauch von Gasherden zurückzuführen sind. Sie besitzen damit einen ähnlich schädlichen Einfluss wie das Passivrauchen. Auch das Umweltbundesamt kam bereits 2020 in einer Untersuchung zu dem Schluss: "Durch das Kochen und Backen mit Gasherden oder das Rauchen in der Wohnung können kurzzeitig hohe NO2-Belastungen entstehen."
Wer dennoch auf einem Gasherd kocht, sollte darauf achten, die Küche stets gut zu lüften, rät Delgado-Saborit. So könnten die gesundheitlichen Auswirkungen zumindest minimiert werden. Wer aber auf Nummer sicher gehen will, muss laut der Wissenschaftlerin den Gasherd gegen eine elektrische Alternative austauschen.
"Weckruf für Entscheidungsträger"
Der aktuelle Bericht sei die umfangreichste Studie, die sich mit den Auswirkungen von Gasherden auf die Gesundheit befasst, sagte Christian Pfrang Bloomberg. Er ist Professor für Atmosphärenwissenschaften an der Universität Birmingham und war nicht an der Studie beteiligt. "Sie sollte ein Weckruf für Entscheidungsträger sein, denn sie zeigt sehr deutlich, welche Auswirkungen Gasherde auf die Gesundheit der Menschen haben können."
Die Europäische Union hat erst in diesem Monat ihre Vorschriften zur Außenluftqualität verschärft. Standards für die Luftqualität in Innenräumen gibt es allerdings bisher nicht. Die European Public Health Alliance (EPHA) forderte zuletzt, Gasherde durch die Festlegung von Emissionsgrenzwerten aus dem Verkehr zu ziehen, die Umstellung auf sauberere Herde finanziell zu unterstützen und die Hersteller zu verpflichten, ihre Produkte mit deren Verschmutzungsrisiken zu kennzeichnen.
Quelle: ntv.de, hny