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Wird das Mammut es richten? Hoffnung hinter Wiederbelebung ausgestorbener Arten

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Kadaver des Mammutbabys Lyuba, das in Nordrussland entdeckt wurde. Das geologische Alter des Fundes beträgt 37.000 Jahre.

Kadaver des Mammutbabys Lyuba, das in Nordrussland entdeckt wurde. Das geologische Alter des Fundes beträgt 37.000 Jahre.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Das sechste Massenaussterben ist im Gange und der Mensch spielt dabei eine entscheidende Rolle. Massimo Sandal, ein italienischer Biologe, untersucht dieses Phänomen und die Möglichkeit, ausgestorbene Arten wiederzubeleben. Nur, wozu einen Jurassic Park in unserer Zeit?

Wie viel Zeit bleibt der Menschheit noch, bevor sie, wie viele Tierarten vor ihr, ganz ausstirbt? Man forscht und schreibt über das Aussterben von Pflanzen, Tieren, Insekten und stellt sie unter Artenschutz. Die Frage, ob und wenn ja, wann dieses Schicksal auch den Menschen treffen wird, verdrängt man aber lieber.

Für den italienischen Biologen Massimo Sandal ist die Antwort darauf eine Schlussfolgerung. In seinem gerade auf Deutsch beim Hirzel Verlag erschienenen Buch "Die Melancholie des Mammuts" schreibt er: Wenn man davon ausgeht, dass es "ein Asteroid war, der die Dinosaurier ausgelöscht hat", sollte das "zwangsläufig zu der Einsicht führen, dass eines Tages auch wir durch einen Asteroiden ausgelöscht werden könnten".

Das mit dem Aussterben der Menschheit hat aber noch etwas Zeit. Und es ist auch nicht das eigentliche Thema, mit dem sich Sandal befasst, der im Bereich der Biotechnologie und -informatik arbeitet, seit 2013 in Aachen lebt und am Forschungszentrum Jülich arbeitet. Sein Interesse gilt, wie man aus dem Untertitel entnimmt, "Ausgestorbene(n) Tierarten und wie sie zu neuem Leben erweckt werden können".

Der sechste Massenartenschwund

Genaugenommen könnte man den Untertitel als Köder bezeichnen, der beim Leser Fantasien erwecken soll. "Der Wunsch, das Verlorene wiederherzustellen, gehört zur menschlichen Natur", sagt Sandal im Gespräch mit ntv.de. "Außerdem ist da noch die Faszination der Kinder für Dinos und Mammuts ". Wobei diese nicht nur die Kleinen in ihren Bann ziehen. Auch in der Kunst waren sie schon immer ein beliebtes Sujet und bleiben es bis heute. Ein Paradebeispiel hierfür ist Michael Crichtons Bestseller "Jurassic Park", den Steven Spielberg zu einem Kassenschlager auf der Leinwand verwandelt hat.

Natürlich geht es im Buch um die Wiederbelebung von ausgestorbenen Tierarten, im Fachjargon spricht man von "De-Extinction". Der Autor nähert sich dem Thema Schritt für Schritt: einem Massenaussterben nach dem anderen. Und so erfährt man, dass wir uns gerade im sechsten befinden. Arten- und Massenaussterben ist an sich also nichts Neues. "Neu ist stattdessen, die Geschwindigkeit, mit der dieses gerade stattfindet", hebt Sandal hervor. "In den letzten 500 bis 1000 Jahren haben wir so viele Tierarten verloren wie früher im Laufe von 10.000 bis 20.000 Jahren."

Das Buch ist sowohl für den Laien als auch den Fachkundigen fesselnd. Der Autor versteht, wissenschaftliche Erkenntnisse mit Erzählungen und Anekdoten zu verflechten und zu beleben. Über die Fossilien schreibt er: "Es ist, als hätte man ein echtes Tier in der Hand (den präzisen Abdruck, die genaue Stelle, wo es sich befand) und könnte doch nicht mehr tun, als von der Oberfläche auf sein Wesen zu schließen." Seine Beschreibung verwandelt diese versteinerte Welt in eine Sprache, die man gerne beherrschen würde, um allein im Buch der Urgeschichte blättern zu können.

Der Mensch als Mann mit der Sense

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Neben dem Fesselnden gibt es aber auch das Gnadenlose. Während sich der erste Teil des Buchs mit der Vorgeschichte befasst, geht es im zweiten Teil um den Menschen, und darum, was dieser zum sechsten Massenaussterben beigetragen hat. Sandal schreibt: "Wir leben in einer geologischen Epoche, die wir uns nicht ausgesucht, sondern eigenhändig erschaffen haben." Wobei die Hauptursache dafür die Lebensmittel sind, die wir anbauen, züchten und fischen. "Wir essen die Erde bei lebendigem Leib auf", hebt er hervor und vergleicht deswegen die Menschen mit Affen mit Sense, "die mit dem Korn auch alle anderen Lebewesen niedermähen."

Im Gespräch mit ntv.de ist es Sandal aber wichtig zu unterstreichen, dass "Lebewesen, gleich welcher Art, weder gut noch schlecht sind. Sie sind, wie sie sind. Und das gilt auch für den Menschen." Erst nachdem all das beschrieben und besprochen wurde, befasst sich der Autor mit dem Thema "De-Extinction", also mit den Wiederbelebungswünschen, und -fantasien, die im Menschen wohnen.

Der Autor erzählt hierzu die Geschichte von Lutz Hecks Versuch in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts, den Auerochsen zu neuem Leben zu erwecken. Lutz Heck war ein überzeugter Nazi und sah im Auerochsen "ein Symbol der 'germanischen' Heimat", die es unbedingt zu erhalten galt.

Aber geht das überhaupt, einen Auerochsen oder ein Mammut zu neuem Leben zu erwecken? Und warum sollten wir das überhaupt wollen? "Na ja, wir befinden uns gerade in einer ökologischen Krise, und Krisen können, wie schon gesagt, Nostalgie und Fantasien erwecken."

Das ist ein Grund. Im Kapitel "Das Pleistozän von morgen" erzählt Sandal dann auch von dem russischen Ökologen Sergey Simov, der im Norden Sibiriens einen Pleistozän-Park angelegt hat. Dabei handele es sich um die Wiederherstellung einer "heute fast nicht mehr existierenden Polarsavanne, Steppentundra oder 'Mammutsteppe' genannt, die während der letzten Eiszeit das größte Biotop der Erde war und sich von Frankreich bis in den äußersten Osten Asiens und weiter nach Kanada erstreckte."

De-Extinction ist kein Hirngespinst

Warum er sich diesem Projekt widmet, hat der russische Wissenschaftler in einem Interview so erklärt: "Es wäre sicher nett, wenn hier auch Mammuts herumlaufen würden, aber ich tue das alles weder für sie noch für irgendwelche anderen Tiere. Ich bin nicht einer dieser verrückten Wissenschaftler, die die Welt grün machen wollen. Ich möchte das umfassende Problem des Klimawandels lösen. Ich tue das für die Menschen. Ich habe drei Töchter. Ich tue das für sie."

Vom wissenschaftlichen Standpunkt her sei die Idee, ein zigtausend Jahre zurückliegendes Zeitalter zu rekonstruieren, kein Hirngespinst, meint Sandal. Was stattdessen unmöglich sei, ist diese zu verwirklichen. "Wenn wir, um den Klimawandel aufzuhalten, auf die Herstellung eines Pleistozän-Ökosystems in Eurasien warten müssten, wären wir schon lange davor ausgestorben."

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Außerdem gebe es da noch ein anderes Problem, und zwar ein Mammut aus dem Reagenzglas zu zaubern. Seine Funktion wäre es, wie einst, die Steppe so zu zertrampeln, dass sie den mittlerweile vom Klimawandel angegriffenen Permafrost schützt. Wie aber Beth Shapiro, eine der führenden Forscherinnen auf diesem Gebiet, im Buch zitiert wird, handelt es sich bei dem De-Extinction-Versuch ihrer Meinung nach um ein Bio-Engineering-Projekt, "bei dem das biologische Endprodukt nach dem Vorbild von etwas gestaltet wird, das die Evolution hervorgebracht hat, das aber leider verloren gegangen ist".

Anders gesagt, was im Laufe der Zeitalter zerstört wurde, kann nicht eins zu eins wiederhergestellt werden. Ganz gleich, ob es die geologische Ära war, die das Aussterben verursachte, oder der Mensch.

Quelle: ntv.de

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