Tödliche Krankheit in US-Wäldern Jäger sterben nach Verzehr von "Zombie"-Hirschfleisch
26.04.2024, 18:21 Uhr Artikel anhören
Die Chronic Wasting Disease wurde inzwischen in 32 US-Bundesstaaten und auch in Kanada nachgewiesen.
(Foto: picture alliance / Sipa USA)
Eine heimtückische Krankheit greift in Nordamerika um sich: Sie lässt Rehe und Hirsche wie Zombies wirken. Apathisch und sabbernd schleppen sich die Tiere durch die Wälder, bis sie verenden. Jetzt gibt es erste Hinweise, dass die "Zombie-Krankheit" auch Menschen befallen kann.
Sie taumeln teilnahmslos herum, sabbern und werden immer dünner, bis sie schließlich verenden: Hirsche und Rehe leiden in Nordamerika an einer Hirnkrankheit, die stark an BSE bei Rindern erinnert. Wegen der Symptome sprechen Forschende und US-Medien von der "Zombie-Hirsch-Krankheit", wissenschaftlich heißt die tödliche Erkrankung des zentralen Nervensystems Chronic Wasting Disease (CWD). Bislang verbreitet sich CWD unter Hirschen, Elchen und Rentieren. Doch jetzt gibt es erste Berichte, dass die Krankheit womöglich auch Menschen befallen kann.
Ein Ärzteteam der University of Texas beschreibt in der Fachzeitschrift "Neurology" den Fall zweier Jäger, die nach dem Verzehr von Wildfleisch aus einer von CWD betroffenen Hirschpopulation gestorben sind. Demnach wirkte einer der Männer vor seinem Tod verwirrt und aggressiv. Die Symptome hätten sich innerhalb kurzer Zeit entwickelt und rasch verschlechtert, heißt es in der Studie.
Der Freund des Mannes, ebenfalls Mitglied der gleichen Jagdgesellschaft, starb den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zufolge zu einem späteren, nicht näher bezeichneten Zeitpunkt. Er habe zuvor ähnliche Symptome wie sein Jagdkumpel entwickelt, schreiben die Medizinerinnen und Mediziner. Eine Obduktion habe schließlich ergeben, dass dieser zweite Patient an der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit gestorben sei.
Gehirn nimmt schwammartige durchlöcherte Struktur an
Sowohl Creutzfeldt-Jakob beim Menschen als auch Rinderwahn, wie die bovine spongiforme Enzephalopathie (BSE) umgangssprachlich genannt wird, und die "Zombie-Hirsch-Krankheit" (CWD) gehören zu den sogenannten Prionenkrankheiten. Prionen sind abnorme Proteine, vor allem im Gehirn, die sich nicht richtig gefaltet haben. Die Art der Faltung ist maßgebend für die Funktion der Eiweiße im Körper. Ist diese falsch, kann das Protein seine Aufgabe nicht erfüllen. Prionen haben dabei noch einen heimtückischen Kniff auf Lager: Sie bringen umliegenden Proteinen bei, sich ebenfalls falsch zu falten. So breitet sich das funktionsgestörte Gewebe immer weiter aus.

Die Verbreitung der Chronic Wasting Disease in den USA (Stand: Februar 2024)
(Foto: Bryan Richards, Emerging Disease Coordinator/National Wildlife Health Center)
Die krankhaft gefalteten Proteine lagern sich nach und nach im Gehirn ab und sorgen für den Verfall der Nervenzellen. Bei fortschreitender Erkrankung nimmt das befallene Gehirn eine schwammartig durchlöcherte Struktur mit fadenförmigen, proteinhaltigen Ablagerungen an. Der Prozess ähnelt einer Art beschleunigter Demenz und kann weder aufgehalten noch geheilt werden.
Prionenerkrankungen verlaufen somit immer tödlich. Einen gravierenden Unterschied zwischen beispielsweise Creutzfeldt-Jakob und CWD bei Hirschen gibt es allerdings: Mit CWD befallene Tiere scheiden die Prionen auch aus und können sie so auf andere Tiere übertragen. Noch bevor Symptome auftreten, sind Speichel und andere Körperflüssigkeiten ansteckend, wie die Wissenschaftszeitschrift "Spektrum" schreibt. Außerdem überleben die Prionen im Boden, auf Pflanzen und anderen Oberflächen jahrelang, wodurch sich auch zu einem späteren Zeitpunkt noch Tiere anstecken können.
Nur Hinweis, kein Beweis
Seit längerem befürchten Experten, dass CWD auch auf den Menschen überspringen könnte. Seit BSE weiß man, dass sich Menschen mit tierischen Prionen anstecken und davon krank werden können. Es wird sogar vermutet, dass die neue Variante der tödlich verlaufenden Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (heute als nvCJD bekannt) beim Menschen durch den Verzehr von BSE-verseuchtem Rindfleisch hervorgerufen wird. Außerdem ist bereits nachgewiesen, dass Prionen von CWD auch Raubtiere, Nager und sogar Affen befallen.
Ob die zwei Jäger tatsächlich an CWD gestorben sind, müssen weitere Untersuchungen zeigen, wie auch das Forschungsteam schreibt. Es gebe zwar "Hinweise auf eine mögliche Tier-Mensch-Übertragung", heißt es in der Studie. Ein gesicherter Beweis sei das aber nicht. Denn Prionenkrankheiten sind nur schwer voneinander zu unterscheiden und können in seltenen Fällen auch spontan ohne äußerliche Faktoren auftreten.
Dennoch mahnen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: Weitere Untersuchungen zu den potenziellen Risiken des Verzehrs von CWD-infiziertem Rotwild und den Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit seien dringend notwendig. "Eine Häufung von sporadischen Creutzfeldt-Jakob-Fällen kann in Regionen mit bestätigten CWD-Hirschpopulationen auf eine mögliche artenübergreifende Prionenübertragung hindeuten. Überwachung und weitere Forschung sind unerlässlich, um diesen möglichen Zusammenhang besser zu verstehen".
Quelle: ntv.de