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Nicht alle müssen Veganer werden Klimafreundlich essen geht auch ohne Verzicht

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Wer mehr pflanzliche als tierische Produkte auf den Teller bringt, spart Treibhausgase - bei flexitarischer Ernährung 27 Prozent, bei vegetarischer sogar 47 Prozent.

Wer mehr pflanzliche als tierische Produkte auf den Teller bringt, spart Treibhausgase - bei flexitarischer Ernährung 27 Prozent, bei vegetarischer sogar 47 Prozent.

(Foto: Christin Klose/dpa-tmn)

Viele Menschen versuchen ihr Leben klimafreundlicher zu gestalten, auch beim täglichen Essen. Dazu muss man nicht unbedingt vegan oder vegetarisch leben - auch mit anderen Maßnahmen ist schon viel gewonnen. Und die sind gar nicht so schwierig und ausgefallen, sondern oft ganz simpel.

Geht es um die Klimakatastrophe, denken wir häufig - vielleicht mit schlechtem Gewissen - an die letzte Flugreise, die nächste Bestellung im Internet oder das viele Plastik in unserem Müll. Ein großer Teil der Ursache für viele Naturschäden ist uns aber noch viel näher und entsteht durch das, was täglich auf unserem Teller landet.

"Es kommt drauf an, wie man rechnet, aber rund ein Viertel der Treibhausgase entstehen auf dem Weg vom Acker bis zum Teller", sagt die Agraringenieurin Britta Klein vom Bundeszentrum für Ernährung und zählte Ursachen auf: weil bei der Tierhaltung umweltschädliche Gase entstehen, weil Böden zerstört werden und Tierarten sterben, aber auch bei der Verarbeitung und beim Transport von Lebensmitteln.

Verbotskultur führt zu nichts

Ein nachhaltiger Speiseplan heißt nicht unbedingt Verzicht. Oft reicht es schon, einen Teil der Zutaten auszutauschen. Oder wie hier: Statt Leberwurstbrot gibt es eine herzhafte Alternative, Röstbrot mit Ofenkürbis.

Ein nachhaltiger Speiseplan heißt nicht unbedingt Verzicht. Oft reicht es schon, einen Teil der Zutaten auszutauschen. Oder wie hier: Statt Leberwurstbrot gibt es eine herzhafte Alternative, Röstbrot mit Ofenkürbis.

(Foto: Dirk Przibylla, Vesta Laurenz/Ve)

"Es muss jedem klar sein, dass die Gesundheit der Menschen von der Gesundheit der Erde abhängt", sagt sie. Das klingt mahnend, aber Klein weiß auch, dass Verbotskultur zu nichts führt und Verzicht mit einem nachhaltigen Speiseplan nichts zu tun hat. Essgewohnheiten seien tief in uns verwurzelt und da lassen wir uns ungern hineinreden - erst recht nicht von der Politik.

"Wir müssen den Leuten die Last nehmen, dass sie alles falsch machen. Sie sollen nicht aufhören, Fleisch zu essen. Nachhaltig produziertes Bio-Fleisch aus der Region ist okay, problematisch ist die Massentierhaltung", so Klein. Denn die Ackerfläche, die für den Anbau von Futtermittel gebraucht wird, fehlt, um dort pflanzliche Lebensmittel anzubauen. Und die bräuchten wir, um langfristig alle satt zu bekommen.

Auch wenn die Deutschen mit rund einem Kilo die Woche mehr als doppelt so viel Fleisch essen, wie es die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, ist der Fleischkonsum rückläufig: 20 Prozent essen täglich Fleisch und Wurst, vor acht Jahren waren es noch 34 Prozent, heißt es in dem repräsentativen Ernährungsreport 2023 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.

Nicht auf Fleisch verzichten, aber Menge reduzieren

Ähnlich wie Klein sieht es auch Melanie Kirk-Mechtel. Sie ist Autorin des Buches "So gut schmeckt Klimaschutz", das die Verbraucherzentrale NRW herausgegeben hat. "Es geht nicht um Verzicht, sondern darum, den Fleischkonsum zu reduzieren und Fleisch bewusst zu genießen", sagt die Ernährungswissenschaftlerin.

Auch bei der Milch kann man mixen und eine Hälfte der Kuhmilch durch Pflanzendrinks aus Nüssen, Hafer oder Lupinenkernen ersetzen.

Auch bei der Milch kann man mixen und eine Hälfte der Kuhmilch durch Pflanzendrinks aus Nüssen, Hafer oder Lupinenkernen ersetzen.

(Foto: Zacharie Scheurer/dpa-tmn)

"Pflanzenbasiert zu essen, heißt nicht vegetarisch oder vegan zu leben, sondern einfach nur, dass wir den pflanzlichen Anteil in unserer Ernährung erhöhen", so Kirk-Mechtel. Wenn wir alle halb so viel Fleisch essen würden, dann wäre aus ihrer Sicht viel fürs Klima getan: Bei flexitarischer Ernährung könnten wir 27 Prozent Treibhausgase einsparen, bei vegetarischer sogar 47 Prozent.

Hälfte der Bulette durch Pilze ersetzen

Beide Expertinnen empfehlen, das fehlende Protein zu ersetzen, etwa durch Hülsenfrüchte oder Nüsse. Dafür gibt es in Kirk-Mechtels Buch über 70 Rezepte. Diese sind nach Jahreszeiten sortiert, können also mit regionalen und saisonalen Produkten zubereitet werden. Ihr Rezept für Buletten zeigt, wie sich Fleisch reduzieren lässt: Kirk-Mechtel ersetzt die Hälfte des Fleisches durch Pilze. "Mir schmecken die Frikadellen so sogar noch besser, sie sind fluffiger", sagt sie.

Dafür wird das Hackfleisch zu gleichen Teilen durch Champignons ersetzt. Die werden, fein gewürfelt, in etwas Öl knusprig angebraten und dann zusammen mit den üblichen anderen Zutaten wie Zwiebeln, Semmelbröseln, Senf und natürlich dem Hackfleisch durchgeknetet, zu Buletten geformt und dann angebraten.

Ein Schokokuchen kann ganz ohne Eier und andere tierische Zutaten auskommen, wenn sie durch pürierte weiße Bohnen ersetzt werden. Das macht ihn schön saftig.

Ein Schokokuchen kann ganz ohne Eier und andere tierische Zutaten auskommen, wenn sie durch pürierte weiße Bohnen ersetzt werden. Das macht ihn schön saftig.

(Foto: Aileen Kapitza/minzgruen.com/dpa)

Noch ein Beispiel: Für ihre Bolognese verwendet die Autorin einfach weniger Hackfleisch: 150 Gramm für zwei Portionen, und mehr Suppengemüse, nämlich 400 Gramm. "Das schmeckt trotzdem wie klassische Bolognese."

Wer nach einer Sahne-Alternative sucht, um Cremesuppen rein pflanzlich zu verfeinern, kann dafür 50 Gramm Cashewkerne mit 50 Gramm Rapsöl, 150 Milliliter Wasser und einer Prise Salz vermengen und in einem Mixer glatt pürieren. Kirk-Mechtel ermutigt, zu experimentieren: "Mein Schokokuchen kommt ohne Eier und andere tierische Zutaten aus und wird durch pürierte weiße Bohnen schön saftig."

Gut fürs Klima: Lebensmittelverschwendung vermeiden

Mehr Pflanzen auf den Teller, ist auch eine Devise von Verena Hirsch. Ihr Tipp: "Bei der Milch oder beim Joghurt einfach mal die Hälfte durch Soja- oder Hafer-Produkte ersetzen. Geschmack ist eine Frage der Gewohnheit und den können wir trainieren." Die 29-Jährige ist Influencerin für nachhaltige Ernährung. Rund 24.000 Menschen folgen ihrem Instagram-Accout "allmydeer". Die Tipps, die sie dort und auf dem gleichnamigen Blog veröffentlicht, hat sie jetzt in dem Buch "Deine Küche kann nachhaltig" zusammengefasst.

Auch beim Obst- und Gemüsekauf sollte man nicht nur darauf achten, ob die Produkte regional, saisonal und nachhaltig sind, sondern auch, ob sie daheim gerade gebraucht werden.

Auch beim Obst- und Gemüsekauf sollte man nicht nur darauf achten, ob die Produkte regional, saisonal und nachhaltig sind, sondern auch, ob sie daheim gerade gebraucht werden.

(Foto: Christin Klose/dpa-tmn)

Hirsch ist auf dem Bio-Bauernhof ihrer Eltern bei Regensburg aufgewachsen. Sie weiß daher, wie viel Arbeit und Energie es braucht, um Lebensmittel zu produzieren. Das Thema Lebensmittelverschwendung ist daher ihr zweites großes Anliegen. "Mein wichtigster Einkaufstipp ist, sich nicht zu fragen, ob ein Produkt regional, saisonal oder plastikfrei ist, sondern: Kann ich das aufessen?" Denn jedes Lebensmittel, das auf dem Müll landet - in Deutschland sind das 11 Millionen Tonnen - hat bereits Treibhausgase produziert. Über die Hälfte der Abfälle stammt dabei aus privaten Haushalten.

Vorräte auf Tafel notieren

Praktischer Tipp für den Alltag: Auf einer Tafel werden Vorräte notiert. So weiß man immer, was im Haus ist. Das vermindert unnötige Käufe und Lebensmittel, die im Müll landen

Praktischer Tipp für den Alltag: Auf einer Tafel werden Vorräte notiert. So weiß man immer, was im Haus ist. Das vermindert unnötige Käufe und Lebensmittel, die im Müll landen

(Foto: Verena Müller/Gräfe und Unzer/dpa-tmn)

"Nachhaltige Ernährung setzt nicht voraus, vegan zu leben, CO2-Bilanzen zu addieren, viel mehr Geld fürs Essen auszugeben oder nur im Bio-Laden einzukaufen" sagt Hirsch. In ihrem Buch teilt sie Tipps aus ihrem Alltag: Die Frage, was es zu essen gibt, beginne bei ihr zum Beispiel nicht beim Einkauf, sondern bei den Vorräten. Auf einer Tafel notiert die Bloggerin, welche Vorräte wo lagern - kühl, tiefgekühlt oder trocken. "So habe ich alle Vorräte im Blick und die Tafel gibt mir Inspirationen, was ich kochen könnte."

Für ihre Devise "erst aufbrauchen, dann neu kaufen" hat sie eine "Zutaten-Tauschbörse" erstellt. Das ist eine Übersicht, welche Lebensmittel sich gegenseitig geschmacklich gut ersetzen lassen. Zum Beispiel Mangold, Pak Choi und Rote-Bete-Blätter oder Erbsen, grüne Bohnen und Zuckerschoten. So werde der Vorratsschrank leerer und der Geldbeutel bleibe voll.

Quelle: ntv.de, Julia Uehren, dpa

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