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Ungesunde Rauch-Alternative So schädigen E-Zigaretten die Blutgefäße

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Ein Gefühl von Nikotin-Freiheit? E-Zigaretten sind aufgrund der geringeren Konzentration von Schadstoffen im Dampf sicher weniger schädlich als normale Zigaretten - aber trotzdem nicht gesund.

(Foto: imago images / Westend61)

Eine Analyse bestätigt: E-Zigaretten sind keine wirklich gesunde Alternative zum Tabakrauchen. Einige Substanzen im Dampf können die Blutgefäße angreifen. Experten sehen für Jugendliche eine große Gefahr, abhängig zu werden. E-Zigaretten würden zunehmend zur Einstiegsdroge für künftige Raucher.

Die Verbreitung von E-Zigaretten hat rasant zugenommen. Nun konnten Herzmediziner zeigen, auf welchen Wegen E-Zigaretten Blutgefäße, den Blutdruck und letztlich auch das Hirn beeinflussen. Das Team um Thomas Münzel von der Universität Mainz präsentiert seine Ergebnisse im "European Heart Journal". Der Forscher ist überzeugt davon, dass Deutschland über ein generelles Verbot von E-Zigaretten nachdenken sollte - vor allem, um Jugendliche zu schützen. "Wir können nicht zulassen, dass eine ganze Generation nikotinsüchtig wird."

Die Forscher hatten zunächst 20 gesunde Tabakraucher E-Zigaretten dampfen lassen und 15 Minuten danach die Durchblutung der Oberarmarterie untersucht. Die Herzfrequenz habe zugenommen und die die Arterie wurde beeinflusst. "Trotz der Tatsache, dass kein Tabakprodukt enthalten ist, führt das akute E-Zigaretten-Dampfen zu einer deutlichen Verschlechterung der Gefäßfunktion (Endothelfunktion) von Rauchern", beobachtete Münzel. Auf Dauer könne das zu mehr Herzkreislauf-Ereignissen wie koronaren Herzerkrankungen, Bluthochdruck und Herzschwäche führen.

Was geschieht genau?

Doch was geschieht genau? Um das zu klären, setzten die Forscher insgesamt 124 Mäuse an einem, drei oder fünf Tagen sechsmal täglich 20 Minuten E-Zigaretten-Dampf aus. Ergebnis: Bei den Tieren erhöhte sich die Herzfrequenz, die Arterien versteiften sich. Die Funktion der inneren Auskleidung der Blutgefäße, des Endothels, war beeinträchtigt. Das Endothel spielt eine wichtige Rolle im Körper: Es reguliert Entzündungsprozesse, erweitert und verengt Gefäße, schützt das Gewebe vor Giften und verhindert Gefäßverkalkung.

Die Forscher machten verschiedene Faktoren ausfindig, über die der Dampf auf die Blutgefäße wirkt. Eine Schlüsselrolle spielt demnach das körpereigene Enzym NOX-2, das unter anderem an der Bakterienabwehr beteiligt ist. Das giftige Acrolein im E-Zigaretten-Dampf aktiviere die körperschädigenden Effekte von NOX-2, erläutern die Forscher. In der Folge entstehen in den Blutgefäßen reaktive Sauerstoffverbindungen, es kommt zu sogenanntem oxidativem Stress und zu Entzündungsreaktionen.

27 genetisch veränderte Mäuse, die kein NOX-2 bildeten, zeigten wesentlich weniger Auswirkungen. Wenn überhaupt vorhanden, waren sie viel schwächer als bei den übrigen Mäusen. Zudem entdeckten die Forscher, dass zwei Wirkstoffe - Macitentan und Bepridil - die Mäuse vor solchen Folgen von E-Zigaretten schützen können und fanden so weitere Signalwege, auf denen Substanzen aus E-Zigaretten auf Blutgefäße wirken können.

Versuche übertragbar auf Menschen

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E-Zigaretten erweisen sich mehr und mehr als Einstiegsdroge für künftige Raucher, sagt Thomas Münzel von der Universität Mainz.

(Foto: picture alliance/dpa)

Münzel sieht die Tierversuche mit Einschränkungen als durchaus übertragbar auf den Menschen. Mit den Experimenten sei der Beweis geliefert, dass Acrolein aus E-Zigaretten-Dampf über NOX-2-Aktivierung zu oxidativem Stress in Blutgefäßen einschließlich denen in Lunge und Gehirn führt. "Insofern kann man auf keinen Fall von einer gesunden Alternative für Raucher sprechen", betonte Münzel. Auch wenn es sich aus der Studie nicht direkt ablesen lasse, so seien künftige Organschäden bei einer Daueranwendung von E-Zigaretten sehr wahrscheinlich.

E-Zigaretten seien aufgrund der geringeren Konzentration von Schadstoffen im Dampf sicher weniger schädlich als normale Zigaretten, erwiesen sich jedoch mehr und mehr als Einstiegsdroge für künftige Raucher, betonte Münzel. Er spricht sich unter anderem für Gesetzesvorgaben aus, die verhindern, dass junge Menschen Zugang zu Tabakerzeugnissen und E-Zigaretten haben. Auch müsse es ein Werbeverbot für E-Zigaretten geben. Jugendliche und ihre Familien sollten zudem verstärkt über die gesundheitlichen Risiken aufgeklärt werden.

E-Zigaretten gesundheitsschädlich, Tabak aber noch gefährlicher

Ute Mons vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) sieht E-Zigaretten zwar auch als gesundheitsschädlich an, Tabakzigaretten aber als noch gefährlicher. Ähnliche Mechanismen wie die in der Studie entdeckten seien auch von Tabakrauchern bekannt.

Je nach Temperatur und Glyceringehalt entstehe in E-Zigaretten mehr oder weniger Acrolein. Generell sei im Dampf in der Regel aber weniger Acrolein vorhanden als im Rauch herkömmlicher Zigaretten. "Die Herz-Kreislauf-Effekte des Rauchens sind auch wesentlich stärker als beim Dampfen", so Mons. Insgesamt gebe es im Dampf der E-Zigaretten auch wesentlich weniger verschiedene Schadstoffe, sagte die Leiterin der DKFZ-Stabsstelle Krebsprävention.

"Dampfen wollen wir natürlich nicht propagieren", betonte Mons. Wichtig seien das bestehende Verkaufsverbot für unter 18-Jährige und weitere Werbebeschränkungen. Für Zigarettenraucher sei es gesünder, wenn sie mit Entwöhnungsprogrammen komplett aufhörten. "Für die, die dies nicht wollen oder können, ist es aber besser, E-Zigaretten zu verwenden, statt weiter zu rauchen."

Langzeiteffekte des Dampfens noch nicht untersucht

Die in der Studie gemessenen Effekte auf die Gefäßfunktion seien kurzfristig und vorübergehend. Langzeiteffekte des Dampfens seien noch nicht untersucht. "Man sieht nur Kurzzeiteffekte, die auf lange Sicht aber zu Arteriosklerose führen könnten", erklärte Mons. Von Zigarettenrauchern sei bekannt, dass sich die Herz-Kreislauf-Effekte nach dem Aufhören in der Regel relativ schnell verminderten.

"Wir brauchen mehr Zeit, um den Langzeiteffekt von E-Zigaretten messen zu können", sagte auch Harm Wienbergen von der Projektgruppe Prävention der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie. Der Professor vom Bremer Klinikum Links der Weser plädiert ebenfalls für Werbeverbote und Aufklärung.

Quelle: ntv.de, Simone Humml, dpa

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