Epitheloides AngiosarkomAn dieser seltenen Krebserkrankung leidet Thomas Gottschalk
Von Hedviga NyarsikErst bizarre Auftritte, dann wird die erschütternde Diagnose bekannt: Thomas Gottschalk leidet an einem epitheloiden Angiosarkom. Die Krebserkrankung ist extrem selten und besonders aggressiv. Was Betroffene erwartet - und warum die Heilungschance stark vom Verlauf abhängt.
Thomas Gottschalk hatte in den vergangenen Wochen mit bizarren Auftritten für Stirnrunzeln gesorgt. Nun wird klar, was hinter seinem veränderten Auftreten stecken könnte. Der Entertainer kämpft gegen Krebs - dazu noch mit einer sehr seltenen und aggressiven Form: dem sogenannten epitheloides Angiosarkom. Was ist das für eine Krebserkrankung, die selbst vielen Ärztinnen und Ärzten nur selten im Berufsleben begegnet? Wie wird sie behandelt? Und stehen die Heilungschancen?
In der Regel entstehen bösartige Tumore aus Epithelzellen, die das Deckgewebe der Haut und die Schleimhäute der inneren Organe bilden, zum Beispiel der Lunge, der Brust, der Prostata oder auch dem Darm. Diese Wucherungen werden Karzinome genannt. Sarkome sind dagegen bösartige Tumore der Weichteile und des Knochengewebes. Sie machen nur etwa ein Prozent aller Krebserkrankungen aus. Angiosarkome sind noch seltener und entwickeln sich aus Endothelzellen - jenen Zellen, die Blut- und Lymphgefäße auskleiden. Das sogenannte epitheloide Angiosarkom, an dem Gottschalk leidet, ist dabei eine weitere Unterform, die sich durch besonders große, teils karzinomähnliche Tumorzellen auszeichnet. Schätzungen zufolge gibt es in Deutschland nur einige Dutzend Neuerkrankungen pro Jahr.
Das epitheloide Angiosarkom kann praktisch überall im Körper auftreten, tritt aber meist in Haut, Bindegewebe, Brustdrüse, Leber und Milz auf. Bei Thomas Gottschalk scheint den Angaben seiner Frau zufolge unter anderem die Harnleiter und die Blase betroffen zu sein. Die Tumore entwickeln sich auf der Innenseite der Blutgefäße und Lymphbahnen - dort können sich Metastasen bilden und ausbreiten.
Frühe Diagnose entscheidend für Heilungschance
Die Symptome sind anfangs oft unspezifisch, etwa rötlich-bläuliche Hautveränderungen, Schwellungen oder Knoten, die leicht mit Hämatomen oder Entzündungen verwechselt werden. Laut der Deutschen Gesellschaft für Dermatochirurgie zeigen sich die Flecken zunächst in der Kopf-Hals-Region, am Unterarm und Unterschenkel. Bei tiefer im Körper gelegenen epitheloiden Angiosarkomen stehen eher unspezifische Beschwerden wie Schmerzen, Druckgefühl oder Funktionseinschränkungen im Vordergrund. Das erschwert die Diagnose, die Krankheit wird häufig erst spät erkannt.
Dabei ist eine frühe Entdeckung entscheidend für die Heilungschance. Angiosarkome wachsen in der Regel sehr schnell und können frühzeitig metastasieren. Weil sie aus Gefäßzellen stammen, breiten sie sich leicht über Blut- oder Lymphbahnen aus. Medizinische Fachgesellschaften betonen daher: Je kleiner der Tumor, desto größer die Chance, ihn vollständig zu entfernen.
Die Therapie ist komplex und hängt stark vom Stadium ab. Möglich sind Operationen, Strahlen- und/oder Chemotherapie. Aufgrund der Seltenheit dieser Tumore gibt es allerdings nur begrenzte Studiendaten und nur wenige standardisierte Therapieschemata.
Opioide gegen die Schmerzen
Thomas Gottschalk wurde bereits mehrfach operiert, wie seine Frau Karina Gottschalk der "Bild"-Zeitung erzählt: "Thomas wurde sofort operiert. Sie mussten sowohl einen Teil der Harnleiter als auch von der Blase wegnehmen." Bei einer zweiten OP hätte man ihm "zum Becken hin noch große Teile des Weichgewebes entfernt", ergänzt der TV-Moderator. Zudem habe er bereits 33 Bestrahlungen durchgemacht.
Gegen die Schmerzen bekommen Patientinnen und Patienten meist Tramadol oder Codein. Bei starken Tumorschmerzen, die bei Angiosarkomen im fortgeschrittenen Stadium häufig auftreten können, werden stärkere Opioide verschrieben, dazu zählen beispielsweise Morphin, Oxycodon oder Fentanyl. Diese Medikamente gehen teils mit schweren Nebenwirkungen einher. "Mit diesen Tabletten fühle ich mich, als würde ich mit meinem Kopf in einer Waschmaschine stecken", sagt Gottschalk der "Bild".
"Das schaffen wir schon"
Laut der Deutschen Sarkom-Stiftung gehören Angiosarkome zu den aggressiveren Tumorarten - und das spiegelt sich leider auch in der Prognose wider. Wie gut die Chancen für eine Heilung stehen, hängt demnach vor allem davon ab, wie groß der Tumor ist und wie tief er bereits ins Gewebe eingedrungen ist. Bei einem neu entdeckten, noch örtlich begrenzten Angiosarkom überleben etwa 70 Prozent der Betroffenen die ersten zwei Jahre. Kommt es zu einem Rückfall, sinkt dieser Wert jedoch deutlich auf rund 30 Prozent. Und hat der Krebs bereits gestreut, überleben nur noch etwa 13 Prozent der Patientinnen und Patienten diese Zeitspanne.
Karina Gottschalk machen die Prognosen Sorgen. "Ich darf den Gedanken gar nicht zulassen, wie schlecht die Heilungschancen bei dieser Krebsform sind. Sonst würde ich verrückt werden", sagt sie. Zum Glück strahle ihr Mann Optimusmus aus. "Thomas ist von Tag eins an positiv und sagt: Das schaffen wir schon. Dadurch hat er mich inzwischen auch auf eine positive Ebene gebracht."
Die genauen Ursachen für die Entstehung eines epitheloiden Angiosarkoms sind bis heute nicht vollständig geklärt. Laut Experten gibt es meist keinen klar erkennbaren Auslöser. Bekannt ist jedoch, dass bestimmte Faktoren das Risiko erhöhen können: Eine frühere Strahlentherapie gehört dazu, ebenso chronische Schwellungen des Gewebes - etwa nach Lymphknotenentfernungen. Auch einige chemische Schadstoffe wie Vinylchlorid oder Arsen stehen im Verdacht, die Entstehung solcher Gefäßtumoren zu begünstigen. In vielen Fällen bleibt jedoch unklar, warum sich die Zellen der Blutgefäße plötzlich unkontrolliert teilen und ein so aggressiver Krebs entsteht.
