Viele Unwetter 2024 Steigt das Risiko, vom Blitz getroffen zu werden?


Der Sommer 2024 war bislang geprägt von zahlreichen Unwetterlagen und Gewittern.
(Foto: Patrick Pleul/dpa)
Schon mehrfach wurden in diesem Jahr Menschen vom Blitz getroffen und getötet. Dabei gelten solche Ereignisse gemeinhin als sehr unwahrscheinlich. Kann es sein, dass die Gefahr durch Blitzeinschläge zunimmt, weil auch extreme Unwetter immer häufiger werden?
Die Wahrscheinlichkeit, vom Blitz getroffen zu werden, wird gerne mal als scherzhafter Vergleich für extrem seltene Ereignisse herangezogen. Dabei ist mit der Verletzungsgefahr während eines Gewitters keineswegs zu spaßen, wie mehrere Fälle aus diesem Sommer zeigen.
Jüngstes Beispiel ist der tragische Tod einer 14-Jährigen aus Delmenhorst, die bei einem Grillausflug mit ihrer Familie vom Blitz getroffen wurde und gut eine Woche später an ihren schweren Verletzungen starb. Auch für einen 18-Jährigen aus Nordrhein-Westfalen endete ein Blitzeinschlag am gleichen Unwetterwochenende tödlich - er und seine Begleiter waren inmitten eines Gewitters auf der Zugspitze unterwegs gewesen. Davor war Anfang Juni ein 29 Jahre alter Mann aus Dresden infolge eines Blitzeinschlages ums Leben gekommen. Das Unglück hatte sich bereits am Pfingstwochenende ereignet und mehrere Menschen lebensgefährlich verletzt.
Unbeständiges Wetter bringt mehr Blitzeinschläge mit sich
Solche Fälle machen bundesweit Schlagzeilen. Wirklich ungewöhnlich sind sie jedoch nicht. Nach Angaben des Verbands der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) werden in Deutschland jedes Jahr etwa 120 Menschen durch Blitzeinschlag verletzt, 7 davon enden tödlich. Nicht umsonst warnen Wetterdienste eindringlich vor Unwetterlagen, in denen schwere Gewitter wahrscheinlich sind und innerhalb kürzester Zeit aufziehen können.
Auch der Sommer 2024 war bisher mehrfach von solchen unbeständigen und mitunter gefährlichen Wetterlagen geprägt gewesen. Dass die vielen Unwetter jedoch zu einem erhöhten Blitzrisiko geführt hätten, kann man nicht so ohne Weiteres behaupten. Zahlen des österreichischen Blitzortungssystems ALDIS (Austrian Lightning Detection & Information System) zeigen beispielsweise, dass es in Deutschland in früheren Jahren schon deutlich häufiger geblitzt hat.
Allerdings seien diese Zahlen mit Vorsicht zu genießen, sagt der ntv.de-Meteorologe Carlo Pfaff. Denn nur zum Teil lassen sich die Schwankungen meteorologisch erklären. "Die Anzahl der Blitzeinschläge hängt sehr von den großräumigen Wetterlagen ab", weiß Pfaff. "So gab es in den Jahren mit sehr trockenen Sommern, also während 2018, 2019 und 2022 eher wenige Blitze. Bei unbeständigen Sommern ist die Anzahl eher höher." Da aber nicht nur die Sommermonate in die Jahresbilanz eingehen und viele weitere Faktoren eine Rolle spielen können, ist der Zusammenhang nicht immer eindeutig ersichtlich.
Hinzu kommt, dass solch eine Blitzstatistik nicht gerade leicht zu führen ist und möglicherweise methodische Schwächen aufweist. Dass zum Beispiel die Zahl der Blitze in den letzten 15 Jahren stark zurückgegangen sein soll, macht den Wetterexperten stutzig. Wettertechnisch sei diese Entwicklung schwer nachzuvollziehen, so Pfaff. Möglicherweise stecke eine veränderte Messmethode dahinter.
Tatsächlich räumen die Macher auf der ALDIS-Webseite selbst ein, dass die dokumentierte Blitzhäufigkeit durch "Änderungen in der Messtechnik und Infrastruktur" beeinflusst sein könnte, und kündigen eine Studie an, in der die Datenreihe genauer analysiert und gegebenenfalls korrigiert werden soll.
Unwettergefahren werden häufig unterschätzt
Trotzdem sollen die historischen Blitzdaten dabei helfen, bestimmte Muster und Trends in der Blitzaktivität aufzudecken. Das größte Risiko, vom Blitz getroffen zu werden, besteht demnach während der Gewittersaison in den Sommermonaten.
Zwischen Mai und August kann die Zahl der Blitzeinschläge laut den ALDIS-Zahlen schnell in den sechsstelligen Bereich hochschießen. Trotz der vielen Gewitter weist der Sommer 2024 aber bislang keine außergewöhnlichen Spitzen auf. Der diesjährige Höchstwert liegt bei knapp 62.000 Blitzeinschlägen, die im Juni verzeichnet wurden.
Das Risiko, vom Blitz getroffen zu werden, steigt aber nicht allein mit der Häufigkeit und Dichte der Einschläge an. Auch das Verhalten im Falle eines Unwetters spielt eine entscheidende Rolle. Tatsächlich müssen Fachleute immer wieder feststellen: Bei den meisten folgenreichen Blitzunfällen waren Leichtsinn oder Fehlverhalten mit im Spiel.
Studie: 30 Prozent der Blitzopfer standen unter Bäumen
Für eine groß angelegte Untersuchung aus dem Jahr 2022 etwa hat ein französisches Forschungsteam die Umstände von mehr als 200 Fällen aus zehn Jahren studiert, in denen Menschen aus Westeuropa durch Blitzeinschläge zu Schaden kamen. In 30 Prozent der Fälle hatten die Blitzopfer unter einem Baum Schutz gesucht, obwohl davon ausdrücklich abgeraten wird. Die hoch aufragenden Baumkronen bieten schließlich ein leichtes Ziel für Blitze. Hinzu kam die Erkenntnis, dass viele der Opfer keineswegs von einem Gewitter "überrascht" worden waren, sondern sich trotz der aufziehenden Bedrohung im Freien aufhielten. Offenbar wird das damit verbundene Risiko von vielen unterschätzt.
Expertinnen und Experten raten zu mehr Vorsicht. Denn ob ein Gewitter vorbeizieht oder sich über dem eigenen Kopf entlädt, lässt sich oft schwer abschätzen. Sicherer sei es, alle Aktivitäten im Freien schon beim ersten Donnergrollen abzubrechen. "Generell sollte man bei Gewitter, wenn möglich, immer sichere Orte aufsuchen", rät auch ntv.de-Meteorologe Pfaff. Das können Gebäude sein oder Autos.
Bestimmte Orte im Freien sollte man hingegen unbedingt meiden: "Im See oder Schwimmbad oder auf Berggipfeln ist es während eines Gewitters lebensgefährlich", so Pfaff. Wer auf offenem Gelände von einem heftigen Gewitter überrascht wird, kann sich an Ort und Stelle zusammenkauern, um eine möglichst kleine Angriffsfläche zu bieten. Bevor es aber dazu kommt, hilft es, einen Blick auf die aktuellen Wetterwarnungen zu werfen - und diese ernst zu nehmen. Neun von zehn Gewittern sind schließlich vorhersehbar, insbesondere was ihre Entwicklung innerhalb der nächsten Stunde betrifft.
Quelle: ntv.de