Gesundes Leben auf dem Bauernhof Warum Kuhstall-Staub gut für Kinder ist


Kinder, die sich viel in Kuhställen aufhalten, haben ein gesünderes Immunsystem.
(Foto: Funke Foto Services)
Die Wissenschaft ist sich einig, dass Kinder, die auf einem Bauernhof aufwachsen, seltener Allergien haben als Stadtkinder. Für vorbeugende Maßnahmen muss man aber genau wissen, warum das so ist. Schritt für Schritt kommt die Forschung dem Ziel näher.
Dass Kinder, die sich viel in Kuhställen aufhalten, seltener an Allergien erkranken als Stadtkinder, ist schon länger bekannt. Unter anderem stellte die Münchner Kinderärztin Erika von Mutius nach dem Mauerfall 1989 erstaunt fest, dass in der DDR aufgewachsene Kinder wider Erwarten trotz der dort hohen Luftverschmutzung nicht deutlich häufiger Allergien hatten. Das genaue Gegenteil war der Fall.
Früher Kontakt mit Endotoxinen
Seitdem beschäftigt sich Erika von Mutius intensiv mit der Thematik, seit diesem Jahr als Leiterin des Instituts für Asthma- und Allergieprävention bei Helmholtz Munich. Unter anderem fand sie 2015 als Forscherin der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) heraus, dass sich im Staub, den Kinder auf Bauernhöfen einatmen, viele Endotoxine befinden. Diese Zellwand-Bestandteile von Bakterien regen die kindliche Immunabwehr an und beugen damit späteren Fehlreaktionen des Immunsystems (Allergien) vor.
Mutius und ein internationales Forscherteam wiesen im Rahmen ihrer Studie nach, dass die Endotoxine das Enzym A20 in der Schleimhaut der Atemwege stimulieren. Das Enzym hemmt daraufhin einen für die Immunreaktion entscheidenden Transkriptionsfaktor, womit die fortschreitende Entzündung gestoppt wird.
Rohmilch stärkt Darmflora
Später stellte sich heraus, dass das Leben auf dem Bauernhof auch das Darm-Mikrobiom fördert. Verschiedene Studien hätten übereinstimmend gezeigt, dass "Kinder, die regelmäßig Rohmilch trinken, besser vor Asthma, Allergien und Atemwegsinfekten geschützt sind", hieß es 2022 in einer Mitteilung von Helmholtz Munich.
Außerdem hätten Kinder mit ausgereiftem Mikrobiom auch hohe Gehalte an kurzkettigen Fettsäuren im Darm, die sie vor einer Erkrankung schützen. Vieles spreche derzeit "für die Idee einer Kommunikationsachse zwischen Darm, Immunsystem und Lunge", so das Helmholtz Munich.
Da in der Rohmilch Krankheitserreger enthalten sein können, arbeitet Mutius aktuell mit minimal behandelter, keimfreier Kuhmilch, in der die günstigen Eigenschaften der Rohmilch weitgehend erhalten sind. Ihr Ziel ist es, damit Allergien bei Kindern vorbeugen zu können.
Daran arbeiten auch Forscherinnen und Forscher am Dr. von Haunerschen Kinderspital des LMU-Klinikums. Sie haben für eine kürzlich im Fachjournal "Allergy" veröffentlichte Studie in einem Labor verschiedene Immunzellen des Blutes mit Stallstaub stimuliert.
Immunsystem wird gestärkt
"Dabei konnten wir zeigen, dass bei Kindern mit manifestem Asthma bestimmte Zellen des angeborenen Immunsystems nach Stimulation mit Farmstaub reduziert werden", sagt Studien-Erstautorin Claudia Beerweiler. "Wohingegen Subgruppen von Zellen des erworbenen Immunsystems vermehrt sind, darunter B-Zellen und bestimmte T-Helferzellen-Populationen. Außerdem sind bestimmte Moleküle reduziert, die mit Entzündung, Zelltoxizität, Antigenpräsentation und speziellen T-Helferzellen in Verbindung stehen."
Zelltoxizität ist die Fähigkeit bestimmter Substanzen oder Mikroorganismen, Zellen zu schädigen oder zu zerstören. Antigenpräsentation ist ein zentraler Prozess bei einer Abwehrreaktion, bei dem Strukturen von Mikroorganismen bestimmter Immunzellen erkennbar gemacht werden. B-Zellen produzieren Antikörper, die Krankheitserreger erkennen und neutralisieren. T-Helferzellen sind Immunzellen, die andere Zellen aktivieren und die Abwehr steuern.
"Wir wissen mittlerweile, dass das angeborene Immunsystem in der Allergieentstehung und auch in der Prävention viel zentraler ist, als wir über Jahrzehnte dachten", sagt Bianca Schaub. Sie ist Professorin der LMU an der Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital. Frühere Arbeiten zeigten bereits, dass der Schutz durch Bauernhofstaub über einen antientzündlichen Effekt vermittelt wird.
Das LMU Klinikum weist auf die Ergebnisse einer im vergangenen Jahr bei JACI veröffentlichten Studie hin, an der auch Erika von Mutius beteiligt war. Laut "Springer Nature" deuten die Ergebnisse der Arbeit darauf hin, dass Kuhstall-Stäube Transportproteine liefern, die die Funktion des menschlichen Immunsystems kalibrieren. Zwei dieser sogenannten Lipokaline kommen laut der Studie sowohl in europäischen Stäuben als auch in jenem aus Kuhställen US-amerikanischer Amish-Gemeinschaften besonders häufig vor.
Auf dem Weg zur Vorbeugung und Therapie
So reihe sich Baustein an Baustein aneinander, um das Geheimnis des Stallstaubs zu lüften, schreibt das LMU Klinikum. Allen Forschenden geht es dabei darum, die darin enthaltenen nützlichen Substanzen zu identifizieren, um damit bei allen Kindern Asthma und anderen Allergien vorzubeugen. Und: "Die Tatsache, dass die Stimulation mit Stallstaub die Immunreaktionen im Labor sogar bei erkrankten Asthmatikern modulieren kann, eröffnet möglicherweise auch neue Wege für die Therapie bereits symptomatischer Kinder", sagt Bianca Schaub.
Quelle: ntv.de