Gleiche Interessen oft Zufall Warum Seelenverwandtschaft eine Illusion sein könnte


Ähnlichkeiten in einer Partnerschaft sind gut. Der gleiche Musikgeschmack ist dabei allerdings nicht ausschlaggebend.
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Wir fühlen uns zu jemanden hingezogen, der unseren Musikgeschmack teilt, eine ähnliche politische Einstellung hat oder einfach nur über die gleichen Dinge lacht. Dass man sich dadurch nicht unbedingt in seinem Wesen ähneln muss, zeigen US-Forscher. Seelenverwandtschaft sei oft eingebildet.
In der Liebe suchen viele Menschen nach einem Partner, bei dem sie eine tiefe Verbundenheit spüren - einen Seelenverwandten. Dieser scheint durch eine naturgegebene Wesensähnlichkeit zu einem zu gehören, was häufig an gleichen Vorlieben und Interessen festgemacht wird. Dass das ein Irrglaube ist, zeigen Forscherinnen und Forscher der Bosten University in einer neuen Studie. Geteilte Interessen spiegelten keine tiefe und grundlegende Ähnlichkeit wider, sondern seien meist einfach nur zufällig.
"Unsere Anziehung zu Menschen, die unsere Interessen teilen, wird durch die Überzeugung unterstützt, dass diese gemeinsamen Attribute von etwas tief in uns angetrieben werden, einer Art 'Essenz'", sagt Studienautor Charles Chu. "Um es konkret auszudrücken: Wir mögen jemanden, der mit uns in einer politischen Frage übereinstimmt, unsere Musikvorlieben teilt oder einfach nur über die gleichen Dinge lacht wie wir." Diese Ähnlichkeiten würden in der eigenen Vorstellung darauf hindeuten, dass diese Person im Grunde genommen wie man selbst sei, führt Chu weiter aus. "Und als solche teilt sie meine Ansichten über die Welt im Allgemeinen."
Dieses Phänomen haben Chu und sein Team in einer Studie, die in der Fachzeitschrift "Journal of Personality and Social Psychology" erschienen ist, mit fast tausend Teilnehmerinnen und Teilnehmern untersucht. Dafür wurden die Probanden mit politischen Positionen oder Gemälden einzelner Künstler konfrontiert. Anschließend sollten sie angeben, wie sehr sie sich zu Personen hingezogen fühlen, die entweder ähnliche oder komplett gegensätzliche Meinungen abgegeben hatten. Das Ergebnis: Die Mehrheit der Teilnehmenden fühlte sich zu denjenigen hingezogen, die eine ähnliche politische Einstellung oder den gleichen Kunstgeschmack hatten.
Die Essenz des Menschen
Dem zugrunde liegt laut Chu ein psychologischer Essenzialismus. Das ist der Glaube, dass Menschen sowie andere Lebewesen im Innersten unveränderliche Eigenschaften haben, die sie ausmachen. Chu nennt als Beispiel den Wolf. "Dieser wird durch eine Wolfsessenz definiert, die allen Wölfen innewohnt und aus der Attribute wie ihre spitzen Nasen, scharfen Zähne und flauschigen Schwänze, aber auch Eigenschaften wie ihr Rudelverhalten und ihre Aggressivität resultieren." Auch wenn ein Wolf von Schafen aufgezogen wird, würde er dennoch wolfähnliche Eigenschaften entwickeln.
Das Prinzip wenden Chu zufolge Menschen auch auf sich selbst an. "Sich selbst zu essenzialisieren bedeutet, sich durch eine Reihe von fest verankerten und unveränderlichen Eigenschaften zu definieren." Diese könnten sich wie bei den Studienteilnehmenden in doch recht oberflächlichen Interessen äußern, wodurch der Irrglaube entstehe, dass sie etwas über das eigene Wesen verraten würden. Nun sei jedoch das Wesen eines Menschen deutlich komplexer, heißt es in der Studie. Und auch an einer scheinbaren Unveränderlichkeit zweifeln die Forscherinnen und Forscher.
Ähnlichkeiten sind positiv
Dass Ähnlichkeiten in einer Partnerschaft zwar durchaus positiv sein können, zeigen vorangegangene Studien. Statt dem Kunst- und Musikgeschmack sollten Paare für eine langfristige Beziehung aber vielmehr Charaktereigenschaften und Wertvorstellungen teilen. "Wir haben entdeckt, dass Partnerschaften dann funktionieren, wenn in den drei Dimensionen Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit und Offenheit eine Ähnlichkeit zwischen den Partnern vorherrscht", schreiben die Psychologen Beatrice Rammstedt und Jürgen Schupp in einer Studie, die im Fachmagazin "Personality and Individual Differences" erschienen ist.
Paare bleiben demnach länger zusammen, wenn grundlegende Charaktereigenschaften wie etwa Ordnungssinn, Pünktlichkeit oder Strukturiertheit übereinstimmen. Besonders ehrgeizige Menschen wollten besonders ehrgeizige Partner. Und "ein altruistischer Mensch würde mit einem Egoisten kaum glücklich werden", erklären die Psychologen. Ob man dabei lieber Schlager oder Metal hört, spielt kaum eine Rolle.
Quelle: ntv.de