Panorama

Frauen gegen die Mafia Italiens schutzlose Heldinnen rebellieren

Lea Garofalo gehört zu den Frauen, die die Abkehr von der Mafia nicht überlebten.

Lea Garofalo gehört zu den Frauen, die die Abkehr von der Mafia nicht überlebten.

(Foto: imago/ZUMA Press)

Sie sind Ehefrauen, Mütter oder Schwestern von Mafiosi und wollen damit nichts mehr zu tun haben. Ihre Zahl nimmt stetig zu. Doch wenn sie weder Täter noch Opfer oder Zeuge sind, lässt der italienische Staat sie im Stich.

Wie viele es sind, ist schwer zu sagen, nur so viel ist klar: Es werden immer mehr. Es sind Ehefrauen, Schwestern, Mütter, Töchter von Mafiosi, die versuchen, sich aus den Fängen der Mafia in Sizilien, der 'Ndrangheta in Kalabrien oder der Camorra in und um Neapel zu befreien.

Diese Frauen haben alles hinter sich gelassen, auch um ihre Söhne davor zu bewahren, eines Tages selbst kriminell zu werden. Wirklich sicher sind sie aber nie, denn die organisierte Kriminalität verzeiht einem Abtrünnigen, "Infame", nie. Gleich wie weit weg man ziehe, erzählte unlängst eine dieser Frauen in einem Interview mit der Tagezeitung "La Stampa", früher oder später klopfe immer einer der Mafiaemissäre an ihre Tür, würde ihr drohen, die Kinder zu entführen und ihr selbst das Leben zu nehmen.

Doch ein Leben im eigentlichen Sinn habe sie ja sowieso nicht mehr. Sie dürfe nicht arbeiten, die Kinder nicht in die Schule schicken, kein Auto besitzen, überhaupt müsse sie alles, was eine amtliche Registrierung benötigt, vermeiden. Es ist eine Rebellion, die viel Mut verlangt und auch große Gefahren für Leib und Seele birgt. Doch für den Staat gibt es diese Frauen nicht, sie sind weder Täter noch Opfer im rechtlichen Sinn und haben deswegen kein Recht auf ein Schutzprogramm.

Und das, obwohl die Vergangenheit schon mehrmals bewiesen hat, dass die Drohungen nicht nur leere Worte sind. Lea Garofalo, einst Mafia-Zeugin, wurde Ende 2009 von ihrem Lebensgefährten, dessen Bruder und anderen Mitgliedern des Clans entführt, gefoltert, ermordet und in Säure aufgelöst. Maria Concetta Cacciola, Tochter eines Bosses, wurde 2011 von der Familie in den Selbstmord getrieben, weil sie gegen diese rebellierte. Giuseppina Pesce, selber Mitglied der 'Ndrangheta, hatte nach ihrer Verhaftung begonnen, mit der Justiz zu kooperieren. Doch die Familie setzte sie so unter Druck, drangsalierte und misshandelte sogar ihre Kinder, dass sie die Zusammenarbeit mit den Ermittlern abbrach.

Der lange Arm der Mafia

"Der größte Feind dieser Frauen ist ihr engstes Umfeld. Sie werden zu Aussätzigen, zur Schande der Familie. Es gibt Fälle, wo die Söhne die Mutter ermordet haben, um die Ehre der Familie wieder herzustellen", erklärt Staatsanwalt Marco Boretti im Gespräch mit n-tv.de. "Doch trotz der offensichtlichen Gefahr verweigert ihnen die Justiz jeglichen Schutz. Das italienische Strafverfahren sieht bis heute nur zwei schutzbedürftige Kategorien vor. Zur ersten gehören die Mafia-Pentiti, die Mafia-Reuigen, zur zweiten die Mafia-Zeugen beziehungsweise -Opfer". Bereuen tue der Mafioso seine Taten wohlgemerkt meistens erst nach der Festnahme, von selber käme er nicht. "Wobei die Reue selten der eigentliche Grund der Zusammenarbeit ist", erzählt Boretti weiter.

"Man erhofft sich davon einen Straferlass oder sogar einen Freispruch und eine neue Identität für sich und die Familie". Es habe aber auch Pentiti gegeben, die mit ihren Aussagen die Ermittler nur auf falsche Spuren führen wollten. Auch Mafiaopfer, die Anzeige erstatten, kommen unter staatlichen Schutz. Das Programm sei aber sehr kostenaufwendig. Weswegen die Frauen, die freiwillig wegziehen, den Ermittlern aber nichts zu bieten haben, weder Geheimnisse, noch Anzeigen, und selber in keine kriminellen Machenschaften verstrickt sind, durchs Raster fallen .

Gegen diese Gesetzeslücke kämpft Libera, Italiens wichtigster und bekanntester Anti-Mafia-Verein, seit Jahren. Gegründet wurde dieser Mitte der 1990er-Jahre vom katholischen Priester Don Luigi Ciotti, der den Kampf gegen die organisierte Kriminalität zu seinem Lebenszweck gemacht hat. Für die meisten dieser schutz- und mittellosen Frauen ist Libera der einzige Zufluchtsort.

Don Ciotti selber fordert die Regierungen immer wieder auf, endlich ein Gesetz zu verabschieden, das auch diesen Frauen staatlichen Schutz gewährt. "Wir müssen uns beeilen. Wir müssen diesen Frauen und all den anderen helfen, die weg vom Mafia-Milieu, in dem sie leben, auf der Suche nach einem neuen Leben sind. Sie sind ein leuchtendes Beispiel, das auch ihren Leidensgefährtinnen Mut machen kann", erklärte er unlängst wieder. Mahnungen, die bis jetzt jedoch ungehört blieben.

Quelle: ntv.de

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