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Nicht verboten, trotzdem gefährlich "Legal Highs" sind unberechenbar

Was die Kräutermischungen genau enthalten, kann oft nur mit einer chemischen Analyse festgestellt werden.

Was die Kräutermischungen genau enthalten, kann oft nur mit einer chemischen Analyse festgestellt werden.

(Foto: picture alliance / dpa)

Sie sind gar nicht so schwer zu beschaffen und auch noch legal: berauschende Alternativen zu Cannabis, LSD und Ecstasy. Diese "Legal Highs" sind trotzdem alles andere als harmlos, der Gesetzgeber kommt einfach nur mit dem Verbieten nicht hinterher.

"Freeze", "Hammer Head" und "Psycho Joker" steht auf den kleinen, bunten Plastiktütchen. Drin ist eine trockene, bräunlich-grüne Masse aus zerriebenen Pflanzenteilen, die pro Packung zwischen 10 und 20 Euro kostet. Diese Kräutermischungen führen geraucht oder gekaut zu Rauschzuständen, die denen von illegalen Drogen gleichkommen. Kein Wunder: Die Mischungen enthalten in der Regel Hanfextrakte. Und obwohl sie meistens offiziell als Badesalz oder Raumlufterfrischer angeboten werden, liegen ihnen häufig Anleitungen für den Konsum sowie Hinweise auf die Stärke des zu erwartenden Rausches bei.

Der entscheidende Unterschied: Die berauschenden Brösel werden im Internet oder in Headshops - Geschäften mit Zubehör für den Cannabis-Konsum - völlig legal angeboten. Nach einer Umfrage der EU haben europaweit bereits etwa acht Prozent der Jugendlichen Erfahrungen mit den legalen Highmachern; allein in den letzten fünf Jahren hat sich ihre Zahl verdoppelt. Die Zahl der deutschen Benutzer liegt noch etwas unterhalb des europäischen Durchschnitts.

Die Kräutermischungen aus den Headshops sind allerdings nicht die einzige Möglichkeit, sich außerhalb des gesetzlichen Radars zu benebeln. Vieles kann für den schnellen Kick zweckentfremdet werden. So sondert die Aga-Kröte auf ihrem Rücken bei Gefahr beziehungsweise Angstzuständen ein Sekret ab, das abgeleckt zu einem kurzen halluzinogenen Trip führt. Im Internet kann man die Tiere für unter 30 Euro bestellen.

Wesentlich appetitlicher ist mit Sicherheit das Trocknen der heimischen Katzenminze, die am Wegesrand wächst. Wer sie raucht, erlebt Ähnliches wie beim Konsum von Cannabis. Auch alltägliche chemische Substanzen können zweckentfremdet werden. Ein bekanntes Beispiel ist Lachgas, das - aus Luftballons eingeatmet - zu kurzen Euphorie-Flashs führt. Auch Klebstoffe oder Treibmittel in Sprühdosen haben eine berauschende Wirkung.

Schädlich, wenn nicht lebensgefährlich

Egal wie harmlos, eklig oder biologisch sich die Alternativen zu den klassischen illegalen Drogen anhören - ungefährlich ist keine von ihnen. Sie alle sind bei falscher Dosierung gesundheitsschädlich beziehungsweise lebensgefährlich. "Die Junkies bezeichnen die Ersatzdroge oft als stärker als das Original", sagt Bernd Werse, Leiter des Center of Drug Research der Universität Frankfurt. "Mit höherer Dosierung der Wirkstoffe steigt die Gefahr von Gesundheitsschäden." Bei natürlichen Drogen wie dem Gift der Aga-Kröte sei die genaue Dosierung praktisch nicht möglich. Synthetische Drogen wiederum seien häufig mit gesundheitsschädlichen Substanzen gestreckt, etwa mit Waschmittel oder Rattengift. Bei neu aufkommenden Drogen fehle dazu noch jegliche Erfahrung mit den Langzeitschäden.

Weil Kröten, Klebstoffe oder Katzenminze nicht aus dem Verkehr gezogen werden können, versucht der Gesetzgeber, zumindest der neuen "Legal Highs" per Gesetz Herr zu werden. Nach dem deutschen Betäubungsmittelstrafrecht darf bereits jetzt eine Unzahl von Stoffen weder produziert noch verkauft, weder besessen noch konsumiert werden. Das Problem dabei: Was nicht explizit verboten ist, ist erlaubt. Schon eine kleine Veränderung in der chemischen Struktur eines Stoffes führt zu einer Neubenennung - und damit fällt er nicht mehr unter das Betäubungsmittelgesetz. Eine neue Substanz ist erst dann verboten, wenn sie in den Anhängen des Gesetzes genannt wird.

Hase und Igel-Rennen

Das dazu notwendige Verbotsverfahren ist langwierig: Meist fällt eine neue Droge zuerst der Polizei auf, die dann einen Hinweis an das Gesundheitsministerium gibt. Dort schätzt eine Kommission mit Experten aus Pharmazie, Medizin und Politik Gefährlichkeit und Verbreitung des Stoffes ein und empfiehlt dem Gesundheitsminister gegebenenfalls ein Verbot. Wird eine Droge als besonders gefährlich erachtet oder verbreitet sie sich unkontrollierbar, kann der Minister ein vorläufiges Verbot erwirken, das sofort in Kraft tritt.

In der Regel dauert es aber ein Jahr vom Aufkommen eines neuen Rauschmittels bis zur Reaktion des Gesetzgebers - und in dieser Zeit ist der Stoff frei verkäuflich. Heiko Kohl, Anwalt für Betäubungsmittelrecht in Berlin, hält dieses langwierige Verfahren denn auch für zwar notwendig, aber wenig effizient. "Jedes Verbot führt zu einer Ausweichbewegung im Markt." Während der eine Stoff untersucht wird, arbeiten Drogenköche bereits an der nächsten Substanz.

Dieses Hase- und Igel-Rennen beenden könnte das sogenannte Stoffgruppenverbot. Zu einer Stoffgruppe gehören alle chemischen Stoffe, die eine Eigenschaft gemeinsam haben. Weil diese Eigenschaft beliebig gewählt werden kann, lassen sich unendlich viele Stoffgruppen bilden. Somit könnten beispielsweise alle Cannabinoide - chemisch dem Cannabis ähnliche Stoffe - verboten werden. Allerdings würde ein Stoffgruppenverbot auch solche Stoffe einschließen, die keine Drogen sind, sondern eine wichtige Funktion in der Forschung oder Wissenschaft haben. So sind zum Beispiel einige Pflanzendünger chemisch eng mit Cannabinoiden verwandt. Rechtsanwalt Heiko Kohl: "Das Stoffgruppenverbot wird bereits seit zehn Jahren immer wieder diskutiert." Durchsetzen konnte es sich bisher jedoch nicht.

Quelle: ntv.de

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