Politik

Massaker im Kongo Stuttgarter Gericht verurteilt Milizenführer

Seit den 80er Jahren leben die beiden Männer (hier Straton Musoni) in Baden-Württemberg.

Seit den 80er Jahren leben die beiden Männer (hier Straton Musoni) in Baden-Württemberg.

(Foto: picture alliance / dpa)

Zwei Milizenführer aus Ruanda müssen lange in Haft. Das entscheidet das Oberlandesgericht in Stuttgart. Von Deutschland aus steuerten sie 2008 und 2009 per Satellitentelefon Massaker im Kongo.

Nach mehr als vierjähriger Prozessdauer hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart zwei ruandische Milizenführer im Zusammenhang mit Massakern an der Bevölkerung im Kongo zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Das Gericht verhängte gegen den Chef der Demokratischen Kräfte für die Befreiung Ruandas (FDLR), Ignace Murwanashyaka, eine Gefängnisstrafe von 13 Jahren. Sein Stellvertreter Straton Musoni erhielt acht Jahre Haft.

Das Oberlandesgericht sprach die Angeklagten der Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung und Murwanashyaka zusätzlich der Begehung von Kriegsverbrechen schuldig. Die beiden der Volksgruppe der Hutu angehörenden Männer leben seit den 80er Jahren in Baden-Württemberg. Sie sollen ihre Milizen bei den Massakern in den Jahren 2008 und 2009 per Satellitentelefon politisch gesteuert haben, um die Tutsi-Regierung im benachbarten Ruanda zu Verhandlungen über eine Machtbeteiligung zu zwingen.

Die Bundesanwaltschaft hatte für den Hauptangeklagten auf lebenslange Haft plädiert und für seinen Stellvertreter zwölf Jahre gefordert. Die Strafverfolger gingen davon aus, dass die Hutu-Milizen gezielt gegen die Zivilbevölkerung vorgegangen seien, um eine humanitäre Katastrophe auszulösen.

Vergeltungsmaßnahmen gegen Frauen und Kinder

Dies ließ sich dem Vorsitzenden Richter Jürgen Hettich zufolge so nicht beweisen. Das Gericht hatte sich aus Gründen der Prozessökonomie zuletzt auf vier von 16 Anklagepunkten zu Massakern konzentriert. Es kam aufgrund zahlreicher Zeugenaussagen dann zu dem Ergebnis, dass die FDLR-Milizen vor allem Zivilisten, die auf Seiten der kongolesischen Truppen standen, als "Feind" behandelten.

Bei Vergeltungsmaßnahmen seien deshalb auch Frauen und Kinder getötet und Menschen bei lebendigem Leib in ihren Häusern verbrannt worden. Das Gericht wertete dies als Kriegsverbrechen, weil die Zivilisten nicht an den Kämpfen beteiligt gewesen waren und somit "unter dem Schutz des humanitären Völkerrechts standen".

Der Prozess war der erste in Deutschland auf Grundlage des 2002 eingeführten Völkerstrafgesetzbuchs. Demnach ist das deutsche Strafrecht auch dann anwendbar, wenn weder Täter noch Opfer aus Deutschland kommen, noch der Tatort des Verbrechens in Deutschland liegt.

Opferzeugen wurden per Videoübertragung vernommen

Richter Hettich übte allerdings heftige Kritik an den Umständen des über vierjährigen Prozesses. "So geht es nicht", sagte Hettich mit Blick auf die Schwierigkeiten des Mammutverfahrens. So hätten Opferzeugen anonymisiert per Videoübertragung vernommen und dieses Anhörungen auch wegen aufflammender Kämpfe in der Nähe abgebrochen werden müssen.

Weil zudem die Verteidigung über 300 Beweisanträge gestellt und selbst UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in den Zeugenstand holen wollte, habe das Verfahren, das mit der deutschen Strafprozessordnung eigentlich nicht zu bewältigen sei, mehrmals vor dem Scheitern gestanden.

Ob der Hauptangeklagte oder die Bundesanwaltschaft gegen das Urteil beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe Revision einlegen werden, war noch offen. Der zu acht Jahren verurteilte Musoni, der sich mittlerweile von der FDLR losgesagt hat, kam nach der Verkündung auf freien Fuß. Weil er bereits fünf Jahre in Untersuchungshaft saß, sei eine Fortdauer der Haft unverhältnismäßig, entschied das OLG

Quelle: ntv.de, jki/AFP

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