Artikel über Privatkredit verhindern Wulff rief auch Friede Springer an
02.01.2012, 20:39 Uhr
Wulff im August 2010 in seinem Arbeitszimmer im Berliner Schloss Bellevue.
(Foto: dpa)
Bundespräsident Wulff setzte offenbar alles daran, den Bericht der "Bild"-Zeitung über seinen Privatkredit zu verhindern. Wie "Bild" bestätigt, rief er zunächst bei Chefredakteur Diekmann an. Auch bei Verlags-Chef Döpfner und schließlich bei Mehrheitseignerin Friede Springer habe Wulff sich telefonisch gemeldet, heißt es. Es folgte ein weiterer Anruf bei "Bild": Wulff entschuldigt sich für "Ton und Inhalt" des ersten Anrufs.
Der Bundespräsident schweigt und verweist auf das hohe Gut der Pressefreiheit. Die "Bild"-Zeitung sieht sich nun allerdings zu einer Stellungnahme genötigt und erklärt "in eigener Sache": Christian Wulff hat im Umfeld der Berichterstattung über den Privatkredit für sein Eigenheim Mitte Dezember die Zeitung angerufen. Demnach kontaktierte Wulff am 12. Dezember "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann, um zu verhindern, dass die Zeitung ihre Geschichte über Wulffs Privatkredit veröffentlicht.
Da Diekmann nicht zu erreichen war, habe Wulff eine "längere Nachricht" auf der Mailbox des Chefredakteurs hinterlassen. Dabei sei er nicht nur erbost gewesen, Wulff habe auch mit strafrechtlichen Konsequenzen gedroht, so die "Bild". Zum Zeitpunkt des Anrufs befand Wulff sich in Kuwait. Laut "Süddeutscher Zeitung" drohte er in seiner Nachricht auch mit dem "endgültigen Bruch" mit dem Springer-Verlag, falls die "unglaubliche" Geschichte erscheine. Für ihn "sei der Rubikon überschritten" soll Wulff gesagt haben.
Wir wissen nicht, mit wem Wulff hier telefoniert - die Aufnahme entstand jedoch nicht in Kuwait, sondern im Juli 2010 in Berlin.
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Wie der Springer-Verlag bestätigte, rief Wulff auch dessen Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner an, um die geplante Veröffentlichung zu stoppen. Schließlich wandte er sich laut dem Magazin "Cicero" an Springer-Mehrheitsaktionärin Friede Springer. Das Telefonat soll allerdings mit der kühlen Auskunft geendet haben, dass die Witwe des Verlagsgründers Axel Springer keinen Einfluss auf ihre Chefredakteure zu nehmen pflege, heißt es bei "Cicero". Ein Springer-Sprecher sagte dazu auf Anfrage: "Dazu ist uns nichts bekannt."
Am 13. Dezember erschien der erste Artikel in der "Bild"-Zeitung, wonach Wulff im Februar 2010 im niedersächsischen Landtag nicht die volle Wahrheit gesagt habe, als er nach geschäftlichen Beziehungen zum Unternehmer Egon Geerkens gefragt wurde. Schließlich habe er von Geerkens Frau Edith einen Kredit über 500.000 Euro erhalten. Zwei Tage später rief Wulff erneut bei Diekmann an. Er habe in dem Telefonat "persönlich um Entschuldigung für Ton und Inhalt seiner Äußerungen auf der Handy-Mailbox" gebeten, schreibt die "Bild". Damit sei diese Sache für die Zeitung erledigt gewesen.
Stellungnahme wieder zurückgezogen
Wulff selbst hatte zuvor die Berichte über einen Anruf bei der "Bild"-Zeitung nicht dementieren und nicht bestätigen wollen. In einer Reaktion auf eine Meldung der "Süddeutschen Zeitung" erklärte das Bundespräsidialamt: "Die Presse- und Rundfunkfreiheit ist für den Bundespräsidenten ein hohes Gut. Er hat deshalb zu den Krediten für sein Eigenheim und zu Urlaubsaufenthalten Transparenz hergestellt, Erklärungen abgegeben und mehrere Hundert Medienanfragen beantwortet. Über Vieraugengespräche und Telefonate gibt der Bundespräsident aber grundsätzlich keine Auskunft."
Laut "Bild" hat die Zeitung dem Bundespräsidenten vor Veröffentlichung des Artikels Gelegenheit zu einer ausführlichen Stellungnahme gegeben. Wulff habe diese zunächst abgegeben, aber am 12. Dezember kurz vor Redaktionsschluss zurückgezogen.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) nahm den Bericht der "Süddeutschen Zeitung" zum Anlass, sich gegen "jegliche Versuche prominenter Persönlichkeiten" zu wenden, "Einfluss auf die kritische Berichterstattung von Medien ausüben zu wollen.
"Prominente müssen sich kritische Berichterstattung als Teil der Meinungsfreiheit gefallen lassen", sagte DJV-Chef Michael Konken. "Das müsste niemand besser wissen als der erste Mann im Staat." Wulffs Versuche gegenüber der "Bild"-Zeitung seien nicht vereinbar mit seiner Erklärung vom 22. Dezember, in der er die Bedeutung der Pressefreiheit ausdrücklich hervorgehoben habe, so Konken weiter.
Elf neue Strafanzeigen
In der Kreditaffäre gingen bei der Staatsanwaltschaft Hannover derweil elf weitere Strafanzeigen gegen Wulff ein. "Unsere Prüfung hat aber ergeben, dass kein Anfangsverdacht für eine Straftat vorliegt", hieß es aus der Behörde. Es gebe weiterhin keine Ermittlungen.
Die Zahl der Strafanzeigen gegen Wulff liege nun bei insgesamt zwanzig, sagte Oberstaatsanwalt Hans-Jürgen Lendeckel: "Unter den neuen sind auch einige anonyme." Darin gehe es vor allem um Wulffs Kontakte zur Stuttgarter BW-Bank, bei der er den umstrittenen Hauskredit der Unternehmergattin Edith Geerkens durch ein anderes Darlehen ablöste.
Laut "Spiegel" hat Wulff die guten Konditionen von der BW-Bank als "Dankeschön" dafür erhalten, dass er 2009 als niedersächsischer Ministerpräsident gemeinsam mit VW die Nobelmarke Porsche gerettet und damit auch der Bank geholfen hatte.
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In manchen Anzeigen werde zudem geltend gemacht, dass Wulff für seine Urlaubsaufenthalte bei befreundeten Unternehmern Schenkungssteuer hätte zahlen müssen. "Das ist hier geprüft worden. Und wir sehen weiter keinen Anfangsverdacht", betonte Lendeckel.
Strafanzeigen sind jederzeit möglich, jeder Bürger kann sie stellen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt jedoch immer erst dann konkret, wenn es Anzeichen für eine Straftat gibt.
Kredit erst nach 15. Dezember unterzeichnet
Keine Straftat, aber eine grobe Ungenauigkeit unterlief Wulff bei einer persönlichen Erklärung am 15. Dezember. Darin schrieb Wulff, er habe den Privatkredit von Frau Geerkens mit Hilfe eines kurzfristigen Geldmarktdarlehens bei der BW-Bank abgelöst. "Inzwischen habe ich das Geldmarktdarlehen in ein langfristiges Bankdarlehen festgeschrieben." Nach Angaben der BW-Bank wandelte Wulff das Geldmarktdarlehen aber erst kurz vor Weihnachten vertraglich in ein langfristiges Darlehen um. Ein im März 2010 mit Wulff abgeschlossener Vertrag sei zu diesem Zeitpunkt in ein langfristiges Darlehen umgewandelt worden, erklärte das Stuttgarter Institut am vergangenen Freitag.
Der langfristige Darlehensvertrag sei am 12. Dezember 2011 an Wulff versandt worden, so die Bank. Dieser wurde von Herrn Wulff am 21.12. unterschrieben und ging am 27.12. bei der BW-Bank ein." Am Tag nach der Unterschrift, am 22. Dezember, beendete Wulff sein Schweigen, bedauerte die irreführende Antwort im Landtag und bat die Bürger um Vertrauen.
Wulffs Anwalt Gernot Lehr bestätigte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", dass die BW-Bank den neuen, unterschriebenen Darlehensvertrag am 12. Dezember an den Bundespräsidenten geschickt habe. Die Zinskonditionen seien jedoch bereits am 25. November von Wulff und der BW-Bank "fixiert" worden, sagte Lehr.
Quelle: ntv.de, tar/hvo/dpa/AFP/rts