Spähten die USA unbemerkt? Zweifel an Unwissenheit wächst
06.07.2013, 20:56 Uhr
Merkel wird sich wohl vor der Wahl äußern müssen.
(Foto: dpa)
Was wussten deutsche Behörden, was wusste die Regierung über die Ausspäh-Methoden der USA in Deutschland? Bisher ist das nicht sonderlich transparent. Experten wundern sich zunehmend über die angebliche Ahnungslosigkeit.
In der Debatte über US-Spähangriffe auf Telefonate und E-Mails aus Deutschland mehren sich Zweifel an der Ahnungslosigkeit deutscher Behörden. Der frühere österreichische Verfassungsschutz-Chef Gert René Polli sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", ihm sei das Programm "Prism" unter anderem Namen bekannt gewesen. Darum sei es "widersinnig und unnatürlich", wenn die Deutschen nichts davon gewusst hätten. Auch in Österreich habe es Überwachungsaktivitäten der Amerikaner gegeben, wenn auch in geringerem Umfang.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Fritz Rudolf Körper, der Mitglied des für die Geheimdienste zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremiums ist, zeigte sich "überrascht, dass manche überrascht sind" von den Enthüllungen. Nach seinem Informationsstand hätten sich die Amerikaner ausschließlich amerikanischer Server bedient, und damit die "nationale Integrität Deutschlands" nicht verletzt. "Wenn wir geschützte Kommunikation wollen, müssen wir eine eigene, robuste Infrastruktur aufbauen", sagte Körper.
Zwischen Deutschland und den USA gibt es laut FAS jahrzehntealte Vereinbarungen, die eine Überwachung deutscher Briefe und Telekommunikation erlauben. Sie rührten noch aus der Nachkriegszeit und der Sonderstellung der ehemaligen Westalliierten gegenüber der Bundesrepublik her und dienten der Sicherheit ihrer Streitkräfte.
So habe Bonn in einer Verbalnote 1968 eine damals zwölf Jahre alte Zusicherung von Bundeskanzler Konrad Adenauer bekräftigt, dass "jeder Militärbefehlshaber berechtigt ist, im Falle einer unmittelbaren Bedrohung seiner Streitkräfte die angemessenen Schutzmaßnahmen zu ergreifen". Dieses Sonderrecht wurde nach Darstellung der Zeitung auch nach der Wiedervereinigung angewandt. Es sei Grundlage dafür gewesen, dass die USA bis 2004 ihr Satelliten-Spionagesystem "Echelon" auch in Deutschland hätten betreiben können.
Zudem gebe es lange vor der Wiedervereinigung geschlossene Verwaltungsvereinbarungen, nach denen die USA die deutschen Geheimdienste um Post- und Fernmeldekontrolle ersuchen könnten, schreibt die Zeitung. Die Deutschen würden die Daten den Amerikanern übergeben und ihnen teils auch Zutritt zur Überwachung selbst gewähren. Dies habe ein Buch im vergangenen Jahr öffentlich gemacht. Auf die dadurch ausgelöste Nachfrage eines Abgeordneten habe die Bundesregierung geantwortet, die Vereinbarungen seien "noch in Kraft, haben jedoch faktisch keine Bedeutung mehr". Seit der Wiedervereinigung habe es keine solchen Ersuchen gegeben.
Die deutsche Politik fordert nun aber vor Beginn der Verhandlungen über ein EU-Freihandelsabkommen mit den USA Garantien der Amerikaner beim Datenschutz. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte, er erwarte von den USA "vor Aufnahme der Verhandlungen klare und belastbare Zusicherungen, dass es zu keinen neuen Ausspähaktionen kommt". CDU und FDP forderten die USA auf, eine bessere Einhaltung des Datenschutzes zuzusichern. Die Gespräche über ein Freihandelsabkommen sollen nächste Woche in Washington beginnen.
Kanzlerin Angela Merkel sprach sich dafür aus, daneben auch über andere Themen zu sprechen. Es müsse ein Ausgleich gefunden werden zwischen Sicherheitsmaßnahmen und Datenschutz, sagte sie. Der scheidende US-Botschafter in Deutschland, Philip Murphy, sieht
sein Land unter Zugzwang. "Jetzt ist es an uns, konkrete Schritte zu unternehmen, um Vertrauen wiederherzustellen", sagte er der "Bild am Sonntag". "Die Dinge müssen wieder dahin kommen, wo sie hingehören. Ich bin überzeugt, das wird uns gelingen."
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP