Als Frauenschläger gebrandmarkt Keine Sorge, Johnny, für dich wird alles gut
02.11.2020, 19:29 Uhr
Ist sich keiner Schuld bewusst: Johnny Depp.
(Foto: AP)
Die britische "Sun" darf Johnny Depp einen "Ehefrauenschläger" nennen. Aber um seine Karriere wird sich der Hollywoodstar trotz des derzeitigen Reputationsschadens keine Sorgen machen müssen. Das haben schon viele weitere Fälle vor ihm bewiesen.
20 Stunden lang saß Johnny Depp im vergangenen Juli im Zeugenstand des Obersten Gerichts in London und beantwortete unzählige Fragen zu seinem Lebensstil, zu Alkohol- und Drogenkonsum, Gewaltvorwürfen und zu seiner kurzen Ehe mit Amber Heard. Mit seinen Aussagen wollte der Hollywoodstar beweisen, dass er in einem Artikel der Boulevardzeitung "The Sun" zu Unrecht als "Ehefrauenschläger" bezeichnet worden war. Das Blatt hatte dem Schauspieler unter Berufung auf Aussagen seiner Ex-Frau vorgeworfen, diese in 14 Fällen körperlich misshandelt zu haben.
Doch mit seinem Vorhaben, seinen Ruf durch eine Schadenersatzklage gegen den herausgebenden Verlag der "Sun" zu retten, ist Depp nun kläglich gescheitert. Nicht nur, weil das Gericht seine Klage abwies und urteilte, dass das, was in dem besagten Artikel von 2018 stand, "im Wesentlichen wahr" gewesen sei. Sondern vor allem, weil der Prozess verstörende Details über ihn offenbart hat, die er vermutlich lieber nicht öffentlich gemacht hätte.
Heard sei "das Opfer anhaltender und mehrfacher Angriffe" von Depp gewesen, urteilte der Richter nun. Unter anderem soll Depp die 34-Jährige mehrfach getreten, geschlagen, Kopfnüsse verpasst, Haare ausgerissen, sie mit Gegenständen beworfen, erniedrigt, gewürgt und als Geisel genommen haben. Auch seine ausschweifende Alkohol- und Drogensucht war in dem Prozess allgegenwärtig und wurde so belegt, dass er sie nicht abstreiten konnte. Das armselige Bild, das von Depp nun übrigbleibt, ist das eines heruntergekommenen Junkies.
"Zeichen für Tiefe seiner Wut"
Daran konnten auch seine Vorwürfe an Heard nichts ändern. Depp bezichtigte sie, eine tablettenabhängige "Goldgräberin" und "narzisstische Soziopathin" zu sein. Seine Behauptung, dass die "Aquaman"-Darstellerin selbst gewalttätig gewesen sei, konnte zwar teilweise belegt werden. Das änderte jedoch ebenso wenig an dem Urteil wie Depps abgetrennte Fingerkuppe. Wie sie abhandengekommen sei, ließe sich nicht mehr nachvollziehen erklärte das Gericht nun, nicht ohne den Vorfall gegen ihn zu wenden: Es sei aber ein "Zeichen für die Tiefe seiner Wut", dass er zugegeben habe, "Graffiti mit Blut von seinem verletzten Finger" an die Wand gemalt zu haben.
Eines ist sicher: Als wahrer Sieger ist aus dem medial ausgeschlachteten Verfahren nur die "Sun" hervorgegangen. Depps und Heards öffentliche Wahrnehmung ist kaum noch zu trennen von den vielen kranken Geschichten, die im Laufe des Prozesses ans Licht kamen. Heard wird für immer diejenige sein, die ihrem Ex (mutmaßlich) ins Bett gekackt und sich die ein oder andere vermeintliche Wunde vielleicht sogar nur aufgemalt hat. Und Depp wird immer derjenige sein, der sich im Vollsuff in die Hose gemacht hat, auf dem Klo bewusstlos wurde - und eben ein brutaler Frauenschläger ist.
Johnny Depps Karriere hat im Zuge des Skandals einen Knick erlebt. Der Schauspieler verlor seine bislang lukrativste Rolle in der "Der Fluch der Karibik"-Reihe. Die Niederlage vor Gericht könnte ihn nun auch einiges an Vermögen kosten, wenn er dazu verdonnert wird, seine eigenen Prozesskosten und die der Gegner zu zahlen. Auch könnte der Ausgang des Prozesses Auswirkungen auf die zwei noch folgenden Verfahren in den USA haben, in denen sich das einstige Paar gegenseitig wegen Verleumdung verklagt hat. Doch mit Sicherheit wird der 57-Jährige den entstandenen Reputationsschaden eher überleben als Amber Heard.
Wenn hier einer bangen muss, dann Heard
Zwar hat sich im Zuge der #MeToo- und #Time'sUp-Bewegung einiges in Hollywood getan, wenn es darum geht, mutmaßlichen Opfern häuslicher Gewalt zuzuhören und Sexualstraftäter wie Bill Cosby oder Harvey Weinstein zur Rechenschaft zu ziehen. Die meisten Promis - darunter Chris Brown, Mickey Rourke, Eminem, Sean Penn, Woody Allen, Roman Polanski, Mike Tyson, Jimmy Page, Michael Fassbender, Sean Connery, John Lennon, Nicolas Cage, Tommy Lee, Gary Oldman, Josh Brolin und Alec Baldwin - können sich aber aus solchen Skandalen viel schneller befreien.
Im Fall von Johnny Depp und Amber Heard dürfte das wohl ähnlich werden. Der 57-Jährige genießt ohnehin einen viel größeren Zuspruch in der Öffentlichkeit als seine Ex. Das machte sich nicht nur an der Vielzahl von Fans bemerkbar, die als Captain Jack Sparrow verkleidet und mit "Gerechtigkeit für Johnny"-Schildern vor dem Londoner Gericht protestierten. Auch seine Ex-Partnerinnen Vanessa Paradis und Winona Ryder oder Promi-Freundinnen wie Sia haben ihm zu einem Vertrauensvorschuss in der Öffentlichkeit verholfen.
Wenn hier eine um ihre Karriere bangen muss, dann ist es wohl Amber Heard. In sozialen Medien und Internetforen ist der Ärger über die vermeintlich unrechte Verurteilung des "armen Mannes" enorm. Während dieser nächstes Jahr sowohl in "Minamata" als auch in "Phantastische Tierwesen 3" in den Kinos zu sehen sein wird, haben bereits 300.000 Menschen eine Petition unterschrieben, in der die Auswechslung von Heard als Hauptdarstellerin in "Aquaman 2" gefordert wird.
Quelle: ntv.de