Unterhaltung

Die ganz alte Krimischule Kölner "Tatort" beendet Sommerpause

Bär und Schenk mit dem Hauptverdächtigen: mehr als nur ein strenger Steuerprüfer?

Bär und Schenk mit dem Hauptverdächtigen: mehr als nur ein strenger Steuerprüfer?

(Foto: WDR/Martin Valentin Menke)

In einem Kölner Vorort werden eine Frau und ihr junger Sohn ermordet - und der Vater ist der Hauptverdächtige. "Durchgedreht" belebt alte "Tatort"-Tugenden. Ob das nun gut oder schlecht ist, lesen Sie hier.

Der "Tatort" ist nicht mehr das, was er einmal war: Im düsteren Dortmund ermittelt ein vierköpfiges Team nach amerikanischem Serienvorbild horizontal, in Wiesbaden gelingen regelmäßig tarantinoeske und andere Meta-Krimi-Experimente und in Berlin wird den Zuschauern eine verschlungene Story entgegengeworfen, für die man sich am besten ein Notizbuch zulegt. Mit dem jüngsten Berliner Fall ging der Deutschen liebste Krimiserie auch in die Sommerpause - und als wollten die Macher eine Brücke zu ihrem alteingesessenen Publikum schlagen, darf nun mit Köln eines der konventionellsten Ermittlerteams die neue "Tatort"-Saison einläuten.

Die Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) stehen für deutsche Krimiunterhaltung nach alter Schule, auch "Durchgedreht" bildet da trotz des Titels keine Ausnahme: Eine junge Frau wird im Kölner Vorort Müngersdorf erstochen, ihr Sohn im Kinderbett brutal erdrosselt. Die acht Jahre alte Tochter, die eben noch friedlich im Keller das Kaninchen fütterte, muss das alles mit ansehen - und der Vater, der erst am nächsten Morgen auftaucht, avanciert stante pede zum Hauptverdächtigen.

Meta-Botschaften mit dem Holzhammer

Wie es sich für einen klassischen Krimi gehört, bleibt es natürlich nicht bei dem einen Verdächtigen: Der Familienvater hat(te) nämlich nicht nur ein Eifersuchtsproblem, sondern auch einen Bruder, mit dem die verstorbene Frau viel besser klar kam - und als scharfer Finanzbeamter eine Menge Feinde, denen er das Leben als Steuerprüfer schwer macht, darunter einen schmierigen Journalisten und einen windigen Bauunternehmer. Am Ende liegt die Schuld natürlich, so viel darf verraten werden, an ganz anderer Stelle, aber "Durchgedreht" braucht seine vielen Verdächtigen, um den Zuschauern - alte "Tatort"-Schule eben - seine Meta-Botschaften mit dem Holzhammer einzubläuen.

Es geht um den verzweifelten Kampf der Mittelschicht um Status und Anerkennung, ihre Angst vor dem sozialen Abstieg und die Rolle des Staates bei selbigem, Stichwort Steuergerechtigkeit. Das Ganze erzählt Regisseurin Dagmar Seume so bräsig, dass man als Zuschauer zwei Streichhölzer oder eine große Kanne Kaffee zur Hand haben sollte, um während dieser sehr langen 90 Minuten nicht einzuschlafen, tote Kinder hin oder her.

Hölzerne Dialoge und eine gruselige Kameraführung, die unpassende Gegenschnitte mit Zeitlupenpassagen in den unpassendsten Momenten verbindet, verstärken den Eindruck der Altbackenheit, den "Durchgedreht" aus jeder Pore schwitzt. Wenn dann noch die völlig deplatziert wirkende Soundkulisse dazukommt und das Ende der Episode eine Verfolgungsjagd auf Valium bildet, fühlt man sich tatsächlich zurückversetzt ins alte Krimideutschland. Wie gut, dass der "Tatort" normalerweise nicht mehr das ist, was er einmal war.

Quelle: ntv.de

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